Ich darf Sie begrüßen zur insgesamt vierten Stunde unserer Veranstaltung Künstliche
Intelligenz und juristisches Entscheiden von der juristischen Methodenlehre zur Computerwissenschaft
Legal Tech. Und wir haben ja insgesamt neun Doppelstunden. Heute ist die vierte Doppelstunde.
Und wir haben das letzte Mal sozusagen eine kleine Einführung bekommen über das Thema,
was ist eigentlich künstliche Intelligenz. Und wir starten heute sozusagen einen neuen Abschnitt,
ein neues Kapitel. Nämlich wir befassen uns mit der klassischen Technik der juristischen Falllösung
und Klausurbearbeitung. Das haben wir letztes Jahr letztes Mal auch schon gemacht und starten heute
dann mit juristisches Denken nach der klassischen juristischen Methodenlehre. Also vierte Stunde,
das juristische Denken nach der klassischen juristischen Methodenlehre. Und die erste
grundlegende Unterscheidung, die man treffen muss, ist die, dass wir unterscheiden können zwischen
Methoden und Methodenlehre. Also bei Methoden fragt man sozusagen, was macht der Richter tatsächlich,
wenn er sozusagen juristisch entscheidet. Und bei der Methodenlehre fragt man, was sollte der Richter
richtigerweise tun. Das ist sozusagen eine normative Fragestellung, die Methodenlehre. Und Sie sehen
schon, ich habe hier wieder die Farben benutzt. Sozusagen rot für eher Tatsachenfragen,
Tatsachenfeststellungen, faktische Überlegungen, zum Beispiel rechtssoziologische Fragen. Und blau
für normative Fragen, Wertungsfragen. Und es gibt tatsächlich eine rechtssoziologische Doktorarbeit,
die untersucht, was durch eine Befragung, was glauben die Richter, die da befragt wurden,
eigentlich, was ihnen genau hilft. Helfen ihnen die juristischen Methodenlehre sozusagen Normen,
die Vorgaben der juristischen Methodenlehre bei ihrer täglichen Arbeit oder nicht. Und so weiter.
Es ist ganz interessant, diese Doktorarbeit heißt Richterbilder. Also wir müssen unterscheiden,
Tatsachenfeststellungen, was machen Richter tatsächlich und Methodenlehre, was sollen sie
normativ richtigerweise tun. Warum gibt es überhaupt sozusagen eine juristische Methodenlehre,
die normativ festlegt, wie man richtigerweise Entscheidungen juristisch treffen soll? Naja,
da steckt sozusagen Dogmatik dahinter, nämlich das Demokratieprinzip fordert ja, dass das Urteil
methodisch korrekt aus dem Gesetz abgeleitet wurde. Das heißt, es sollen die Bedeutungen
der Gesetzesworte maßgeblich sein, an die der Gesetzgeber gedacht hat und eben nicht die private
Meinung des Richters der entscheidet. Die Frage ist, kann das überhaupt funktionieren? Das führt
uns dann auch in philosophische, tiefere Probleme. Wir haben natürlich auch das Rechtsstaatsprinzip
und damit die Gewaltentrennung und Gewaltenteilung, die eben dieser Grundsatz, dieses Prinzip der
Gewaltentrennung fordert, dass der Richter sich nicht als Gesetzgeber verhält. Das heißt,
bei Lücken im Gesetz darf er eigentlich keine unzulässige Rechtsfortbildung betreiben. Es
stellt sich also die große Frage, wo sind die Grenzen der zulässigen Rechtsfortbildung? Und ganz
aktuell, am 5. Mai hat das Bundesverfassungsgericht ja eine berühmte Entscheidung getroffen, die noch
analysiert werden muss, die sehr viel zu frisch, aber die mit Sicherheit eine Jahrhundertentscheidung
ist und in der das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, dass die Anleihenkäufe durch
die Europäische Zentralbank wahrscheinlich nicht rechtmäßig waren und dass diese Entscheidung in
der Europäischen Gerichtshof in diesem Zusammenhang getroffen hat, möglicherweise unzulässige
Rechtsanwendung ist bzw. vielleicht Rechtsfortbildung ist. Das bleibt zu analysieren. Hoch interessant.
Wir haben also einen aktuellen Fall, wo es um die Feststellung der Befugnisnormgrenzen zur
Rechtsfortbildung und Rechtsanwendung geht. Also wie funktioniert jetzt methodisch die Bindung des
Richters an das Recht, an das Gesetz? Das ist die große Frage. Nur wenn wir diese Frage beantworten
können, können wir sozusagen dem Demokratieprinzip und dem Rechtsstaatsprinzip genüge tun. Welche
Antworten gibt es darauf? Es gibt verschiedene Antworten. Die eine Auffassung sagt ja, durch
Präzedenzfälle. Man ist sozusagen entweder wie im angels-sächsischen Bereich rechtlich verpflichtet,
sich an Vorentscheidungen der Obergerichte zu halten, die wie Gesetzeskraft den
Richter im Untergericht binden. Es gibt natürlich die vollkommene Gegenauffassung,
die eben vorträgt, es kann überhaupt keine Bindung geben. Die Bindung des Richters an das
Gesetz ist eine Illusion. Es ist sozusagen erkenntnistheoretisch, philosophisch vielleicht
gar nicht möglich. Und die dritte Ansicht, die typischweise auch von der klassischen juristischen
Methodenlehre vertreten würde, ist eben die Bindung wird erzeugt mit dem Justizialogismus.
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
01:19:56 Min
Aufnahmedatum
2021-01-26
Hochgeladen am
2021-01-27 00:09:53
Sprache
de-DE