Ja, meine Damen und Herren, zunächst großer Dank und auch ein bisschen Sorge jetzt bei dem, was ich
gehört habe von Simone Dereckx. Die Person kannte ich gar nicht, die da vorgestellt wurde,
aber immerhin, es gibt Ähnlichkeiten. Und ich bedanke mich natürlich auch bei der Universitätsleitung
für die Gelegenheit hier in Erlangen zu diesem Thema öffentliche Debatten um Straßennamen in
der bundesdeutschen Erinnerungskultur sprechen zu dürfen. Ich beziehe mich dabei zum einen auf die
verschiedenen Publikationen, von denen Simone Dereckx andeutungsweise schon gesprochen habe,
also aus dem weiten Feld der Geschichte von Erinnerungskulturen und zum anderen eben auf
die derzeitige Tätigkeit in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden, wobei ich gleich
hinzufügen möchte, das ist eine Tätigkeit, die wir zu Beginn des Jahres erst aufgenommen haben.
Wir haben drei Kommissionssitzungen jetzt hinter uns gebracht und wir werden dann ab Januar die
Schlagzahl erhöhen und dann hoffentlich auch zu Ergebnissen kommen können. So ist der Stand der
Dinge, was das angeht. Bevor ich nun weiter aus den eher am Anfang stehenden Beratungen berichten
möchte oder einige Andeutungen machen möchte, würde ich gern einige historische Vorüberlegungen
eher genereller Art anstellen, weil so scheint mir, und das ist eben auch das Thema dieses Beitrags,
ein permanenter Aufreger. Aus meiner Beobachtung heraus würde ich sagen, viele Menschen regen sich
heute viel öfter auf als früher. Das ist meine erste Beobachtung. Sie sind regelrecht entrüstet
über belastete Straßennamen, wenn etwas durchsickert über eventuelle NS-Belastungen. Sie sind
gleichermaßen entrüstet über die Wiederentdeckung des belasteten Erbes, des kolonialen Erbes auf
Straßennamen in Deutschland. Und sie sind allerdings auch zunehmend entrüstet über ganz andere Fragen
und Faktoren, zum Beispiel die Tatsache, dass viel weniger Frauen oder auch Migranten und
Migrantinnen auf Straßennamen verzeichnet worden sind. Alles dies sind erst mal nur Beobachtungen.
Es handelt sich dabei allerdings um eine Beobachtung internationalen Typs und das ist mein erstes Bild,
was ich Ihnen hier eingeblendet habe. Ich würde nämlich gerne meine Reise in Italien beginnen,
wo ich im Sommer war, in einem Strandkorb in der Nähe von Pesaro. Da bin ich aus familiären
Gründen immer wieder und habe dort die, was wunderschön ist, die Regionalzeitung gelesen. Das
ist ein schönes Sommererlebnis. Und in dieser Zeitung, der Messaggero di Pesaro, fiel mir dann
dieses Bild in den Blick und deswegen habe ich das auch sofort aufgenommen, weil ich ja nichts
anderes mehr getan habe seitdem und ein langer Vortrag vorbereitet. Und dann kam mir die Idee,
dass das gehört doch irgendwie dazu. Dieser Messaggero von Pesaro berichtete am 7. August 2021 von
der Forderung, einen Park erneut nach Arnaldo Mussolini zu benennen. Den Beitrag des Messaggero ist zu
nehmen, dass Claudio Dodigon, immerhin Staatssekretär im Wirtschaftsministerium in Rom, bei einer
Parteiveranstaltung der Lega am 4. August in Latina gefordert habe, den Stadtpark wieder seine
angestammten Namen zu geben, eben Parco Arnaldo Mussolini. Der Journalist Arnaldo Mussolini,
der zwei Jahre jüngere Bruder Benitos, hatte die faschistische Politik enthusiastisch unterstützt,
war aber schon 1931 einem Herzinfarkt erlegen. Der Duce hat dann daraufhin dafür gesorgt,
dass der Park nach seinem Bruder Arnaldo benannt wurde und das blieb bemerkenswerterweise so bis in
das Jahr 2016. Also das haben Sie richtig gehört, 2016. Dann ist eine, wenn man so will, linke
Stadtregierung in die Verwaltungsgeschäfte Latinas eingezogen und hat den Namen geändert in Parco
Falcone Borsolino, also den beiden Richtern, die als Anti-Mafia-Jäger in die italienische Geschichte
eingegangen sind, spätestens als man sie in die Luft gejagt hat. Nun, das war eben erst im Jahre
2016 der Fall und die Sommeraffäre jetzt des Jahres 2021 kostete Durigon seinen Posten als
Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, er sitzt aber weiter in der Abgeordnetenkammer. Und Sie
können das eben auch auf Deutsch nachlesen, das ist zwar interessant für mich zu sehen,
14 Tage später berichtet Matthias Rüb im Sommerloch eben auch über diesen Sachverhalt in LWZ,
also das ist dann so langsam nach oben gekommen und ein interessanter Beitrag, den man ja über
das Archiv der FAZ dann nachblättern kann. Nun könnte man über die Italiener und Italienerinnen
und ihre vielen Verspätungen leicht die Nase rümpfen in Hinblick auf dieses späte Jahr 2016
und in Deutschland tut man sowas ja immer auch wieder ganz gerne, aber ich denke das wäre
vorschnell und ungerecht. Auch bei uns gibt es zahlreiche Kontroversen, die sich an den
Benennungen von Straßen und Plätzen förmlich entzünden. Dazu gehörten zuletzt und darüber
Presenters
Prof. Dr. Christoph Cornelißen
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:50:13 Min
Aufnahmedatum
2021-11-09
Hochgeladen am
2021-11-18 12:05:45
Sprache
de-DE