So, meine Damen und Herren, heute Morgen gibt es die Gernhäuser Urkunde.
Diese ist übrigens die letzte inhaltliche Vorlesung vor der Zwischenklausur.
Und eine kleine Mitteilung zur Zwischenklausur gibt es am Ende der Stunde.
Aber zunächst einmal müssen wir uns mit der Gernhäuser Urkunde im Grunde genommen
als Denkmal und Wendepunkt in der Forschungsgeschichte beschäftigen.
Denn für die ältere Forschung, so bis in die 30er-, 40er-Jahre markierte die Ausstellung der Gernhäuser Urkunde
am 13. April 1180 eine absolute Zensur zwischen zwei Epochen der deutschen Verfassungsgeschichte.
Vorher gab es das sogenannte ältere Reichsfürstentum.
Das waren alle Kronlegensträger, aber der Kreis war amorph.
Es war nicht klar markiert. Es war nur so eine grobe Sammlung von Adligen.
Danach, und zwar wirklich von heute auf morgen, gab es den jüngeren Reichsfürstentum.
Und das war ein Stand, und der war nach unten geschlossen.
Das heißt, man konnte diese Leute in einem Raum, in einem relativ großen Raum zusammentrommeln,
und wissen, dass man praktisch jeden Letzten hatte.
Und das erhebt für uns zwei Fragen.
Erst einmal, was ist denn überhaupt Adel? Angesichts der Zusammensetzung des Kabinetts mag das etwas merkwürdig klingen, die Frage.
Aber es ist eine echte Frage. Was ist überhaupt Adel und wo kommt es her?
Und zweitens, wie kommt es denn, dass ein Teil dieses Adels sich absondert
und es ihm gelingt, sich nach unten abzugrenzen, sodass es eine abgeschlossene Gruppe wird?
Also, wir müssen erst mal mit dem Adel anfangen.
In unseren Quellen kommen Begriffe vor, die die Forschung, lieben gern, sehr konkret interpretiert,
die aber, wenn man die Quellen mustert und das Vorkommen dieser Begriffe untersucht, nicht so ganz klar ist.
Also, Prinzess wird normalerweise als Fürst übersetzt, aber beide Wörter haben das Wort eins zugrunde.
Die Fürsten sind nur die Ersten. Andere Begriffe, Magnates, sind einfach die Großen und so weiter und so fort.
Also, bis ins zwölfte Jahrhundert hinein können wir wenig mehr sagen, als dass diese Ersten, wer auch immer das ist,
die sind die Prominentesten, die Reichsten, die Mächtigsten, aber die Sache ist ziemlich vage.
Allerdings kommen diese Principes oder Magnates normalerweise mit irgendeinem Begriff verbunden vor in den Quellen.
Sie tragen Titel wie Dux, also Herzog, Machio, also Markgraf, oder aber Cromes Graf.
Und diese Begriffe weisen auf ältere oder jüngere Herrschaftsämter hin, also Trägerschaft der öffentlichen Gewalt.
Der Herzog ist, wie der Name sagt, kommt von Heereszug, der Führer seines Stammes in der Schlacht.
Fängt an mit der Musterung der Truppen auf dem Lechfeld in der Nähe von Augsburg im Vorfeld eines Italienzugs,
wo der Herzog dann an der Spitze, was weiß ich, der Herzog von Sachsen darf an der Spitze der sächsischen Truppen stehen und so weiter und so fort.
Zweitens, der Graf ist in kaolingischer Zeit der Vertreter des Königs in einer Grafschaft, daher nennt sich das Gebilde.
Und der Markgraf ist ebenfalls der Vertreter des Königs in einer Region, allerdings in einer Grenzregion,
mit der Folge, dass der Markgraf zusätzliche Aufgaben hat, nämlich äußere Freunde abzuwehren.
Und wir finden, dass die Markgrafen normalerweise mehrere Grafschaften innehaben, um ihnen diese Aufgabe zu ermöglichen.
Erstmal, das ist sozusagen der Quellenbefund. Wir wissen auch, dass seit der kaolingischen Zeit diese Lehen,
sozusagen das dingliche Substrat eines jeden adligen Lebens, die Bauern stellen, die Überschüsse abwerfen, wovon diese Herrschaften leben,
diese Lehen werden seit der kaolingischen Zeit und zwar von unten nach oben kommend erblich,
mit der Folge, dass all diese Träger der öffentlichen Gewalt vom Befehlsgewalt des Königs emanzipiert werden.
Sie können nicht ersetzt werden, bei schlechter Amtsführung, bei Unfähigkeit und, der schlimmste Makel von allem, bei Weiblichkeit der nächsten Generation.
Also, sie sind erstmal vom Befehlsgewalt emanzipiert. Die Folge davon ist, dass sich der Grafentitel vollkommen vom Königtum trennt.
Es gibt Grafen, die in den Quellen auftauchen, die nicht die geringste Verbindung zum Königtum haben,
sie tauchen aus dem Nichts auf und wir können gar nicht sagen, wie sie zu ihrem Grafentitel kommen.
Dafür sind andere Trincipés nicht Grafen, nicht Herzöge, nicht Markgrafen und gehören dennoch zu dieser Gruppe der Ersten, der Wichtigsten und Mächtigsten.
Was ich damit sagen will, ist, diese Gruppe ist schwer erstmal genealogisch festzumachen.
Wir können nicht sagen, diese Familie steigt auf und erhält endlich mal einen Titel.
Die Quellen sind teilweise daran schuld, weil wir einfach nicht so viele haben, aber es ist offensichtlich auch sozial etwas im Brodeln mit der Folge,
dass man nicht immer weiß, wer Graf ist und Mächtigkeit eines Menschen hängt nicht mit einem von diesen alten Herrschaftstiteln zusammen.
Der einzige Ausweg, den wir aus dieser totalen Verwirrung finden können, ist einfach die Prinzipies nach ihren Funktionen zu definieren.
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
01:22:46 Min
Aufnahmedatum
2010-11-29
Hochgeladen am
2011-04-11 13:53:29
Sprache
de-DE