Ja, grüß Gott. Ich freue mich, dass Sie wenigstens einige von Ihnen erschienen sind. Ja,
ich versuche mal zu erklären, was es mit dem Lessing auf sich hat. Tatsächlich ist hier der
Ausgangspunkt mein neues Buch. Lessing Divers. Soziale Milieus, Genderformation, Ethnien und
Religionen. Das habe ich geschrieben, weil ich, oder Ausgangspunkt, dass ich es geschrieben habe,
war ein sogenanntes Lessing Senior Fellowship an der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel.
Und das war in der Schlussphase von Corona. Ich hatte gar keine Verpflichtungen als einfach morgens
früh in den Lesesaal zu gehen und abends mit reicheren Erkenntnissen und Notizen wieder
zurückzugehen. Und Wolfenbüttel gibt es nicht mal als vernünftiges Kino. Es ist eigentlich nichts
los. Man kann nichts anderes machen, als sich mit Lessing dann zu beschäftigen oder mit anderen
Sachen. Und dann entsteht da ein Buch. Danach hatte ich ein Forschungssemester, hier ein Freisemester,
wo ich das dann zu Ende schreiben konnte. Das war die Möglichkeit oder die Voraussetzung des Buches,
dieses Jahr 2023 erschienen. Was will ich damit? Sie sehen, wenn man das so die Lessing Klassiker
Bücher auf der rechten Seite sieht und meins links daneben, sehen Sie schon an den Abbildungen,
dass die klassischen Bücher, klassischen Lessing Bücher, auch solche Abbildungen wählen,
die man kennt und keiner nimmt eine modernere Abbildung. Ich habe mich anders entschieden. Ich
habe eine Abbildung von Claudia Berkos im Jahr 2015, wo man Lessing gar nicht so recht erkennt,
wo der schillernd ist. Man könnte auch sagen, die wäre es. Und die anderen versuchen, den Denker
Lessing sehr stark zu vereinheitlichen. Die versuchen, so eine Art Ideengeschichte zu
rekonstruieren oder das Denken und die Biografie von Lessing ins Zentrum zu stellen. Und ich sage,
das geht so einfach nicht, vor allem dann nicht, wenn man Literatur anguckt, weil Literatur gibt
nicht immer das wieder, was ein Autor meint oder denkt, sondern gibt vielleicht viel eher wieder,
was man denken könnte, was man machen könnte, was man diskutieren könnte. Und das versuche ich in
meinem Buch herauszuarbeiten und versuche, das von unterschiedlichen Perspektiven aus anzugehen.
Wichtig war mir mein Ausgangspunkt, dass man feststellen kann, dass die Kanonisierung einiger
weniger Texte, also Nathan der Weise, Emilia Gallotti, die Fabeln, ein bestimmtes Lessing-Bild
prägen und dass man sich sehr konzentriert eben auf ideengeschichtliche Ansätze, auf die Theologie,
Philosophie, Ästhetik und dass das zu einem sehr geschlossenen, einheitlichen Lessing-Bild führt,
dass dann tatsächlich auch in den Schulen gelehrt wird und an dem man kaum rütteln kann. Das wird
dann dokumentiert durch Reclam-Hefte und Nachworte und man kann daran wenig verändern. Aber
Lessings Werk ist umfangreicher, stellt sich wesentlich vielgestaltiger, wesentlich diverser,
würde man heute sagen und zwar in mehrfacher Hinsicht, deshalb heißt das Buch Lessing divers
nicht, weil ich glaube, dass Lessing ein diverser ist, also eine diverse Persönlichkeit ist,
sondern weil das Werk Lessings divers ist. Daher analysiere ich Texte, die bislang in der Forschung
weniger intensiv diskutiert werden, da werde ich einen vorschlagen gleich und ich diskutiere
bekannte Texte aus ungewohnter Perspektive, dazu müsste man die klassische Sicht wissen,
um dann zu zeigen, womit ich provoziere, aber das kann ich vielleicht gleich erklären.
Als Schlüssel zu Lessings literarischen Werk sehe ich nicht mehr Mitleid und Toleranz,
das ist so der Klassiker, die Ringparabe steht für Toleranz und die bürgerlichen Trauerspiele
stehen für das Mitleid-Konzept. Ich glaube, das steht nicht im Zentrum, sondern die Dervisität
der Persönlichkeit der Menschen, also die Unterschiedlichkeit der Menschen. Man könnte
sagen, das hängt zusammen, aber ist doch was anderes. Ob ich mit jemandem Mitleid habe oder
ob ich sehe, dass der etwas anderes ist, etwas anderes darstellt. Das ist ein anderer Akzent.
Die Unterschiede zeigen sich in verschiedenen sozialen Milieus, in unterschiedlichen
Geschlechterkonstellationen, auf die gehe ich heute im Vortrag nicht ein,
und in unterschiedlichen Edinnen und Religionen, das spielt schon eine Rolle und ist zurzeit auch
aktuell. Damit werden die ideengeschichtlichen und biografischen Darsteller der Forschung aber
nicht in grundsätzlichen Frage gestellt, sondern durch kulturgeschichtliche Überlegungen zu
Lessings literarischen Texten ergänzt. Also Leitgedanken ist die Diversität des Menschen,
die Unterschiedlichkeit des Menschen und jetzt sagt sich in Lessings Werk auf der Ebene der
Figuren gestalten, dass unterschiedliche Figuren dargestellt werden, also nicht nur Menschen aus
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:49:08 Min
Aufnahmedatum
2023-12-07
Hochgeladen am
2023-12-22 14:26:05
Sprache
de-DE