Ich möchte heute zu einem Thema sprechen, mit dem sich unser Fach als Problem und Aufgabe
konfrontiert sieht.
Ob und wie, so meine Frage, können die Stichwörter Sprache und Rausch in Verbindung einen Beitrag
leisten zum Verständnis des Japanischen und zur Partizipation an dessen kommunikativen
Normen, die uns, bedenkt man die geografische Distanz, noch sehr fernstehen.
Das Thema Sprache und Rausch beschäftigt mich in zweierlei Hinsicht.
Zum einen ist durchaus nicht klar, wie wir die Brücke zwischen Wissen und Können schlagen
sollen.
Moderne Sprachfächer dürfen die Frage nach dem Können nicht länger ausklammern.
Nur Können eröffnet den Zugang zu gemeinsam erarbeitetem neuem Wissen.
Gerade heute führt uns der fragwürdige Druck, rasch messbare Ergebnisse in politisch bestimmten
Themenfällen zu liefern, in Versuchung, einseitig durch Wissen glänzen zu wollen.
Das Können, Können von Sprache und Kommunikation über Kulturgrenzen hinweg, welches alleine
Vertrauen und Berechenbarkeit aufbaut, sollen wir jedoch als etwas vorwissenschaftliches
ruhig in Übersetzungsbüros outsourcen.
Die Frage nach dem Können lenkt aber unsere Aufmerksamkeit auf das Motorische und damit
auf den Rausch, auf die nicht mehr von bewussten Denkschritten gesteuerte Produktion von Signalen,
deren Schicksal es ist, dass andere sie deuten.
Die zweite Perspektive, aus der mich die Themenverbindung Rausch und Sprache interessiert, ist spezifisch
auf die japanische Sprache gerichtet.
Hier befinden wir uns nämlich in einem Feld, in dem wichtige Schritte der Lebensbewältigung
einschließlich Sprechen und Kommunizieren bewusst als Abläufe gestaltet werden, die
ich hier als Rausch bezeichnen möchte.
Die zu diesen Abläufen führenden Lehr- und Lernprozesse sind gezielt darauf ausgerichtet,
einem rauschhaften Zustand eine Gestalt zu geben, die im Einklang steht mit strengen
Regeln.
Diese Regeln bestehen aus dem korrekten Abspielen von im Körper eingravierten und so soziales
Normverhalten garantierenden Handlungsmustern.
Es sind damit insofern rauschhaft einzuhaltende Regeln, als sie weniger auf Selektionsmöglichkeiten
innerhalb verbotsumzäunter Freiräume gerichtet sind, als vielmehr auf absolut korrekte, aber
hochkomplexe Abläufe.
Wissen und Können.
Es bestehen heute durchaus bedeutsame Diskurse, in denen die Frage nach dem Können zentral
ist.
Häufig wird Können dabei mit Kompetenz gleichgesetzt.
Entscheidend ist wohl die internalisierte Fähigkeit, spontan sprachlich und außersprachlich
einen Kommunikationsfluss zu produzieren, der in seiner Ganzheitlichkeit einem erwarteten
Ablaufmuster entspricht und affektiv auch akzeptiert wird.
Umgekehrt verstehe ich Kompetenz auch als die Fähigkeit, einen Fluss von Signalen,
die jemand anders produziert, selber affektiv zu akzeptieren und dann kognitiv zu verorten.
Vielen in Europa geführten Diskursen zu Kompetenz gemeinsam ist die Platzierung des Bausteins
Wissen in die Ecke eines viel umfassenderen Konzepts, in dem Fertigkeiten, Bewusstseinsgrade
und Einstellungen den größeren Raum einnehmen.
Diese drei Felder können aber dem Bereich des Rauschhaften zugeordnet werden.
Wenn ich Fertigkeiten habe, dann so läuft es.
Bewusstsein kann trainiert werden, aber schließlich kommt es oder auch nicht.
Desgleichen für Einstellungen, die ich nicht erzwingen kann.
Können und Kompetenz sind mit einem Rauschzustand verbunden, in dem Dinge nach einem Muster
ablaufen müssen, dessen wir im Moment der Ausführung nicht voll bewusst sind.
Sprachpädagogen rufen deshalb dazu auf, Wissen und Können stets in einem dialektischen
Presenters
Prof. Dr. Peter Ackermann
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:42:42 Min
Aufnahmedatum
2010-01-20
Hochgeladen am
2011-04-11 13:53:27
Sprache
de-DE
Moderne Sprachfächer dürfen die Frage nach dem Können nicht länger ausklammern: Nur Können eröffnet uns den Zugang zu gemeinsam erarbeitetem, neuem Wissen. Die Frage nach dem Können lenkt aber unsere Aufmerksamkeit auf das Motorische, und damit auf den Rausch, auf die nicht mehr von bewussten Denkschritten gesteuerte, hochkomplexe Leistung von kommunikativem Handeln und der Produktion von Signalen, deren Schicksal es ist, dass andere sie deuten.
Die Diskussion soll sich spezifisch mit dem Japanischen befassen, einem Feld, in dem wichtige Schritte der Lebensbewältigung – einschliesslich Sprechen und Kommunizieren – sehr bewusst als "rauschhafte" Abläufe gestaltet werden, im Sinne des korrekten Abspielens von im Körper eingravierten, und so soziales Normverhalten garantierenden, äusserst komplexen Handlungsmustern weit jenseits der "blossen" Sprache. Dabei greife ich besonders zwei Themenfelder auf, nämlich "Ordnung der Welt" und "Ritualisierung des Lebens", welche die inhaltliche, formale, rhythmische und sequentielle Gestaltung rauschhaft abzuspielender Handlungsblöcke – und damit die Eckpunkte für "Können" – bestimmen.