4 - Die Welt ist an den Massentod gewöhnt … – Die „Spanische Grippe“ 1918 [ID:9853]
50 von 473 angezeigt

Liebe Herr Wieser, vielen Dank für die freundliche Einladung und die freundliche Einleitung.

Und sehr geehrte Damen und Herren, schön, dass Sie sich für dieses Thema interessieren.

Mit dem etwas unschönen Titel Die Welt ist an den Massentod gewöhnt, die Spanische Grippe 1918.

Es heißt, diese Grippeepidemie, diese Pandemie habe möglicherweise 50 Millionen Menschen das Leben gekostet.

Sie ist aber im kulturellen Gedächtnis kaum präsent.

Sie gilt als vergessene Seuche und sie ist nicht ganz so vergessen, wie das Wort Glauben macht.

Es gibt in der Medizin eine lange Tradition, sich mit dieser Grippe zu beschäftigen,

auch als Vorbild und gleichsam als Anleitung für eigenes Weiterarbeiten.

Und sie ist auch in der medizinhistorischen Forschung, auf die ich mich im Folgenden hier stützen werde, durchaus präsent.

Ich werde in den folgenden etwa 35 Minuten nach dieser Gliederung vorgehen, in zwei Punkten nämlich.

Einleitend ein Zitat in Spanien herrscht, wie die Zeitungen melden, eine neue Epidemie

und dann diese Grippe im Kontext von Medizin, Gesellschaft und Krieg hier kurz darstellen.

Ich beginne mit einem Zitat aus einem Tagebuch.

22. September 1918, sonniges Herbstwetter, Aßen abends sehr gute Eierkuchen.

Der Tag schloss mit Nachsommerlektüre.

In Spanien herrscht, wie die Zeitungen melden, eine neue Epidemie.

Anfangs die Symptome der Grippe, die aber rasch in Typhus übergehen.

Es gibt viele Todesfälle.

14. Oktober, die Grippe greift wieder um sich, zum T.K.s Mutter, hatte heißen Kopf und glaubte mich krank.

Aß aber mit gutem Appetit zu Abend und bin wohl nur müde.

26. Oktober, die Kinder haben Grippeferien und stören mich, es regnet.

Der Schreiber dieser Zeilen lebte zu dieser Zeit in München.

Und was erfährt man?

Im Mittelpunkt steht unzweifelhaft der Autor selbst.

Ihm sind die Eierkuchen so wichtig wie die Grippe.

Und die Kinder stören ihn beim Arbeiten.

Die neue Epidemie, von der wir hören, wird hier in Spanien lokalisiert.

Und zwar, so hören wir aus diesem Tagebuch, in den deutschen Zeitungen heißt es darüber in dieser Weise.

Und nun ist auch im Oktober 1918 auch München betroffen.

Auch unser Autor sieht sich gefährdet und achtet verstärkt auf seine Befindlichkeit.

Wer war es?

Die Kinder stören ihn nicht bei irgendeiner Arbeit, sondern beim Anfertigen von Weltliteratur.

Der Nobelpreis ist noch nicht in Sicht, aber das Buch, für das er den Nobelpreis erhalten wird,

elf Jahre später, ist bereits geschrieben und auch schon ein internationaler Erfolg.

Und Sie haben es erraten.

Ein sehr interessantes Mann in seinem Tagebuch,

der im Unterschied zu vielen anderen aus seiner engeren Familie keine Angehörigen verloren hat durch die Grippe.

Auch nicht seine Frau Katja, die er im Tagebuch immer als K. bezeichnet,

die gerade mit dem sechsten Kind Michael Mann schwanger war.

Andere waren nicht so glücklich.

Die Vernichtungskraft dieser Seuche zeigt sich in Einzelfällen in einzelnen Familien.

Wenn wir dieses Bild betrachten von Egon Schiele, es heißt das Kauernde Paar oder auch die Familie,

gemalt 1918.

Nun Egon Schiele hier sich selbst porträtierend mit seiner Frau Edith.

Man muss wissen, dass seine Frau Edith am 28. Oktober 1918 schwanger von der spanischen Grippe dahingerafft wurde.

Egon Schiele erkrankte ebenfalls Ende Oktober und er starb mit 28 Jahren drei Tage später,

also drei Tage nach seiner Frau, die mit dem Ungeborenen ihm vorausgegangen war.

Es gibt nun in der medizinhistorischen Literatur, auch der neueren und auch bei Wikipedia,

man weiß nicht, wer da von wem abgeschrieben hat, die Legende,

dass Egon Schiele dieses Bild in den drei Tagen gemalt habe, nachdem seine Frau gestorben war.

Teil einer Videoserie :

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:50:14 Min

Aufnahmedatum

2018-11-22

Hochgeladen am

2018-12-20 14:29:23

Sprache

de-DE

Möglicherweise 50 Millionen Menschen sind der Grippepandemie 1918-1920 zum Opfer gefallen; gleichwohl ist diese Seuche im kulturellen Gedächtnis kaum präsent. Der Vortrag macht sich auf die Suche nach einer vermeintlich „vergessenen Seuche“ und ordnet deren Verlauf und Folgen in den historischen Kontext ein.

Einbetten
Wordpress FAU Plugin
iFrame
Teilen