20 - Corona Virus: Prof. Hornegger im Gespräch mit Prof. Leven [ID:20331]
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Liebe Angehörige der FAU, liebe Studierende, meine sehr verehrten Damen und Herren,

Pandemien sind ein Begleiter der Menschheit und verbreiten seit tausenden von Jahren Angst und

Schrecken. Was wir aus der Corona-Pandemie für unsere Zukunft lernen können, darüber spreche

ich mit meinem Kollegen Professor Dr. Karl-Heinz Leven, der an unserer FAU den Lehrstuhl für

Geschichte der Medizin leitet. Lieber Herr Leven, herzlich willkommen. Wie geht es Ihnen? Danke,

Herr Präsident, sehr gut. Prima. Sie beschäftigen sich, soweit ich das weiß, seit mehr als 30 Jahren

mit solchen. Sie haben sich sogar über dieses Thema habilitiert. Wie blicken Sie als Medizin-Historiker

auf die Corona-Pandemie, mit der wir uns derzeit auseinandersetzen müssen? Ja, nun Sie haben völlig

recht. Also für den solchen Historiker ist das jetzt ein ganz besonderer Moment. Einerseits meine

langjährige Beschäftigung mit dem Thema. Und es ist ja auch nicht so, dass wir jetzt mit Corona die

erste aktuelle solche haben. Aber eine Pandemie diesen Ausmaßes, da muss man schon sehr weit in

die Geschichte zurückgehen, um da eine Parallele zu finden. Insofern ist das für den solchen

Historiker ganz nüchtern betrachtet, also sachlich ausgedrückt, eine sehr interessante Erscheinung.

Und ich meine, Pandemien gab es früher auch schon. Was können wir denn aus der Vergangenheit lernen?

Nun, die historische Betrachtung hat immer den Charakter eines Vergleichens. Also wir leben in

einer Gegenwart und schauen in die Vergangenheit. Und das, was uns in der Vergangenheit interessiert,

anspricht, uns aktuell vorkommt, das ist Geschichte. Jetzt haben wir also das Phänomen einer weltweit

sich verbreitenden Krankheit, die auch einigermaßen gefährlich ist. Und nun schauen wir, gibt es denn

vergleichbare Phänomene in der Vergangenheit? Und stellen fest, in der Tat, wir haben eine Vielzahl,

Sie haben das auch einleitet, Herr Witt, wir haben eine Vielzahl von solchen, auch teilweise

pandemischen Geschehnissen in der Geschichte. Und können nun schauen, was ist denn heute anders? Es

gibt große Unterschiede, aber was ist auch gleich geblieben? Es gibt nämlich sehr viele Phänomene,

die in den Seuchen immer wiederkehren. Das ist sehr auffällig. Sie sagen, dass gab es früher auch

häufiger Pandemien und das erfahren wir ja jetzt erstmals, haben natürlich auch eine Wirkung auf

unsere Gesellschaft, auf unser Zusammenleben. Wir sehen auch, heute wurde berichtet, die deutsche

Wirtschaft ist um über zehn Prozent eingebrochen. Was macht denn die Pandemie mit den Menschen und

vor allem mit den Menschen und deren Verhältnis zueinander? Nun so eine von außen, meistens ist es

ein Phänomen, was von außen kommt, eine Seuche, beziehungsweise sie wird oft so verstanden. Also

ein Fremdes, ein bedrohliches Geschehen kommt von außen. Und nun kommt es darauf an, wie erklärt

denn die jeweils herrschende Zeit, die Wissenschaft, die Gesellschaft und andere Bereiche, wie erklären

die so ein Geschehen? Wir haben heute ein naturwissenschaftliches Paradigma, also ein

