Herzlich willkommen abermals Paul Gerhardt abermals ein bekanntes bediebtes
Lied du meine Seele singe wohl auf und singe schön. Das letzte Lied hatte ja
auch das entscheidende Verb singen in der Titelzeile, sollte ich meinem Gott
nicht singen, sollte ich ihm nicht dankbar sein.
Es scheint für Paul Gerhard doch das entscheidende Stichwort zu sein, singen
und man kann nur mutmaßen ob Paul Gerhard tatsächlich seine Gedichte auch
gerne selber gesungen hat oder ob er nicht doch eher der Dichter, der
Schreiberling war, der das nur am Schreibtisch gemacht hat. Aber wenn er so
viel vom Singen und so animierend vom Singen dichtet, kann man sich eigentlich
doch nicht vorstellen, dass er nicht selber auch richtig Lust hatte, selber zu
singen. Du meine Seele singe, wohlauf und singe schön ist ein Psalmlied.
Psalmlied heißt, dass die literarische Vorlage ein Psalm ist, der dann in
Strophenform übersetzt wird. Dazu habe ich eine Übersicht erarbeitet, die ich
zuerst kurz bitte zur Hand zu nehmen und ein paar Dinge dazu zu sagen. Übersicht,
wie viele und welche Psalmlieder Paul Gerhard eigentlich gedichtet hat. Es ist
ja schon interessant, dass ein großer Anteil der Lieder von Paul Gerhard nicht
einfach nur frei entworfen ist, sondern Vorlagen hat. Wir hatten ja als Beispiel
schon diese Passionslieder zu der Vorlage, zu den diese Meditationen an die
Gliedmaßen Jesu. Es gibt noch weitere andere biblische Vorlagen, aber das
Hauptkorps sind natürlich die Psalmen als das Liederbuch der Bibel. Die Gattung
des Psalmlieds, nur kurz, wenige Sätze, hat ja eine spezifisch protestantische
Tradition. Luther hat im Jahre 1523, das Jubiläum kommt bald, das Psalmlied
überhaupt erfunden, indem er aus tiefer Not, schrei ich zu dir, Psalm 130 übertragen
hat, in ein Lied und dann noch weitere folgen ließ. Diese Idee, Psalmen, die ja
bisher in den Klöstern gregorianisch gesungen wurden und Latein, jetzt in
deutsche Liedverse zu übertragen, so dass alles Volk Psalmen singen kann und
damit implizit mit der Bibel singen kann. Diese Idee fand besonders in Straßburg
an Klang. Die Straßburger haben Luthers Psalmenlied übernommen, haben selber
angefangen, konsequent alle Psalmen durchzudichten, während Luther nur
einzelne Psalmen genommen hat, die für ihn besonders zentral waren als Gebete,
Psalmen als Gebete zu Gott, die jetzt in der Zeit dran sind.
Die Straßburger fangen also an, aus dem Psalmenlied ein Prinzip zu machen und
eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht und so weiter, alle Psalmen zu
übertragen. Calvin ist im Exil in Straßburg, lernt dort diese Psalmenlied
erkennen und sagt, aha, das ist es, in der von mir regierten Kirche, in der
reformierten Kirche werden nur Psalmenlied gesungen, so kommt es auf
Anweisung von oben zum sogenannten Genfer Psalter, das 150 Psalmen, das
gesamte Gesangbuch besteht nur aus Psalmenliedern, zu jedem Psalm eines.
Dieser Genfer Psalter, auf Französisch als Komplettpsalter, wird übersetzt von
dem deutschen Ambrosius Loeb Wasser, der eigentlich Lutheraner ist, das erscheint
1573, bezogen auf die Melodien, die zu diesen Genfer Psalmen
gehören, das will ich jetzt nicht vertiefen,
dann regt sich Widerstand, weil die reformierte Kirche dann diesen
Lobwasser Psalter nimmt in Deutschland, das wird sozusagen das zentrale
Psalmbuch der reformierten Kirche, es regt sich Widerstand von lutherischer
Seite, dass eigentlich die rechte Weise, Psalmen in Lieder zu übertragen, nämlich
weil die Genfer Tradition und damit Lobwasser ziemlich Wort für Wort die
Psalmen übertragen, also sie dichten nichts dazu, salott gesagt, sie deuten
nicht, sie machen auch keine christologische Auslegung, es soll
möglichst nah am Wortlaut des der Psalmen sein, also das Sola Scriptura
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
01:08:18 Min
Aufnahmedatum
2020-06-22
Hochgeladen am
2020-06-29 17:46:27
Sprache
de-DE
Das Phänomen Paul-Gerhardt-Lieder II
Die Lieder von Paul Gerhardt (1607-1676) sind "Evergreens" trotz ihrer veralteten barocken Sprach- und Vorstellungswelt, trotz ihres oft schweren theologischen "Ballasts", trotz ihrer Überlänge. Die Vorlesung nimmt einzelne Lieder in Textgestaltung wie Melodiezuweisung genauer unter die Lupe, vermittelt historischen Hintergrund der Liedentstehung und gibt Einblicke in die Liedrezeption durch die Jahrhunderte in Gesangbüchern wie Kunstmusik.