Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.
Einen schönen guten Morgen. Ich begrüße Sie zu unserer Vorlesung Europarecht. Wir haben in der
letzten Sitzung unser Prüfungsschema, unseren Prüfungsaufbau einer Artikel 34 Prüfung,
also einer Prüfung, ob eine staatliche Maßnahme, eine Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von
Artikel 34 IOV ist abgeschlossen. Ich habe Ihnen hier nochmal das, was wir sozusagen
aus der Rechtsprechung entwickelt haben, als Prüfungsschema aufgeschrieben. Wir fragen
also an mit der Frage, ob der Sachverhalt, in dem wir uns befinden, ob die staatliche
Maßnahme, die wir überprüfen, von Sekundärrecht erfasst wird, insbesondere eben, ob es um
eine Harmonisierung geht, also ob eine Harmonisierung vorliegt. Das heißt also, wenn die staatliche
Maßnahme, die staatliche Regulierung in einen Bereich fällt, der europarechtlich durch
Sekundärrecht harmonisiert ist, dann prüfen wir das Ganze gar nicht an Artikel 34, sondern
haben wir es mit einem Verstoß eventuell gegen Sekundärrecht zu tun. Wenn wir keine
Harmonisierung haben, oder jedenfalls auch in den Bereichen, in denen die entsprechende
Materie noch nicht harmonisiert ist, also auch im Anwendungsbereich eine harmonisierende
Richtlinie, aber eben in dem Bereich, in dem die Harmonisierung nicht erfasst. Wenn wir
eben das nicht haben, dann prüfen wir weiter an der Bahnverkehrsfreiheit, bzw. das stellt
sich dann nachher in den anderen Grundfreiheiten in gleicher Weise. Wir fragen dann als erstes,
ob die Bahnverkehrsfreiheit anwendbar ist, also ob die Bahnverkehrsfreiheit betroffen
ist, das heißt also, ob es überhaupt um Waren geht, dann ob ein grenzüberschreitender
Sachverhalt vorliegt, oder ob das Ganze eine lediglich interne, also ein rein interner
Sachverhalt ist, und schließlich muss gefragt werden, ob das Verhalten, und dass es geht,
nach ist oder staatlich zurechnbar. Dann wird die große Frage gestellt, ob das Ganze eine
Maßnahme gleicher Wirkung ist, dazu schauen wir dann also in den Artikel 34 hinein, Maßnahmen
gleicher Wirkung, wie mengenmäßige Beschränkungen sind unzulässig, die Definition ist die D'Assombe-Ville-Formel,
über die wir nun schon öfter gesprochen haben, das gilt auch für nicht diskriminierende
Maßnahmen, und dann ist eben die Frage nach der Tatbestandsausnahme, nach der Keck-Ausnahme
zu stellen, immer dann, wenn es sich um eine Verkaufsregel handelt, also eine Regel, die
nicht produktbezogen ist, die sich nicht auf das Produkt selbst bezieht, die nicht diskriminierend
ist oder wirkt, und die für alle Wirtschaftsteilnehmer gleich geht, immer dann liegt der Tatbestand
von Artikel 34 gar nicht vor, das hat der EGH in der Keck-Entscheidung so festgehalten.
Wenn die Keck-Ausnahme nicht greift, wenn wir es also mit einer Maßnahme gleicher Wirkung
zu tun haben, dann stellt sich die Frage, ob diese Maßnahme, ob diese eigentliche Verletzung
von Artikel 34 ausnahmsweise gerechtfertigt werden kann, dazu gibt es zwei Rechtfertigungstatbestände,
wenn Sie so wollen, einmal die sogenannten zwingenden Erfordernisse im Sinne der Cassis-Formel
und zum anderen der Artikel 36 als der geschriebene Rechtfertigungstatbestand, also ein ungeschriebener,
durch die Rechtsprechung entwickelter und ein geschriebener in Artikel 36 kodifizierter
Rechtfertigungstatbestand.
Von der Prüfungsstruktur sind Sie beide vergleichbar, wir müssen, wie man das normalerweise oder
wie Sie das auch sonst kennen, aus dem Recht, wir müssen zunächst fragen, ob es ein Schutzgut
gibt, also ein Schutzgut, das von dem jeweiligen Rechtfertigungstatbestand erfasst wird, das
ist bei den zwingenden Erfordernissen weiter, denn hier sind es grundsätzlich alle Gemeinwohlbelange,
dieses Interesse des Gemeinwohls, hier wird ein weites Verständnis angelegt, bei Artikel
36 haben wir es mit einer abschließenden Liste zu tun, wir hatten das in der letzten
Sitzung uns angeschaut, wir haben gesehen, Verbraucherschutz, Umweltschutz, diese Dinge
werden in Artikel 36 gar nicht erwähnt und dann haben wir am Ende gewissermaßen in beiden
Fällen die Verhältnismäßigkeitsprüfung.
Die Schwierigkeit, die sich manchmal stellt, ist die Frage, ob der Rechtfertigungstatbestand
der zwingenden Erfordernisse auch bei diskriminierenden Maßnahmen zur Anwendung kommen kann, das ist
umstritten, nach der herrschenden, in meiner Literatur, kann der Maßstab der Rechtfertigungstatbestand
der zwingenden Erfordernisse nur bei nicht diskriminierenden Maßnahmen greifen, wir
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
01:26:53 Min
Aufnahmedatum
2015-12-15
Hochgeladen am
2015-12-15 11:03:47
Sprache
de-DE
Die Vorlesung behandelt die Grundstrukturen des institutionellen und materiellen Unionsrechts einschließlich der Grundfreiheiten. Gegenstand der Veranstaltung sind jene Teile des Europarechts, die zum Pflichtstoff des Ersten Juristischen Examens zählen.