Ja, also Vergleichen tun wir im Alltag ständig. Beim Aufstehen bemerkt man, dass man spät dran ist.
Der Kaffee ist dünner oder etwas zu dünn geraten, draußen ist es wieder kühler geworden und warum
nur fährt der Fahrer vor mir ständig zu langsam. Der Vergleichspunkt bleibt dabei meist implizit.
Zu spät gemessen hinsichtlich der Uhrzeit, zu der ich aufstehen müsste, um rechtzeitig bei der
Arbeit zu sein. Zu dünn gemessen an der Dosierung, die ich sonst verwende, kühler als gestern oder
die vergangenen Tage. Zu langsam verglichen mit der erlaubten Geschwindigkeit. Das Abgleichen
dient hier der Orientierung an bestimmten Normen oder Normalitäten entlang derer wir das Leben
gestalten. Und manchmal bewerten wir damit auch. Zu dünn ist negativ, zu spät ist negativ, kühler
ist sie nach Witterung entweder positiv oder negativ beladen oder auch neutral. Vergleiche
können uns aber auch dazu helfen, Dinge, die wir nicht kennen, einzuordnen. Sehen wir etwa im
Obstregal eines Geschäfts eine Frucht, die wir nicht kennen, aber farblich und der Oberfläche
nach einer Zitrone gleicht, so würden wir diese womöglich als zitronenartige Frucht kategorisieren
und ihr ähnliche Eigenschaften zuschreiben, wie etwa sauer zu sein. Andererseits ist diese
Frucht dann wieder zu groß für eine Zitrone und ich frage besser mal den Verkäufer und der sagt
mir, nein das ist eine Pomelo Frucht, das ist eine Art Grapefruit und sie schmecken nicht wie
Zitronen, sondern ähnlich wie Grapefruits. Hier ist es mir dann gelungen mittels weniger Vergleiche
die Einordnung dieser für mich noch unbekannten Frucht so weit hinzubekommen und dass ich entscheiden
kann, ob ich diese jetzt kaufe und probiere oder nicht. Sie sehen, es gibt natürlich noch viele
andere Formen des Vergleichs. Ich habe jetzt nur diese zwei Arten genannt, die ziemlich häufig
vorkommen im Alltag. Das ist der sogenannte komparative Vergleich, klingt ein bisschen vom
Wort her doppelt gemoppelt, es geht aber darum, dass es die sprachliche Form des Komparatifs hat.
Also es geht immer mehr, weniger als, besser, schlechter als. Dann den kategorisierenden
Vergleich, der dient dazu Erkenntnisse zu gewinnen, aber er birgt auch die Gefahr der
fehlgehenden Identifikation, also dass ich habe diese Frucht erst einmal als Zitrone einordne und
nicht als Grapefruit. Bevor ich nun auf den historischen Vergleich zu sprechen komme,
möchte ich noch eine weitere Form des Vergleichs einführen, mit der wir es im Alltag ebenfalls
häufiger zu tun haben, nämlich den literarischen oder rhetorischen Vergleich. So etwa, wenn man
sagt, der hat sich ja gefreut wie ein kleines Kind oder ich musste schuften wie ein Ochse oder auch
der Typ ist ein Esel. Die wenigen Beispiele zeigen, dass auch diese Vergleiche ganz unterschiedliche
Funktionen haben können. Man kann sie verwenden, um etwas zu veranschaulichen oder zu bekräftigen
oder auch um jemanden zu bewerten bis hin zu diffamieren. Ein charakteristisches Merkmal der
literarischen oder rhetorischen Form des Vergleichs ist, dass dasjenige Merkmal, in dem die Ähnlichkeit
behauptet wird, nicht benannt wird, sondern auf Konventionen beruft und letztlich ist dem Empfänger
überlassen wird, wie er das verstehen möchte. So beruht die Aussage, der Typ ist ein Esel,
auf der eigentlich falschen Konvention, dass Esel dumme Tiere seien. Vollständig müsste der
Vergleich also lauten, der Typ ist dumm wie ein Esel. Aber dadurch, dass ich das dumm nicht sage,
könnte ich mich später auch rausreden und sagen, nein ich meine gar nicht, dass er dumm ist,
sondern ist nur manchmal so ein bisschen störrig und man muss ihn öfter mal auffordern.
Wichtig ist anzumerken, dass ein Vergleich nur zwischen mindestens zwei Entitäten vollzogen
werden kann, die nicht identisch sind. Das heißt, auch wenn ich mittels eines 3D Druckers nach einem
identischen Plan und identischem Material hergestellte Teile vor mir liegen habe, so sind
diese ja nicht identisch. Entweder das eine wurde entweder vorher gedruckt oder mit einem
anderen Drucker und sie nehmen eine andere Position im Raum ein. Also diese Bilder sind KI
generiert, deshalb habe ich keinen Bildnachweis und es ist vielleicht auch nicht anschaulich,
aber ich wollte es einfach mal austesten. Es bedeutet, dass Vergleiche niemals etwas
gleichsetzen, sondern die Voraussetzung besteht darin, um vergleichen zu können,
dass sie sich zumindest in einem Merkmal unterscheiden. Alle drei Formen des Vergleichs
begegnen uns auch in der Geschichte und haben auch da ganz andere Funktionen. Blicken wir
erst auf die Geschichtswissenschaft. Wie alle Wissenschaften verfährt auch diese vergleichend.
Sie bildet auf diese Weise Kategorien aus, die es uns erlauben, Ereignisse einzuordnen und besser
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:22:48 Min
Aufnahmedatum
2024-12-05
Hochgeladen am
2025-01-07 11:36:03
Sprache
de-DE