6 - Ein Resümee zum Einstein-Jahr 2005 [ID:4460]
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Um den Abschluss des Gedenkjahres soll von einer mehr philosophischen Warte aus die Frage

gestellt werden, worin eigentlich das besondere in Einsteins wissenschaftlichen Denkstil,

um einen Begriff von Ludwig Fleck zu gebrauchen, liegt.

Selbstverständlich lässt sich Genialität nicht erklären.

Wohl aber lassen sich im Einzelfall die Komponenten benennen,

aus denen sich eine geniale Leistung zusammensetzt.

Dies wollen wir im Falle Einstein versuchen.

Einstein gilt als Volländer der klassischen Physik.

Und es liegt nahe, das Besondere an seinen Leistungen herauszuarbeiten,

indem man diese vergleicht mit den Leistungen eines anderen Wissenschaftsgiganten,

nämlich des Begründers der modernen Physik Isaac Newton.

Zum Schluss meines Vortrages werde ich dann noch kurz auf das Einstein-Jahr

als den groß angelegten Versuch, Wissenschaft und das Volk zu bringen eingehen.

Einstein selbst war ein großer Popularisator, nicht nur seiner eigenen Ideen, sondern der Physik überhaupt.

Und deshalb lohnt es sich zu überlegen, ob der Veranstaltungsmarathon, den wir erleben

oder zumindest beobachten konnten, etwas von seinen Geisten hatte.

Wenn wir Einstein-Minuten vergleichen, dann fallen zunächst einige Gemeinsamkeiten ins Auge.

Beide haben ihre großen Leistungen in relativ jungen Jahren vollbracht,

was allerdings bei Mathematiker und Physiker nicht so selten ist.

Beide fanden durchaus Anerkennung bei Kollegen und in der Öffentlichkeit

und wurden schließlich sogar als Herrrohn ihrer Wissenschaft geschätzt.

Letzteres allerdings erst in einem Alter, als sie ihren schöpferischen Zenit überschritten hatten.

Beide hatten sich, nachdem sie ihre großartigen Leistungen vollbracht hatten,

an Aufgaben versucht, an deren Bewältigung sie letztlich gescheitert sind.

Newtons naturwissenschaftliche Interessen verlagerten sich mit zunehmendem Alter

immer mehr auf das Gebiet der Chemie bzw. Alchemie,

ein Feld, auf dem er keine zündenden Ideen entwickeln konnte.

Und Einstein blieb zwar bei der Physik, hatte aber mit seinen Versuchen,

eine einheitliche Feldtheorie zu entwickeln, unter deren Dach Gravitation

und Elektromagnetismus vereinigt, wären auch kein Erfolg.

Beide hatten auch ein eigentümliches Verhältnis von Nähe und Distanz

zu den anderen Mitgliedern ihrer scientific community.

Verschieden sich an beiden die wissenschaftlichen Geister ihrer Zeit,

sie fanden engagierte Mitstreiter wie erbitterte Gegner und beide machten es

ihren Kollegen nicht immer leicht, mit ihnen in einen furchtbaren und offenen

Diskurs einzutreten.

Schließlich waren beide vielseitig interessiert und gebildet und in

vielerlei Hinsicht äußerst kreativ.

Aber an dieser Stelle können wir dann auch schon entscheidende Unterschiede

feststellen. Anders als Einstein war Newton ein genialer Mathematiker.

Wie kein zweiter vor ihm und wohl auch keiner nach ihm beherrschte er die

klassische Geometrie.

Sein kaum gelesenes zweites Buch der Philosophie Naturalis Principia

Mathematica quillt geradezu über von den schwierigsten geometrischen Beweisen.

Er bewegte sich aber nicht nur virtuos in den Bereichen der Geometrie,

sondern legte darüber hinaus das Fundament für eine neue Disziplin,

die Analysis.

Natürlich gab es auch auf diesem Gebiet der Infinitesimalrechnung

Vorläufer, aber das Denken der Mathematiker zu Zeiten Newtons war sehr

stark an konkreten Aufgaben orientiert.

Teil einer Videoserie :

Presenters

Dr. Rudolf Kötter Dr. Rudolf Kötter

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:28:48 Min

Aufnahmedatum

2005-12-22

Hochgeladen am

2014-12-02 15:25:58

Sprache

de-DE

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