Meine Damen und Herren, es ist merkwürdig, dass sich in der Kultur- und Geistesgeschichte
im Wesentlichen nur zwei Blickwinkel gefunden haben, unter denen die Auseinandersetzung
Goethes mit Newton dargestellt wird.
Aus der mit der traditionellen Wissenschaftsgeschichte verbundenen Sichtweise steht Goethe-Gesicht
ganz im Schatten Newtons, nimmt sich sein Versuch zur Farbenlehre als dilettantisches
Unterfangen aus, irgendwie gut gemeint, aber letztlich doch nicht gut gelungen.
Es ist stark belastet mit polemischen Ausfällen, die offensichtlich mangelnde Fachkenntnis
kompensieren soll.
Aus der anderen Perspektive erscheint Goethe stark überhöht als Begründer einer alternativen
Naturwissenschaft, welche den sanften, nicht technischen Umgang mit der Natur pflegt, ganzheitlich
zu denken vermag und auf die Versöhnung von Kultur und Natur hin angelegt ist.
Diese Sichtweise wird nicht nur in der Nachfolge Rudolf Steiner's eingenommen, sondern von
vielen geteilt, die den Gang der modernen Naturwissenschaften mit Unbehagen verfolgen
und nach alternativen Ausschau halten.
Beide Perspektiven sind insoweit unglücklich gewählt, als sie eine fruchtbare Auseinandersetzung
um Aufgaben und Wege einer Farbenlehre eher behindern als fördern.
Im ersten Fall geraten durch die starke Konzentration auf die polemischen und in einzelnen Details
sicher fehlerhaften Ausführungen Goethes seine positiven Ansätze ganz aus dem Blick.
Im zweiten Fall löst man sich zwar von den Einzelheiten, tritt aber einen Schritt zu weit
zurück und vermag dadurch nur noch eine Programmatik von so unbestimmter Allgemeinheit zu erkennen,
dass eine fruchtbare Umsetzung nicht gelingen kann.
Ich möchte in Nutten und Goethe zwar nicht in allen Einzelheiten, wohl aber in ihren
jeweiligen methodologischen Anliegen folgen und hoffe, dass dadurch die Konturen sowohl
einer physikalischen Optik wie einer Farbenlehre in der Tradition Goethes als jeweils eigenständige
Forschungsansätze deutlich hervortreten.
Sehen wir uns zunächst den Kontext an, in dem Nutten auf Farben zu sprechen kam.
Nutten hat sich in seiner Studienzeit intensiv mit Fragen der Optik beschäftigt und als
er 1669 mit 27 Jahren seinen Lehrer Barrow auf dem Jukas Lehrstuhl für Mathematik in
Cambridge nachfolgte, beherrschte er dieses Gebiet wie kaum ein anderer Zeitgenosse,
Heugens vielleicht ausgenommen.
Im Jahr 1672 teilte er einen Teil seiner Forschungsergebnisse der Royal Society in einem Brief mit, den
er überschrieben hat, A New Theory About Light and Colors.
Mit diesem Brief gab er nicht nur der Optik wichtige Impulse, er begründete damit zugleich
die Literaturgackertung des naturwissenschaftlichen Aufsatzes.
Die Summe seiner Arbeiten zur Optik bildete dann die erst 1704 erschienene Monographie
Optics, or a Trites of the Reflections, Refractions, Inflections and Colors of Light.
Auch dieses Buch wurde nicht zuletzt durch seine Darstellungsform prägend für die Entwicklung
der Physik.
Was Nutten zum Gegenstand seiner Forschungen gemacht hat, klingt schon im Titel seiner
Monographie an.
Er untersuchte Phänomene der Lichtreflexion, Brechung und Beugung an Prismen, Linsen und
dünnen Schichten, wobei es ihm vor allem darauf ankam, eine physikalisch korrekte Beschreibung
für solche Phänomene zu finden.
Physikalisch korrekt waren für ihn nur solche Aussagen, in denen Verknüpfungen und Ausprägungen
physikalischer Größen thematisiert wurden.
Die Existenz der Dinge, an denen diese Größen hafteten, dürften bestenfalls in einem alltagsweltlichen
Sinn zur Sprache kommen.
Natürlich suchte auch Nutten nach Erklärungen für Brechungs- oder Beugungserscheinungen,
aber er war hier mit Äußerungen sehr zurückhaltend.
Für ihn war klar, dass man sich erst an Erklärungen versuchen sollte, wenn man den
Presenters
Dr. Rudolf Kötter
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:29:48 Min
Aufnahmedatum
2009-06-17
Hochgeladen am
2011-04-11 13:53:28
Sprache
de-DE