Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.
So, einen wunderschönen Morgen. Ich begrüße Sie zu einer weiteren Sitzung der Vorlesung
Europarecht 1. Sie erinnern sich, wir haben in der letzten Sitzung vorgestern uns vor
allen Dingen mit der Frage beschäftigt, wie ist eigentlich der Rang und die Wirkung des EU-Rechts
aus der Sicht des Grundgesetzes geregelt. Wir haben uns dazu zunächst die einschlägigen
Vorschriften im Grundgesetz angeschaut, insbesondere den besonderen Integrationsartikel 23 und haben
dann die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Frage kennengelernt, insbesondere eben
zu der Frage, in welchem Verhältnis steht eigentlich das europäische Recht, zunächst
das europäische Sekundärrecht zu den Grundrechten. Sie erinnern sich, das Bundesverfassungsgericht
vertritt die Auffassung, dass das europäische Recht durch das Zustimmungsgesetz im Wege des
Artikel 23 Absatz 1 und 59 Absatz 2 in die deutsche Rechtsordnung einfließt, dass also dieses
Zustimmungsgesetz den deutschen Hoheitsanspruch, den Hoheitsanspruch des Grundgesetzes zurücknimmt
und dann eben Raum schafft für Recht, das von der Europäischen Union gesetzt wird und dass auf
diese Weise gewissermaßen das europäische Recht eben auch in das deutsche Recht einbezogen wird.
Und weil das eben auf dem Wege oder auf der Brücke, so hatte ich das versucht, ihn darzustellen,
durch eine Brücke des europä- eines einfachen Gesetzes stattfindet, stellt sich die Frage,
in welchem Verhältnis steht denn dann eigentlich das Grundgesetz, insbesondere die Grundrechte zum
Europarecht und da haben wir gesehen eben, dass da eine lange Rechtsprechungsentwicklung des
Bundesverfassungsgerichts stattgefunden hat, über 25 Jahre. Zunächst, ich habe es Ihnen hier noch mal
auf die Folien gezogen, das Solange-1-Urteil, solange eben die europäische Gemeinschaft über
keinen eigenen Grundrechtskatalog verfügt und solange es eben nicht möglich ist, europäisches
Sekundärrecht, Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse an Grundrechten zu prüfen, solange ist es eben
möglich, dass man verfassungsbeschwerden und Richtervorlagen an das Bundesverfassungsgericht
richtet und das Bundesverfassungsgericht Sekundärrecht eben an den Grundrechten überprüft. Also klare
Aussage, die Grundrechte stehen über dem Sekundärrecht, also klar für diesen Teil der Frage,
auf welchem Rang geht das Europarecht, klare Aussage, es steht nicht über den Grundrechten,
sondern vielmehr die Grundrechte stehen über diesem Teil des europäischen Sekundärrechts.
Ungefähr 15 Jahre später, auch das hatten wir gesehen, nicht ganz, zwölf Jahre später sogar
nur, hat das Bundesverfassungsgericht seine Meinung geändert oder seine Meinung natürlich
nicht geändert, sondern einen neuen Befund festgestellt, nämlich dass zum damaligen
Zeitpunkt die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bereits so weit fortgeschritten ist,
dass eben von einem effektiven Grundrechtsschutz auf europäischer Ebene ausgegangen werden kann und
dann hat das Bundesverfassungsgericht diesen zweiten, so lange Satz formuliert, solange
eben die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs diesen Grundrechtsschutz gewährleistet,
solange wird das Bundesverfassungsgericht sich nicht mehr mit Richtervorlagen und
Verfassungsbeschwerden überprüfen. Das heißt also, man hat nicht gesagt,
wir akzeptieren jetzt, dass das Sekundärrecht auch über den Grundrecht steht, man hat gesagt,
die Grundrechte kommen jetzt gewissermaßen, oder die Grundrechte werden jetzt geschützt,
auch auf europäischer Ebene und es bedarf deswegen keines Schutzes mehr durch die deutschen
Grundrechte. Dann kam wie gesagt der Vertrag von Maastricht, der zum ersten Mal eben, zum ersten
Mal eine Verfassungsbeschwerde bezüglich einer Veränderung der europäischen Verträge,
hier hat das Bundesverfassungsgericht dann eine neue Formel gewissermaßen geprägt,
es hat nämlich von so genannten ausbrechenden Hoheitsakt gesprochen, gesagt also ein Hoheitsakt,
der eben nicht auf der Kompetenzgrundlage der Verträge beruht, bzw. der mit den Verträgen
nicht in Einklang steht, der ist auch ein Sekundärrechtsakt, der gegen Grundrechte verstoßen
kann, insbesondere eben gegen den Artikel 38 Absatz 1 und 79 Absatz 3 und in diesem Umfang
wird das Bundesverfassungsgericht diese Fragen prüfen. Viele haben sich gefragt, relativiert
das die Entscheidung solange 2 und dann haben wir gesehen, in der Entscheidung Bananenmarkt hat
das Bundesverfassungsgericht im Prinzip gewissermaßen gesagt, wir sind hier missverstanden worden,
natürlich prüfen wir weiterhin Sekundärrecht nicht, wenn nicht dargelegt ist, dass der
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
01:28:08 Min
Aufnahmedatum
2015-11-05
Hochgeladen am
2015-11-05 12:49:19
Sprache
de-DE
Die Vorlesung behandelt die Grundstrukturen des institutionellen und materiellen Unionsrechts einschließlich der Grundfreiheiten. Gegenstand der Veranstaltung sind jene Teile des Europarechts, die zum Pflichtstoff des Ersten Juristischen Examens zählen.