Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Freunde des Kollegium Alexandrinum, hier im
Saal und an den Monitoren daheim. Vielen Dank für die nette Einladung von Bernhard Wieser
und von Rudi Kötter, einem meiner akademischen Lehrer an dieser Alma Mater. Freue mich,
dass ich bei Ihnen sein kann, um den 400. Todestag von Simon Marius als Anlass zu nehmen,
Ihnen ein bisschen was über ihn zu erzählen. Denn Sie kennen Marius nicht, das ist klar und das ist
auch keine Schande, aber das soll sich ja heute ein klein wenig ändern. Dabei will ich diesen Simon
Marius in den Kontext der kopernikanischen Wendestellen, also jener Transformation vom
geozentrischen Weltbild mit der Erde im Zentrum des Weltalls zum heliozentrischen, mit dem die
Sonne umkreisenden Planeten. Und diese Geschichte, die erzählt man typischerweise mit diesen vier
Herren hier. Nikolaus Kopernikus, der gezeigt hat, dass zumindest vom mathematischen Standpunkt her,
man durchaus auch die Sonne ins Zentrum setzen könnte. Johannes Kepler, der uns drei Gesetze
gegeben hat für die Bewegung der Planeten und damit so eine Art Vorform einer Bewegungslehre
der Körper am Himmel. Aber man braucht natürlich auch noch eine Lehre der Körperjungen auf der Erde,
Stichwort Fallgesetz etc. Dafür steht Galileo Galilei und eine Anzahl weiterer Naturphilosophen
schon seit Mitte des 16. Jahrhunderts. Und schließlich Isaac Newton, der gewissermaßen
mit seiner klassischen Mechanik und Gravitationstheorie den Sack zugemacht hat. Wenn man diese Geschichte so
erzählt und ich muss gestehen, ich tue das normalerweise auch, muss man sie natürlich klar
machen, dass es sich um eine Rekonstruktion handelt unter idealtypischen Voraussetzungen. Wirkliche
Wissenschaft läuft meistens nicht so ab, sondern ähnelt oft eher dem herumirren in einem Irrgarten.
Und nicht jeder Umweg ist nur verzichtbarer, unsündiger Zeitvertreib, sondern manchmal ist
es durchaus auch wichtig eine Sackgasse zu gehen, um zu sehen, dass es eine Sackgasse ist und vielleicht
auch um zu verstehen, warum es eine Sackgasse ist, um dann eventuell eine bessere Heuristik zu
entwickeln. Und insoweit ist oft der Blick auf einen Wissenschaftler aus der zweiten Reihe
manchmal sogar konstruktiver, als wenn man diesen Schnelldurchgang erzählt. Und als einen solchen
Wissenschaftler kann man natürlich Simon Marius ansprechen, den wir hier etwa im 40. Lebensjahr
sehen. Sie sehen links oben das Orbitalsystem der Jupitermonde, rechts oben das soll der Mond sein.
Und vor ihm liegt natürlich sein Fernrohr noch perspicillum beschriftet, das Wort Teleskop hat
er sich damals noch nicht etabliert. Natürlich liegt auch sein Buch vor ihm, wahrscheinlich sein
Hauptwerk der Mundus Jovialis, also die Jupiter Welt. Und in seiner Rechten hat er einen Zirkel,
das zeigt, dass er Mathematiker ist. Und in der Linken hält er an Destillierkolben mit so einem
Aufsatz, Olympik genannt. Das zeigt, dass er auch praktizierender Arzt war. Simon Marius ist 1573 in
Gunzenhausen geboren. Er war da lange auf der Fürstenschule Heidsbronn, wo man für den höheren
Verwaltungsdienst im Markgrafentum vorbereitet wurde, bis er dann 1601 mit seiner Empfehlung seines
Markgrafen nach Prag gereist ist, um dort bei dem damals behümmtesten Astronomen Europas, bei Tycho
Brahe, so eine Art Assistenzstelle, wird man es heute vielleicht nennen, anzutreten. Am Hofe bei
Rudolf II. in Prag also. Obwohl Marius ein paar Monate Überschneidung hatte und sich auch die
Instrumente ansehen konnte und dann auch die Science Community kennenlernen konnte, kam wohl
doch nicht wirklich in Zusammenarbeit mit Brahe heraus, der wohl schon krank zu der Zeit war und
dann kurze Zeit später ja auch verstarb. Deswegen hat der Markgraf den Marius dann gleich weitergeschickt
an die Universität Padua, um dort Medizin zu studieren. Das hört sich jetzt alle für den
modernen Menschen ein bisschen ungewöhnlich an, wobei hier in diesem Zentrum ja ähnliche Verbindungen
wieder eingeht, aber zunächst einmal überrascht es. Aber man muss bedenken, dass die Medizin der
damaligen Zeit großen Wert auf den rechten Zeitpunkt legte. Man denke nur an Adalas oder manche Leute,
die ja glaube ich auch heute noch Haare schneiden oder Bäume hacken nur bei zu- und abnehmenden Mond,
weiß ich gar nicht, was das Richtige sein soll. Und so kann man sagen, dass für die damalige Zeit dieser
Komplex Mathematik, Astronomie, Astrologie eigentlich ein Zusammenhang war und es durchaus
sinnvoll war, das zu ergänzen mit Medizin, vielleicht auch Pharmazie und Alchemie. Nach
seinem Studium in Italien geht er wieder zurück nach Deutschland und wird dann 1606 Hof Mathematicus,
was wir durchaus mit Hof Astronom übersetzen können am markgräflichen Hof von Ansbach. Eine
Position, die er zeitlebens beibehalten wird. Gunzenhausen war damals ein ja noch schnuckliches
Presenters
Pierre Leich
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
01:05:06 Min
Aufnahmedatum
2024-05-02
Hochgeladen am
2024-05-08 17:56:04
Sprache
de-DE
Marius und die copernicanische Wende.
Im Jahr 2024 hat der markgräfliche Hofastronom Simon Marius seinen 400. Todestag, ein willkommener Anlass um an den berühmten fränkischen Astronomen zu erinnern.
Der Übergang vom geozentrischen zum heliozentrischen Weltbild vollzog sich über mehrere Etappen. Mit Nicolaus Copernicus war nur gezeigt, dass vom mathematischen Standpunkt nichts gegen eine zentrale Sonne spricht, Tycho Brahe steigerte die Beobachtungsgenauigkeit erheblich, aber erst die Erfindung des Teleskops brachte Bewegung in die Debatte und ließ die Monde von Jupiter und die Phasen der Venus erkennen. Zu beidem forschten zeitgleich Galileo Galilei und Simon Marius. Letzterer war ein genauer Beobachter und lehnte das antike Weltbild bereits ab, wollte sich aber nicht zum Copernicanismus durchringen. War dies Dummheit oder hatte er wissenschaftliche Gründe, basierend auf unterschiedlichen Interpretationen der Fernrohrentdeckungen und was war seine Alternative? Der Vortrag stellt die Beobachtungen anschaulich vor, zeigt die Argumente in ihrem historischen Zusammenhang und macht sichtbar, wie sich im 17. Jahrhundert Himmel und Erde näherkamen.