4 - Absinth: Vom Zufallsbefund zur Muse der Künstler [ID:656]
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Ich freue mich als Elite der Nation, dass Sie gekommen sind, um zu zeigen, dass die

Grüne Fee ihre Renaissance dieser Tage oder in diesen Jahren erreicht.

Nun worauf geht diese Entwicklung zurück? Hier kommen viele Zufälle zusammen.

Bevor ich aber ins Detail gehe, lassen Sie mich kurz ausführen, warum eben viele

Künstler so begeistert waren von diesem Wirkstoff wie Baudelaire, dass man ihn

zitiert meist mit dem Satz, man muss immer betrunken sein und zwar von absinnt.

Nun hat er im zweiten Satz gesagt, nicht nur von absinnt, sondern auch von Tugend

und Poesie und darum meine ich, dass dieses ganz besonders geeignet ist,

in dieser Ringvorlesung gesagt und genannt zu werden.

Nun ich folge Ihrem Beispiel, Herr Liebauer, und habe eine Gliederung gemacht.

Wir werden also einen Prolog erleben. Wir werden herausfinden, warum oder wie

absinnt entdeckt wurde. Ich werde mich sehr kurz fassen, wenn es um die

Pharmakologie hinter dem Wundermittel absinnt geht.

Wir wollen uns mit dem Glanz und Elend beschäftigen und dann aber auch sehen,

was denn nach der großen Periode des Absinns geschah. Die heilenden

Kräfte des Strauchs der Artemis. Absinnt war schon im Altertum eine

bekannte Arzneipflanze. Es heißt, dass es im Papyrus Ebers, den ich nicht selber

entziffern kann, dargestellt wird als ein Wirkstoff, der insbesondere die

männliche Potenz steigert. Im griechischen Altertum waren es dann mehr

die Frauen, die unter dem Einfluss der Artemis und des Absinns waren.

Artemisia absinthium ist eine der Artemis gewidmete Pflanze. Und so finden

wir in der alten Literatur, Frau Wittanesia, und macht mich statternd,

finden wir in der historischen Literatur viele Hinweise darauf, wie und wo

es wirken könnte. Pythagoras meint, dass es die Geburt beschleunige. Andere wie

Hippokrates weisen diesem Wirkstoff oder dieser Pflanze zu, dass sie nützlich

sei bei Rheumatismus. Sicher ist, dass sie ihre Namensgeberin, die Artemis in

irgendeiner Weise reflektiert. Und Artemis war, wie Sie ja wissen, die

jenige Göttin, die sich insbesondere den Frauen gewidmet hat und zu ihrem Schutz

zum Schutz der Ehe und zum Schutz der Geburt da war. Da verwundert ist denn ein

wenig, dass ebenfalls im Altertum Absinthextrakte oder Artemisia absinthium

Extrakte auch zur Einleitung von Fehlgeburten und zum Abort verwendet

wurden. Offensichtlich gab es auch damals schon Engelmacherinnen und so ganz

ernst hat die Artemis das ganz wohl nicht genommen, obwohl sie zu uns Männern

immer sehr unfreundlich war. Artemis soll ja dafür gesorgt haben, dass Männer nicht

überhand nehmen und zu viel zu sagen haben und als der berühmte oder der

kleine junge Mann Actaeon versuchte sie in ihrer Grotte nackt zu beobachten,

also sie war nackt, wurde er entdeckt und Artemis verwandelte ihn in eine Rehkuh

oder Hirschkuh und diese Hirschkuh wurde dann, nein, in einen Hirsch und dieser

Hirsch wurde dann demnächst von Jagdhunden zerfleddert und zerrissen.

Also ein schwieriges Verhältnis Frau, Mann, Artemis und so weiter.

Gut, später hat sich im Mittelalter die Situation deutlich verändert.

Die Hildegard von Bingen empfahl es für vieles und war der Meinung, dass es

besonders erregend sei, ein Meister der Müdigkeit oder ein Meister über die

Müdigkeit, aber auch der Name, die vielen Namen, die dieser Wirkstoff oder diese

Pflanze hatte, gibt Anlass zu Spekulationen.

So heißt es Wehrmutpflanze und viele meinten vor allen Dingen die Engländer,

dass es eine Verballhornung des Wormwood sei und aus Absinthe könnte man sich ein

vorzügliches Wurmmittel machen. Die Sachsen haben sich auch an diesen Begriff

versucht und wenn ich als ehemaliger Sachse boh Wormwood, da Wormt, da Wormt,

dann weiß man gleich, es Wärmt und es ist gut bei Erkältungskrankheiten.

Teil einer Videoserie :

Presenters

Prof. Dr. Kay Brune Prof. Dr. Kay Brune

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:42:09 Min

Aufnahmedatum

2009-11-25

Hochgeladen am

2011-04-11 13:53:27

Sprache

de-DE

Absinth war die Modedroge des 19. Jahrhunderts in Frankreich. Er verdankt seine Entstehung einer Reihe von Zufällen (Entdeckung der Mazeration und Destillation des Wirkprinzips aus der Heilpflanze Artemisia Absinthium), der Verwendung des Absinthgetränks zum Infektionsschutz von französischen Soldaten im nordafrikanischen Krieg, der Möglichkeit zur Massenproduktion im Rahmen der aufstrebenden Industrie des 19. Jahrhunderts und der symbolischen Bedeutung von Farbe, Aussehen und der historischen Verwendung. Absinth war das erste, industriell produzierte Rauschmittel, und die preiswerte industrielle Produktion erlaubte den Konsum in allen sozialen Schichten. Viele Maler und Schriftsteller glaubten an die kreativen Kräfte des Absinths. Die pharmakologischen Wirkungen des Absinths sind umstritten. In hoher Dosierung führt das darin enthaltene Thujon zu Erregungszuständen, Halluzinationen und Krämpfen. Chronisch genommen, kommt es zu Nerven- und Nierenschäden. Van Gogh kann als typisches Beispiel für die missbräuchliche Anwendung des Absinths gelten: er malte im Absinthrausch, litt unter Nervenstörungen und beging schließlich Selbstmord. Nebenher hat er aber noch viele andere toxische Substanzen eingenommen. Nach dem Verbot des Absinthkonsums begann die Blüte anderer, industriell hergestellter Rausch- und Suchtmittel: Aus dem Vin Mariani, der Kokain enthält, entwickelte sich Coca Cola, bei dem das Kokain inzwischen durch Koffein ersetzt wurde. Aufstieg, Massenkonsum und Elend des Absinthismus können als Paradigma für andere, auf industrielle Produktion fußende Missbrauchswellen von Psychodrogen und Arzneistoffen unserer Gesellschaft gelten.
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