So, liebe Studierende, jetzt kommt der Höhepunkt der gesamten Vorlesung, Immanuel Kant. Ich will
Ihnen nicht verhiedeln, dass ich jetzt im Moment nicht sicher bin, ob es mir gelingt, diesen
Höhepunkt wirklich mit der Emphase rüberzubringen, der eigentlich nötig wäre, weil ich jetzt
gerade wieder mal schon seit knapp, na seit dreieinhalb Stunden vor der Kamera stehe, alles
hintereinander durchhaue und ich merke, dass meine intellektuelle und rhetorische Spannkraft
natürlich nachlässt. Aber schauen wir mal.
Also ich steige ein in diesem Fall gleich mit der Biografie, die aber kurz bleiben kann,
denn das Besondere an Cannes Biografie ist, dass sie so unspektakulär ist. Also vor allem,
wenn man sie etwa mit Rousseau vergleicht. Also Rousseau bietet Stoff für Hollywood-Filme,
da kann man Romane draus machen und im Grunde hat er es auch selber gemacht. Bei Cannes
wäre es ganz anders. Also da erlebt man einen Denker, dessen Lebenswandel durch ein
extremes Maß an Selbstdisziplin geprägt ist. Morgens um fünf Uhr irgendwie ist er aufgestanden
und hat seinem Diener Lampen Instruktion gegeben. Der Lampen möge ihm dann notfalls unbarmherzig
das Bett, die Bettdecke wegziehen, also morgens aufstehen, Frühstück in Gestalt von einer
Tasse Tee und einer Pfeife, Vorbereitung der Vorlesungen, das ging übrigens auch damals
sehr früh, Vorlesungen zum Teil in den Privaträumen der Dozenten und dann wurde gelesen, gelesen,
gelesen, tatsächlich oft aus Büchern auch vorgelesen. Gut mittags gab es dann die einzige
Mahlzeit, die richtige Mahlzeit am Tag, da hat Cannes sich Zeit genommen, auch Gesellschaft
gepflegt, er war ein ausgesprochen geselliger Mensch und seine Tafel war beliebt, dann Spaziergang
und in den Spätnachtmittags und Abendstunden machte er sich ans Schreiben, also hat seine
bahnbrechenden Werke dann vermutlich oft im Schein einer flackernden Kerze mit einem Gänsekiel
aufs Papier gekrickelt und dann gut zur Nachtruhe. Also Cannes Lebenswandel geprägt von Regelmaß,
Disziplin, Konzentration der Kräfte, im krassen Unterschied zu Rousseau und Stetem Wanderleben
gepflegt, Cannes eine regelrechte Stabilitas lotzi, also er bleibt stets in Königsberg,
verlässt das Weichbild der Stadt eigentlich nie und man muss sagen, das ist ein Drama
für uns hier in Erlangen, denn er hätte eine Professur kriegen können in Erlangen, also
er hatte einen Ruf nach Erlangen und hat am Ende diese Professur abgelehnt, den Ruf abgelehnt,
ist in Königsberg geblieben, hätte er anders entschieden, würde die FAU nicht FAU heißen,
sondern IKU, Immanuel-Kant-Universität, aber nur gut, eine historisch verpasste Gelegenheit
für uns. Also so unspektakulär sein Leben war, so gab es doch auch einige Dramen und
Scherereien, also etwa Kampf mit den preußischen Behörden, also auch Kant musste sich mit
politischer Repression rumschlagen, mit Zensur rumschlagen, mit Drohungen, die auch einigermaßen
deutlich rüber kamen und als kritischer Geist war er auch den Autoritäten seiner Zeit verdächtig.
Aber ansonsten sein äußeres Leben verlief unspektakulär, er ist ja fast 80 Jahre alt
geworden, 1724 geboren, 1804 kurz vor der Veränderung seines 80. dann verstorben, das
heißt demnächst in ein paar Jahren haben wir dann auch den 300. Jahrestag der Geburt
Kant, den 300. Geburtstag und der soll möglicherweise auch in Königsberg gefeiert werden, schauen
wir mal, schauen wir mal, mittlerweile ist Königsberg ja russisch, Kaliningrad und Kants
Aufklärungsphilosophie und die russische Politik unter Putin, das passt natürlich eigentlich
nicht zusammen, wäre ein sehr sehr interessantes Spannungsverhältnis, schauen wir mal, schauen
wir mal, ob das was wird. Kants Wohnung war spartanisch eingerichtet, umso bemerkenswerter,
es gab ein Bild und das Bild zeigt Rousseau, es war ein Stich, ein Porträtstich, ausgerechnet
dieses Feuerkopfes Rousseau, dessen Lebenswandel ja mit dem kantischen Lebenswandel also so
wenig übereinstimmte, wie man sich das nur vorstellen kann, aber Kant bekennt sich dazu,
von Rousseau auf den richtigen Weg gebracht zu sein, Anzitat, Rousseau hat mich zurecht
gebracht, Rousseau hat mich zurecht gebracht, Kant sagt dann, er sei eigentlich immer ein
Wissenschaftler aus Leidenschaft gewesen, so weit so gut, das ist eine Leidenschaft,
für die man sich nicht entschuldigen muss, aber es führt dann manchmal dazu, dass Bildungs-
und Wissenschaftsenthusiasmen die einfachen Leute verachten und genau das bekennt Kant
auch von sich, dass er in Gefahr gestanden habe, tatsächlich in eine Art Bildungsdünkel
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:57:35 Min
Aufnahmedatum
2020-10-21
Hochgeladen am
2020-11-02 10:14:40
Sprache
de-DE
Kant