1 - Musik und Ekstase: Richard Wagner [ID:653]
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Vielen Dank für die einführenden Worte.

Die kleine Programmenänderung – eigentlich ist es ja nur eine

Titeländerung – muss ich nun nicht mehr erklären.

Ich habe den Vortrag in drei Teile geteilt, die ich Ihnen zunächst einmal nennen möchte.

Der erste heißt Dujonisos, wo es um die Ursprünge der Ekstase,

die dann auch auf Wagner Einfluss gehabt haben, gehen soll.

Der zweite Teil, der Venusberg – ich sage jetzt einmal nicht, worum es da genauer geht,

die Doppeldeutlichkeit soll bestehen bleiben – und drittens dann Tristan und Isolde.

Erstens, Dujonisos.

Eine Schar wilder Frauen braust durch die Berge und Täler des alten Griechenlands.

Es sind die Mainaden, die mythischen Begleiterinnen des Gottes Dujonisos.

Mit aufgelöstem Haar, nur spärlich mit einem Tierfell bekleidet,

mit Efeu begrenzt und Schlangen umgürtet, unter ekstatischen Verrenkungen den Tujonisos schwingend,

schlagen sie Milch, Wein und Honig aus den Felsen, säugen junge Tiere

oder zerreißen sie und verzehren sie roh.

Wer es wagt, ihr nächtliches Treiben zu belauschen, der erleidet ein ähnliches Schicksal.

Er wird bei lebendigem Leib zerstückelt.

So oder ähnlich lauten die Beschreibungen einer im achten Jahrhundert vor Christus

in Griechenland aufkommenden religiös-kulturellen Bewegung,

die vor allem Frauen wie eine Art Epidemie erfasst.

Sie lassen Besitz und Familie im Stich und ziehen in die Wildnis,

um dort ihren Gott Dionysos in geheimen Riten zu verehren.

Dionysos ist ein fremder, aus Trakien stammender Mysteriengott,

für den im griechischen Pantheon zunächst kein Platz zu sein schien.

Aber immer, wenn man dem Gott die gebührende Ehre verweigerte,

setzte er sich durch machtvolle Taten zur Wehr.

Oripides erzählt in seinem Drama Die Bacchren, die tragische Geschichte von Pentheus,

dem König von Theben, welcher den Gott und das ausgelassene Treiben der Frauen

vergeblich zu bekämpfen versuchte.

Auf den listigen Rad des Dionysos will er als Frau verkleidet eine Feier der Menaden belauschen.

Sie entdecken ihn, und Pentheus wird von der Hand seiner eigenen Mutter

im ekstatischen Rausch zerrissen.

Was ist das für ein merkwürdiges Gebaren, was für ein grausam blutiger Kult,

der offenbar alle Schranken der Kultur überwindet und sich in ekstatischen Taumel ergeht?

Um diese Fragen zu beantworten, sind zunächst einige Begriffsklärungen notwendig.

Zunächst die Klassik, die Klassik des Griechischen Verbums,

exhistastei, was so viel wie herausstehen bedeutet,

im übertragenen Sinne also so viel wie außer sich sein.

Im klassischen Griechisch bezeichnet der Begriff alle Zustände und Handlungen,

die das normale Maß überschreiten.

So etwa die Ekstasis manichae, das verrückt sein,

oder die Ekstasis arthron, die Verrenkung der Glieder des Körpers.

Der Dionysische Kult ist durchweg mit solchen, das ausgewogene Maß überschreitenden

manischen Handlungen verbunden.

Im 19. Jahrhundert zur Zeit der Romantik kam der Begriff Ekstase in Mode,

allerdings in einem abgeschwächten, allgemein als leidenschaftlich verstandenen,

Leidenschaftlichkeit verstandenen Sinn.

Mit der Ekstase zum Teil synonym wird zweitens auch der Begriff der Mania gebraucht.

Mania bedeutet Rasserei, Wahnsinn, Wut, aber auch religiöse Begeisterung.

Das hatte für die Griechen einen durchaus positiven Sinn.

Teil einer Videoserie :

Presenters

Prof. Dr. Eckhard Roch Prof. Dr. Eckhard Roch

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

01:03:32 Min

Aufnahmedatum

2009-11-03

Hochgeladen am

2011-04-11 13:53:27

Sprache

de-DE

Ekstase - im wörtlichen Sinne »das Außer sich Sein« - ist ein rauschhafter Zustand, dessen früheste Erscheinungsformen auf antike Mysterienkulte, insbesondere dem Dionysoskult entstammen. Ekstase ist hier eine Technik der Transzendierung des Menschlichen auf die Gottheit hin. Ihr Ziel ist die mystische Einheit mit dem Göttlichen, der Enthousiasmos. Viele dieser Vorstellungen und Begriffe behaupten seither ihren Platz im europäischen Denken und vor allem der Kunst. Noch Richard Wagner greift in seinen Werken und Kunsttheorien auf dionysische Quellen zurück. Zunächst in seiner romantischen Oper Tannhäuser, in welcher er den heidnischen Kult der Sinnlichkeit im Venusberg der christlichen Askese der Wartburgritter entgegenstellt und im Sinne seiner Kunsttheorie fruchtbar zu machen sucht. Vor allem aber in seinem wohl ekstatischstem Werk - Tristan und Isolde. Ekstase wird hier zum eigentlichen musikalisch-dramatischen Prinzip erhoben und feiert einen Triumph, der für die weitere Musikgeschichte von kaum zu überschätzender Wirkung sein sollte.
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