Meine Damen und Herren, wie höfisch waren die höfischen Feste? Ich versuche Ihnen diese Frage
in zwei Schritten zu beantworten. In einem ersten charakterisiere ich Ihnen Hauptmerkmale höfischer
Festkultur im 17. Jahrhundert. In einem zweiten zeige ich, wie Momente des höfischen Festes in
barocken Theaterstücken reflektiert werden. Hierzu die These meines Vortrags zeigt sich ein anderes
Fest, dessen konzeptionell angelegte Antinomie sich in verheißender Teilhabe und forcierter
Exklusivität offenbart. Die barocken Festbeschreibungen evozieren eine uns heute
gewiss fremde Welt voller komplizierter Zeremonien und einem unvorstellbaren Prunk. Von aufwendig
gestalteten Paradewagen, fantasievoll gekleideten Figuren, kolossalen Bildern, wunderlichen Tänzen
und gefühlvollen Balletten, von rhythmisch spritzenden Fontänen, monumentalen Feuerwerken,
Pyramiden aus Konfekt, Portalen aus kandiertem Zucker, üppig gedeckten Speisetafeln, streitenden
Rittern und tanzenden Pferden, liest man, und viele mehr, dass man sich heute kaum noch vorstellen
kann. Das Leben des barocken Hofes war geprägt, so der Theaterwissenschaftler Manfred Braunek,
durch seine permanente Festlichkeit. Die aufwendig inszenierten und sich über Tage hinziehenden
Feste bildeten den Höhepunkt des adeligen Lebens, das seinerseits so etwas wie das
perspektivische Zentrum barocker Geselligkeit zu sein schien. Dies gilt zumindest, wenn man
absolutistisches Denken oder eine zentralistische Organisation des Gemeinwesens als politisches
und soziales Ideal staatlicher Verfasstheit im 17. Jahrhundert annimmt. Zu dieser Zeit bestand
zwar kein deutscher Nationalstaat im modernen Sinn, der sich wie beispielsweise das Frankreich-Ludwig
des Vierzehnten hätte zentralistisch gestalten können, sondern eher eine lose Föderation
einzelner Länder, die in starker Konkurrenz zueinander standen. Doch auch für sie war Versailles
und seine spezifische, auf einen machtvollen Mittelpunkt ausgerichtete Festkultur, Vorbild für
die eigene Inszenierungen, mit denen sie innerhalb des Alten Reiches an Prestige gewinnen wollten.
Die politische Pluralität unterschiedlich verfasster Fürstentümer, freier Reichstätte und kirchlicher
Länder im Heiligen Römischen Reich deutscher Nationen führte, trotz des unzweifelhaften Vorbilds
von Versailles, auch zu einer je anders akzentuierten höfischen Festkultur, mit der man so etwas wie
regionale Identität vermitteln wollte. Wolfgang Büttel feierte anders als Hannover, Bayreuth anders
als Nürnberg, Bamberg setzte andere Akzente als Würzburg. Dabei ist indes weniger an folkloristische
Elemente zu denken, obwohl es die auch gab, sondern eher an spezifische, das eigene kulturelle
Kapital bedenkende Schwerpunkte und Vorleben innerhalb eines geradezu kanonisch gewordenen
Katalogs höfischer Festelemente. Die Kosten solcher Feste überstiegen dabei nicht selten die
finanziellen Möglichkeiten des jeweiligen Herrscherhauses und der dazugehörigen Bevölkerung.
Woraus bestand nun das idealtypische höfische Fest im 17. Jahrhundert? Was gehörte dazu, wenn
der barocke Fürst so richtig feiern wollte? Jedes barocke Fest, schreibt der Kulturwissenschaftler
Richard Allewien, ist eine ausgedehnte und ausgewogene Komposition aus vielen Elementen.
Durch Abwechslung und Abwandlung ist der Übersättigung und Ermüdung vorgebeugt. Jede
Stunde hat ihr eigenes Gesicht, jeder Tag steht unter einer anderen Devise und doch ist auch
wiederum alles einer leitenden Idee verbunden. Ein gemeinsamer Grundgedanke kam also in unterschiedlichen
Medien zur Realisierung, wobei auf Variation und Überraschung gesetzt wurde. Einige der
Festelemente begegneten in den barocken Hoffesten immer wieder. Da ist zuerst der feierliche
Einzug des Herrschers oder des Herrscherpaares, der die Festtage pompös beginnen ließ. Er orientierte
sich am Einzug römischer Feldherren und wurde deshalb als Triumpho bezeichnet. Allerdings spielt
im 17. Jahrhundert die Zur-Schaustellung militärischer Erfolge kaum eine Rolle. Wichtiger war viel mehr,
dass die Wagen und Menschengruppen der Adligen und Würdenträger die Fantasie anregten. Thematisch
aufeinander abgestimmt und ihrer Wirkung stets gesteigert wurden. Damit die mythologische
Überhöhung der Machthaber schließlich gelang, die als Höhepunkt in aller erdenklichen Pracht
erschienen. Denn das wesentliche Anliegen des gesamten höfischen Festes war neben der kulturellen
Überbietung der in Konkurrenz stehenden Länder die Inszenierung des Herrschers als ideale, geradezu
übermenschliche, ja göttliche Gestalt. Vorbild war Ludwig XIV. in Frankreich. Nicht selten
inszenierte man den Fürsten als mythologische Figur, oft als Apoll, Herkules oder Zeus, manchmal
auch als letzten Ritter, der die Christen vor den Heiden rettet. So zieht der Herzog von Württemberg
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:28:50 Min
Aufnahmedatum
2010-11-03
Hochgeladen am
2011-04-11 13:53:30
Sprache
de-DE