1 - Digital Humanities: Die ersten 65 Jahre [ID:4169]
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Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.

Herzlichen Dank, liebe Frau Steinkeks, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen

und Kollegen. Lassen Sie mich mit einem Geständnis beginnen. Es ist möglich zu übertreiben,

wenn man behauptet, dass digital humanities sehr weit in die Vergangenheit zurückgehen.

Wenn man dies auch übertreiben kann, so gehen Sie doch in der Tat weiter zurück,

als dies öffentlich wahrgenommen wird. Und wie es sich für etwas gehört, was in die graue Vorzeit

zurückgeht, gibt es auch so etwas wie einen Gründungsmythos und einen Kulturheron des ganzen.

Der Gründungsmythos der digital humanities, wie er normalerweise erzählt wird, beginnt im Jahr 1948,

wo ein damals junger Jesuitenpater zu seinem Entsetzen erfahren hat, dass er nach Abschluss

seiner Promotion vom Provinzial angewiesen wurde, sich weiterhin der Philosophie zu widmen.

Das Entsetzen beruhte darauf, dass Patrick Busa als Promotionsthema die Untersuchung der Verwendung

des Wortes Fakio im Werk des Thomas von Aquin hatte. Und das hieß, dass er substanzielle Teile

des Zweiten Weltkriegs damit verbrachte, die etwa 20 Bände der gesammelten Werke des Aquinaten

Zeile für Zeile durchzugehen und jedes Vorkommen eines nicht ganz so seltenen Verbs auf eine

Karteikarte zu vermerken. Er wollte dann eigentlich was anderes tun, aber die sozierte, dass Jesu

besteht bekanntlich auf der Gehorsamspflicht, also er war verpflichtet, sich dem weiter zu widmen.

Er war aber hinreichend erschrocken darüber, dass er 1949 ein Schiff bestiegen hat, in

die USA fuhr und das war der entscheidende Moment der Gründung der digital humanities.

Es gelang ihm nämlich dem damaligen Chef der IBM, was Sie hier sehen ist keine Schleichwerbung,

sondern tatsächlich ein Tatsachenbefund, den Chef der IBM davon zu überzeugen, dass

man für solche Zwecke die neu erfundenen Rechner einsetzen können müsse. Es ging dann

nicht annähernd so rasch, wie man sich das im Überschwangen vielleicht vorgestellt hätte.

Es dauerte etwa 20 Jahre, aber in diesen 20 Jahren wurden die Grundsteine einerseits

für die frühe Verwendung von Texten in den digitalen Gasteswissenschaften gelegt und

es gibt sogar nicht unerhebliche Teile der Computerlinguistik, die auf die damals durchgeführten

praktischen Verfahren zurückgehen. Was auch dazu führt, dass in den Kreisen der digital

humanities, Patrypusa wie gesagt, als eine Art von Kulturheros gehandhabt wird, der

nach der in jüngerer Vergangenheit sehr raschen Heilig-Sprechungspraxis der katholischen Kirche

möglicherweise in Kürze einen nicht mehr gestrickelten Kreis über sich sehen wird.

Aber dies werden wir sehen. Lassen Sie mich das ein bisschen konkreter festhalten und

aus dem Anekdotischen in den Ablauf bringen. Die traditionelle Erzählung der Geschichte

der digital humanities oder der digitalen Gasteswissenschaften beginnt mit Patrypusa

im Jahr 49 und während er einer der prägenden Bioniere war, sollte man erwähnen, dass er

definitiv nicht der Erste war, sondern dass er definitiv nicht der Einzige war, sondern

dass diese frühen Jahre relativ intensiv waren. Intensiv genug, um im Jahr 66 das Erscheinen

einer Zeitschrift zu ermöglichen, sodass wir sagen können, ab 66 gibt es zusammenhängende,

durchlaufende Diskussionen über den Einsatz des Rechners in den Gasteswissenschaften.

Ein wenig später, seit Anfang der 70er, wurden dann die ersten heute noch bestehenden Fachvereinigungen

gegründet, die sich damit beschäftigen, wie man dies als Fach konstruiert, welche Anwendungsbereiche

es haben soll und wie man versucht, das Ganze zu kommunizieren. Seit 73 gibt es durchlaufende

und ununterbrochene Konferenzserien. Aus welchen Gründen auch immer waren die Europäer, Literal

und Linguistik, Computing ist eine andere heute noch bestehende Zeitschrift, ein bisschen

langsamer aus den amerikanischen Kollegen, aber das wäre die zweite ursprüngliche und

ununterbrochene scheinende Zeitschrift. Relativ bald danach gab es dann einen Einschnitt, die

sogenannte Text-Encoding-Initiative, ein Versuch, international zusammenzuarbeiten, um, und nun

gibt es einige Leute, die mich für die folgende Bemerkung kreuzigen möchten, um im handwerklichen

Bereich zu klären, wie man mit Texten umgeht und so etwas wie bedauerlicherweise theoretisch

nicht untermauerte, aber sehr gut handhabbar pragmatische Regeln zu finden, wie man mit

Texten in den Gastroswissenschaften umgehen kann. So ungefähr zur gleichen Zeit, wie

diese weitere Zeitschrift gegründet wurde. Die Bezeichnung Digital Humanities, der ich

Presenters

Prof. Dr. Manfred Thaller Prof. Dr. Manfred Thaller

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

01:15:54 Min

Aufnahmedatum

2014-10-09

Hochgeladen am

2014-10-10 15:27:36

Sprache

de-DE

Die Idee für die Zwecke der Geisteswissenschaften einzusetzen ist alles andere als neu: Unter verschiedenen Bezeichnungen lässt sie sich bis ins Jahr 1949 zurückverfolgen. Unabhängig von den wechselnden Bezeichnungen haben sich in unterschiedlichen Bereichen der Geisteswissenschaft Traditionen der IT Nutzung etabliert, deren methodische Grundprobleme wesentlich stabiler sind, als es die zu ihrer Lösung eingesetzten den jeweiligen Stand der Technik reflektierenden Anwendungen vermuten lassen. Im Augenblick trägt dieses interdisziplinäre Feld den Namen „Digital Humanities“, der derzeit besonders starke Beachtung findet, die sich in einer Vielzahl von Projekten, (oft auch nur impliziten) Paradigmen, Infrastrukturen und Studiengängen niederschlägt. Sowohl die älteren, als auch die neueren Ansätze waren und sind dabei oft von handwerklichen Überlegungen geprägt: Wie in anderen Bereichen auch, erwarten sich viele GeisteswissenschaftlerInnen von der Informationstechnologie in erster Linie eine Entlastung bei Routinearbeiten. Parallel dazu gab es aberf auch immer wieder die Erwartung, dass durch den Einsatz dieser Werkzeuge methodische Möglichkeiten eröffnet werden, die auch sehr grundsätzliche epistemische Auswirkungen haben können.
 

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