2 - Ethikkomitees und Ethikberatung in der Medizin. Das Drama des Entscheidungskonflikts [ID:5395]
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Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.

Professor Andreas Freber ist Leiter des Instituts für Ethik in der Medizin an der Universität Erlangen-Nürnberg

und Leiter der Geschäftsstelle des Klinischen Ethikkommitees in Erlangen.

Seine Arbeitsschwerpunkte umfassen die klinische Ethik und Beratung und das Menschenrecht in der Medizin.

Ich freue mich sehr, dass wir heute Fragen der angewandten Ethik im Rahmen der Universitätsringvorlesung mit stärkerem Bezug zur Medizinethik vertiefen können.

Das Drama des Entscheidungskonflikts spielt sich sehr häufig bei uns in der Ethikberatung ab.

In den letzten Jahren hat ein Theaterstück in den USA für enorme Furore gesorgt und wird an verschiedenen Orten gegeben.

Das Drama heißt das Gottkomitee und bringt alle beteiligten Personen in schwierige Gewissensfragen.

Wer soll das Organ erhalten?

Welche Gründe sind für Priorisierung auf der Warteliste entscheidend?

Ärzte, Schwestern, auch Klinikseelsorger und weitere Beteiligte versuchen, ein ethisch reflektiertes Ergebnis im Rahmen der Ethikberatung herbeizuführen.

Der Titel Gottkomitee ist dabei sicherlich eine Hybris und ersetzt nur die traditionelle Bezeichnung des Halbgottes in Weiß in Richtung der klinischen Ethikkomitees.

Die Dramatik der Entscheidungsfragen wird aber sehr schön deutlich, wenn man sich die Ankündigungsplakate dieses Theaterstücks genau ansieht.

Three Patients, one heart, who decides?

So fragt die Sanduhr in der Mitte.

Es ist nicht nur deutlich, dass die verinnende Lebenszeit auf der Warteliste relevant ist, sondern die Sanduhr ist mit Blut gefüllt.

Es zeigt die Dramatik der Fragen um Leben oder Tod.

Wer soll das Organ bekommen?

Warum entscheidet das Gottkomitee so?

Es sind komplexe und wie hier angedeutet sogar herzzerreißende Entscheidungskonflikte, die in der klinischen Praxis Ärztinnen und Ärzte an die Grenzen ihrer Profession bringen.

Sie bringen aber uns auch im Ethikkomitee genauso in schwierige Entscheidungsfragen und das soll Gegenstand des nachfolgenden Beitrags sein.

Ich möchte Ihnen Ethikkomitees und Ethikberatungen in drei Schwerpunkten vorstellen.

Zum einen wichtige historische Meilensteine bei der Entwicklung von Ethikberatungen in der Medizin.

Dann die Institutionalisierung der Ethikberatungen in den meisten Krankenhäusern, nämlich die klinischen Ethikkomitees, genau beleuchten.

Und Ihnen einen Einblick geben, was in der Praxis bei Fragen, wenn Theorie und Praxis sich treffen, so wie diese Reihe ja auch als Titel hinterfragt, was für Probleme in der Praxis zur Entscheidung anstehen.

Das soll auch der Schwerpunkt des letzten Abschnitts sein, in dem einzelne Beispiele der klinischen Ethikberatung beleuchtet werden.

Und natürlich in einer anschließenden Diskussion mit Ihnen gemeinsam noch vertieft werden sollen.

Lassen Sie uns zunächst noch mal zurückgehen zu dem gerade gezeigten Plakat mit einer Variation.

Es sind nicht nur die Stücke des Gotkomitee in den USA, sondern es gibt eine weitere Variation mit dem Titel Who Lives?

Im Titel fragt dieses Stück, es heißt Dialyse oder Tod.

Im Jahr 1963 sind nicht genügend Maschinen vorhanden, um Menschen mit Nierenversagen zu retten.

Jetzt muss ein anonymes Bürgerkomitee entscheiden, wer den lebensrettenden Therapieplatz bekommt.

Mit der Silhouette, die Sie hier im Hintergrund sehen, merken Sie, dass vielleicht 14 Patienten auf einen Platz kommen,

für denjenigen, der hier vorne im Rampenlicht steht, der letztlich die lebensrettende Therapie erhält.

Links sieht man einen Behinderten im Rollstuhl, rechts ein Kind.

Können die beiden ein Organ erhalten? Welche Kriterien lassen uns in der klinischen Praxis entscheiden,

dass wir gerecht knappe Ressourcen verteilen?

Diese Situation Anfang der 60er Jahre ist historisch korrekt und nicht nur ein fiktives Drama.

Das waren auch anonyme Bürger, die Anfang der 60er Jahre in der amerikanischen Stadt Seattle dafür sorgen sollten,

dass die Entscheidungen in der Klinik möglichst gut getroffen werden.

Das populäre amerikanische Magazin Life titelte 1962, They Decide Who Lives, Who Dies.

Das sind die Personen, die entscheiden, wer leben darf, wer einen der Plätze an der künstlichen Niere erhält.

Zunächst Mal hieß dieses Komitee noch etwas prosaischer Artificial Kidney Selection Committee,

also ein Auswahlgremium, das entscheidet, wer an die künstliche Niere darf.

und es war entstanden durch die neue technische Entwicklung eines Schanns, das heißt einer

Verbindung vom arteriösen zum venösen Kreislauf, der durch Skripner in Seattle erfunden wurde und

es ermöglichte, dass die Blutwäsche technisch durchgeführt werden konnte. Wie heikel diese

Entscheidung war sehen sie an der Silhouette. Die Entscheidungsträger in diesem Gott-Komitee

wollten nicht persönlich in Erscheinung treten. Was wäre wenn der Bruder oder der Ehepartner

eines abgelehnten Patienten weiß wer diese Entscheidung getroffen hat. Sieben Personen

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:40:39 Min

Aufnahmedatum

2014-10-29

Hochgeladen am

2015-10-01 10:14:11

Sprache

de-DE

In der modernen Medizin entstehen durch die großen Fortschritte von Naturwissen­schaften und Technik immer wieder neue moralische Konflikte: Was hätte der bewusstlose Patient auf der Intensivstation wirklich gewollt? Darf der Arzt alles, was er kann? Wer könnte in solchen Situationen helfen? Für ethisch komplexe Fragen gibt es seit einiger Zeit „Klinische Ethikkomitees“ und das Instrument der Ethikberatung zur Unterstützung für alle Beteiligten. Der Vortrag zeigt die Entwicklung von Ethikkomitees und den „Halbgöttern in Weiß“ hin zu partnerschaftlichem Entscheiden mit Hilfe der Ethikberatung in der Heilkunde der Gegenwart.

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Ethikkomitee Ethikberatung Entscheidungskonflikt Ethikrat Ethik-Kommission Ethiktag God Committee
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