Erklärungsmuster. Für uns ist die Seuche ein virologisches Geschehen, ein Erreger, den kennen

wir sogar, den haben wir identifiziert, auch genetisch analysiert. Der ist also bei uns jetzt hier

tätig und weltweit. Und wie haben denn frühere Gesellschaften so ein Geschehen interpretiert,

ohne zu wissen, dass etwa ein ein Mikrobe im Spiel ist? Da kommen dann deutliche Unterschiede

zutage, weil das medizinische Wissen in der vormoderne ganz anders war. Es ergibt aber auch,

es gibt auch Parallelen in der Reaktionsweise der Gesellschaften, denn für die Gesellschaft ist es

vergleichsweise im täglichen Leben, vergleichsweise sage ich einmal, nicht so wichtig, ob man weiß,

dass das jetzt ein Virus xy ist oder dass man denkt, es ist ein Gift, was an irgendwelchen

Sachen haftet. Das war nämlich zum Beispiel eine Erklärungsweise für frühere Pestepidemien

etwa im Mittelalter. Die Reaktionsformen können dann nämlich sehr ähnlich sein. Sie haben zwei

Punkte angesprochen, die ich gerne etwas vertiefen möchte. Das eine ist das Wissen über das Virus,

also bis zur Genanalyse haben wir da sehr viel jetzt auch schon verstanden. Und das zweite ist,

wie gehen wir mit der Situation der Pandemie um? Und das Thema Verschwörungstheorien kommt

da natürlich auch auf. Lassen Sie mich beginnen mit dem medizinischen Aspekt. Wir leben ja heute in

einer hoch technisierten Welt. Die Medizin hat eine Leistungsfähigkeit, wie wir es uns vielleicht

vor 20, 30 Jahren auch gar noch nicht vorstellen konnten. Wir können das Virus analysieren, wir

können das chemisch, biochemisch beschreiben, charakterisieren, wir können das Krankheitsbild,

das das Virus generiert, zusammenfassen. Trotzdem spürt man eine gewisse Machtlosigkeit der Medizin.

Wir hoffen alle auf einen Impfstoff. Wir wissen, im Moment gibt es keine Heilung bzw. keinen Schutz

Teil einer Videoserie :

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:13:29 Min

Aufnahmedatum

2020-08-11

Hochgeladen am

2020-08-11 09:58:36

Sprache

de-DE

Pandemien sind ein treuer Begleiter der Menschheit und verbreiten seit tausenden Jahren Angst und Schrecken. Was wir von den Seuchen der Vergangenheit über den Umgang mit Corona lernen können, darüber spricht FAU-Präsident Prof. Dr. Joachim Hornegger mit Prof. Dr. Karl-Heinz Leven, der an der FAU den Lehrstuhl für Geschichte der Medizin leitet.

  • Sie beschäftigen sich seit mehr als 30 Jahren schwerpunktmäßig mit der Geschichte der Seuchen. Wie blicken Sie als Medizinhistoriker auf die Corona-Pandemie? (0:40)
  • Seuchen wirken tief in die Gesellschaft hinein. So sehen wir schon deutlich die sozialen und wirtschaftlichen Folgen von Corona. Welchen Einfluss haben Seuchen auf die Menschen und ihr Verhältnis zueinander? (2:35)
  • Die Corona-Pandemie macht auch eines deutlich: So weit fortgeschritten unsere Medizin auch ist, sie hat ihre Grenzen. Ab einem bestimmten Punkt sind wir genauso machtlos gegenüber der Krankheit die Menschen vor hunderten Jahren. Was macht das mit den Menschen? (4:30)
  • Gerade im Internet blühen die Verschwörungstheorien rund um Corona. Sind wir in Krisenzeiten besonders anfällig für solche Gerüchte und Geschichten? (7:25)
  • Individuelle Verantwortung ist nicht mehr selbstverständlich. Gibt es hierzu in der Geschichte auch ähnliche Beispiele? (9:40)
  • Was glauben Sie, was wird über Corona in den Geschichtsbüchern stehen? (11:30)

Unter https://www.fau.info/corona informiert die FAU über die aktuell wichtigsten Fragen rund um das Coronavirus (SARS-CoV-2) und seine Auswirkungen auf den Universitätsbetrieb.

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