Wir befinden uns hier vor dem Gebäude des Internationalen Kollegen für
Geisteswissenschaftliche Forschung nach einem Arbeitstag, nach einem Workshop,
den ein ehemaliger Fellow dieses Kollegen, Herr Dr. Hannes Möhring, ausgerichtet hat mit dem
Thema politische Weißsagungen im Mittelalter. Hier haben acht Personen sehr intensiv miteinander
diskutiert über die Frage, was Weißsagungen und Politik miteinander zu tun haben könnten.
Hannes, ich würde zunächst einmal fragen, was war für dich der Auslöser,
diesen Workshop zu veranstalten? Also der Auslöser war der,
dass man nicht ohne Weiteres davon sprechen kann, dass das derartige Weißsagungen alles pure
Spinnerei sind, sondern dass sich da schon handfeste politische Interessen teilweise
jedenfalls nachweisen lassen und dass es sicher bei diesen Weißsagungen teilweise auch um sehr
difficile Gebilde handelt, die interpretiert sein wollen und dass das durchaus die Mühe
wert ist, sich mal näher damit zu befassen. Ja, es ist ja ganz auffällig gewesen,
welche Quantitäten an Texten von der Spätantike bis in die Zeit der Reformation überhaupt vorhanden
sind, die auch unterschiedlichen Kategorien zuzuordnen sind. Wie weit ist da die
Geschichtswissenschaft und andere Disziplinen überhaupt, um die entsprechenden methodischen
Mittel zu haben, diese Texte zu erschließen? Ja, so was die Editionstechnik und Tätigkeit
betrifft, so sieht es ja damit in Deutschland nicht so berauschend aus. Eben weil vielfach
diese Weißsagungen ja als relativ unseriös betrachtet werden, stehen also diese Weißsagungen
und die Beschäftigung damit immer im Schatten. Es wäre dringend erforderlich, dass man da eine
stärkere Editionstätigkeit entwickelt. Ich glaube, dass es im Ausland wesentlich eher der Fall ist,
dass man da diese Aussagen auch ernster nimmt und dass wir insofern hier in Deutschland noch am
Anfang stehen. Also wir sind in Deutschland prognosegeschädigt sozusagen. Wir halten
nichts davon, obwohl die Horoskope heimlich gelesen werden. Ja, so ist es. Obwohl also die
meteorologischen Wetterberichte geglaubt werden, obwohl Börsenprognosen geglaubt werden, alle
Möchenprognosen, die aber eben nicht heute nach heutigem Sprachgebrauch eben weder als
Prophädie noch als Weißsagungen gelten, aber trotzdem natürlich Vorhersagen sind, die auch
oft genug daneben gehen. Das Ganze scheint ja auch ein ziemlich sperriges Material zu sein,
ein kompliziertes Material zu sein. Wenn ich mich erinnere an die Diskussionen eben, es gibt eben
einen intensiven Austauschprozess zwischen Produzenten von solchen Texten und den Rezipienten
dieser Texte und insbesondere scheint es ja eine Vielzahl von unterschiedlichen Fassungen dieser
Prophezeiungen gegeben zu haben. Und wenn ich eine Vermutung äußern darf, mir kam es so vor,
als ob die Kurzfassungen oftmals den größten Einfluss in der Gesellschaft ausgeübt haben.
Wie kann man sich so etwas erklären? Na ja, die Kurzfassungen bringen eben die Aussage der
Texte auf den Punkt und da es sich dann eben um kurze Texte handelt, sind sie auch schneller
abzuschreiben und damit auch zu vervielfältigen und können leichter unter die Leute gebracht werden.
Und ich glaube, so erklärt sich auch zum Beispiel, dass die Kurzfassung von Pseudomethodius,
also dieser einen großen, das im Mittelalter beherrschenden Weissagung, eine sehr artige
Popularität erreichen konnte, während die ursprüngliche Übersetzung und die längere,
also die längere Fassung eben gegenüber der Kurzfassung doch im Schatten stand.
Diese Weissagung des Pseudomethodius scheint ja nun in ganz speziellem Maße eine politische
Weissagung zu sein. Man kann ja fast davon ausgehen, dass die Vorhersage über den Niedergang
der Araber immer wieder aktualisiert worden ist. Welche Anlässe gab es denn für so etwas?
Das Erstaunliche bei Pseudomethodius ist ja, dass also Aktualisierungen im Grunde nicht zu
beobachten sind. Bei der eben erwähnten Kurzfassung, der sateinischen Kurzfassung,
ist ja auch so, dass es wesentliche Bestandteile der ursprünglichen Fassung da nicht gibt und auch
damit wesentliche Aussagen wegfallen, wie zum Beispiel die Warnung des Pseudomethodius vor
dem Abfall vom Christentum. Also Pseudomethodius reagiert damit ja auf die Gefahr, die ja tatsächlich
war, dass Christen massenweise zum Islam sich bekehren. Interessanterweise spricht ja Pseudomethodius
den Islam selber nicht an, also Religion nicht und auch den Prophet Muhammad nennt Pseudomethodius
mit keinem Wort. Er sagt nur, dass die Christen nicht zur Seite der anderen beziehungsweise der
Presenters
Dr. Hannes Möhring
Prof. Dr. Klaus Herbers
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:13:08 Min
Aufnahmedatum
2012-05-01
Hochgeladen am
2017-05-14 12:47:14
Sprache
de-DE
The participants in the workshop discussed inter alia the correlation between politics and prophecies, notational diminutives of prognostications and the Pseudo-Methodius. Klaus Herbers reviews the day and the results of the discussion panel in conversation with Hannes Möhring.