4 - Staat, politische Ordnung und die Krise der Legitimität in der Arabischen Welt [ID:2608]
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Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.

Funktioniert auch von einer Lautstärke, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kommilitoninnen und

Kommilitonen und ich sollte vielleicht sagen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer an den

Computerbildschirmen zu Hause, wenn Sie sich das Podcast dieser Veranstaltung in zwei

Wochen herunterladen. Es wird zur Verfügung gestellt auf der Website unserer Universität.

Deswegen haben wir Frau Kleuber hier, die die Aufnahme leitet und der ich ganz herzlich

danken möchte und ihr Mitarbeiter, die heute mit dabei sind.

Vor genau zwei Jahren hat es begonnen, was wir gemeinhin den Arabischen Frühling nennen

mit dem tragischen Ereignis der Selbstverbrennung von Mohammed Abu Azizi in Sidi Buzid in

Tunesien. Zwei Jahre, in denen viel passiert ist und ich möchte meinen Vortrag mit einem

ganz kurzen Resümee beginnen. Zunächst ist auffallend, dass die arabische Revolte, so wie

ich sie im Folgenden nennen werde, an den Monarchien weitgehend vorbeigegangen ist.

Es gab zwar Demonstrationen und gibt noch Demonstrationen in Marokko und Jordanien.

Es gab scharfe Auseinandersetzungen in Bahrain, aber gerade der Fall Bahrains, auf den ich

nachher vielleicht noch mal kurz zu sprechen komme, zeigt, dass hinter der Systemstabilität

in diesem kleinen Königreich eine monarchische Solidarität der umliegenden Staaten steht,

die in den Republiken, in den arabischen Republiken so heute überhaupt nicht mehr existiert.

Der Bürgerkrieg in Syrien, die Ereignisse in Ägypten, Tunesien, fast nirgendwo in den

arabischen Republiken hat irgendjemand versucht, einen stürzenden Präsidenten zu stützen.

Die Situation in den arabischen Republiken stellt sich völlig anders dar. Wir haben zunächst

mal, wenn wir ein bisschen weiter historisch zurückschauen, in einigen Republiken dauerhafte

Sezessionsbewegungen, die mehr oder weniger erfolgreich waren. Kurdistan hat eine weitgehende

Autonomie im Nordirak erreicht. Der Südsudan hat sich von der Republik Sudan abgespalten.

Die Westsahara, das wäre jetzt noch ein Beispiel für eine Monarchie allerdings, kämpft auch

um ihre Unabhängigkeit seit der Besetzung 1975. Es gibt darüber hinaus andere Republiken,

die von der Revolte kaum erfasst wurden, zum Beispiel der Libanon, Irak, Algerien und hier

auch nochmal ist der Sudan zu nennen, aber alle diese vier Staaten, die ich gerade genannt

habe, Libanon, Irak, Algerien und Sudan, haben gemeinsam, dass sie in den letzten zwei Jahrzehnten

durch intensive Phasen innerer Kämpfe und Bürgerkriege durchgegangen sind. Also von daher

kann man nicht sagen, dass einer dieser Staaten ein Hort von Stabilität wäre.

Wenn man sich die restlichen Staaten, die arabischen Republiken anschaut, die von der arabischen

Revolte betroffen wurden, lassen sich auch wieder zwei Gruppen bilden, nämlich erstens

Tunesien, Ägypten, Jemen, in denen die Präsidenten stürzten und mit ihnen meist die regierenden

Parteien, die politische Ordnung als solche mit ihren zentralen Institutionen aber Bestand

hatte, während in anderen Staaten, hier denken wir insbesondere an Libyen und an Syrien,

aber in gewissem Sinne auch an den Irak nach 2003, wo unter dem Druck der amerikanischen

Invasion nicht nur Saddam Hussein stürzte, die Ba'ath-Partei sich auflöste, sondern

die gesamte Staatsstruktur in sich zusammenbrach und die politische Ordnung verschwand und

alles, was dann ab 2005 geschaffen wurde, hat von der Idee der politischen Ordnung wenig

zu tun mit dem, was es vorher gab. Insofern kann man zunächst mal feststellen, dass wir

es in der arabischen Welt mit einer Legitimitätskrise zu tun haben und die Legitimitätskrise ist

das Hauptthema meiner heutigen Vorlesung. Diese Legitimitätskrise betrifft aber nicht

nur die herrschenden Regime im engeren Sinne, also die sozialen Gruppen und Personen, die

sich der Macht in den Staaten bemächtigt hat, sondern es ist eine darüber hinausgehende

Krise der politischen Ordnung erkennbar, zumindest in einigen Staaten, wie ich vorher schon

nagelegt habe, insbesondere in den Republiken. Wenn wir die Situation der Republik nämlich

noch mal in einem Satz zusammenfassen, lässt sich sagen, dass es in den letzten 20 Jahren

keine einzige arabische Republik gegeben hat, die nicht entweder Revolte, Revolution,

Bürgerkrieg oder sogar Sezession erlebt hat.

Der Begriff der Legitimität ist in der Politikwissenschaft natürlich gut verankert, gehört zu den

Teil einer Videoserie :

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

01:29:41 Min

Aufnahmedatum

2012-12-12

Hochgeladen am

2012-12-19 11:41:39

Sprache

de-DE

Die sehr unterschiedlichen Auswirkungen des arabischen Frühlings auf die Republiken und Monarchien des Nahen Ostens stehen im Mittelpunkt eines Vortrags am Institut für Politische Wissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU): Am 12. Dezember beleuchtet Prof. Dr. Christoph Schumann, Inhaber der Professur für Politik und Zeitgeschichte des Nahen Ostens an der FAU, im Kollegienhaus, Raum 2.011, Erlangen, die aktuellen Entwicklungen im Nahen Osten. Beginn ist um 18.15 Uhr.

Zwei Jahre nach Beginn des arabischen Frühlings hat sich gezeigt, dass die Monarchien weit weniger durch die Entwicklungen herausgefordert wurden als die Republiken. Aber auch in den Republiken verliefen die Revolutionen sehr unterschiedlich: In Ägypten und Tunesien wurden die autokratischen Präsidenten gestürzt und die sich auf Kosten der Bevölkerung bereichernden Regierungsparteien aufgelöst – ihre Verfassungs- und Rechtsordnungen blieben jedoch bestehen. Im Gegensatz dazu haben die Revolutionäre in Libyen das alte System Muammar Gaddafis restlos beseitigt. Dasselbe strebt nun auch die Opposition in Syrien an.

In seinem Vortrag geht Professor Schumann von einer grundsätzlichen Unterscheidung zwischen der politischen Ordnung des Staates und der diese beherrschenden Regime aus. Dabei erörtert er die Frage, wie sich die offensichtlich unterschiedliche Legitimität von Republiken und Monarchien in der gegenwärtigen arabischen Welt erklärt.

Prof. Dr. Christoph Schumann ist seit 2009 Leiter der Professur für Politik und Zeitgeschichte des Nahen Ostens an der FAU. Er studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Islamwissenschaft in Würzburg, Damaskus und Erlangen. Seine Forschungsinteressen umfassen politische Ideologien, die politische Ideengeschichte und der Wandel der politischen Systeme im Nahen Osten.

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