Ars erotica zur pädagogischen Kultivierung der sexuellen Lüste im Abendland.
Eine kurze Einführung.
Scencia sexualis oder Ars erotica.
Eine pädagogische Erweiterung von Michel Foucault.
Im ersten Band seiner Geschichte der Sexualität im Abendland hält
Michel Foucault mit einem durchaus bedauernden Unterton fest, dass die
abendländische Gesellschaft keine Ars erotica, sondern nur eine Scencia sexualis,
also eine Wissenschaft über Sexualität, entwickelt habe.
Während etwa China, Japan, Indien und die arabisch-islamischen Gesellschaften
im Verlaufe ihrer theoretischen und praktischen Beschäftigungen mit
der Sexualität die Praxis der sexuellen Lust sowie deren Beförderung und
Intensivierung in den Mittelpunkt gerückt haben, so habe das Abendland mit
Geständnistechniken und hermeneutischen Methoden vorliebgenommen, um der
Verborgenheit der sexuellen Wahrheit auf die Spur zu kommen.
Während beispielsweise in Asien erotische Meister-Schüler-Verhältnisse
an der Tagesordnung gewesen wären, hätten in Europa Geständnisrituale
dominiert, in denen man seine Sexualität dem Priester beichten,
dem Wissenschaftler gestehen oder in der freien Assoziation dem
Psychoanalytiker mitteilen konnte.
Ging es nach Foucault also, kurz gesagt, im Morgenland um ein praktisches
Wissen sexueller Aktivitäten und somit um die Möglichkeit einer lustbetonten,
rauschhaften und ekstatischen Sexualität?
So ging es im Abendland um ein theoretisches Wissen des sexuellen
Begehrens im Rahmen des Erlaubten und des Verbotenen.
Wenn das Abendland eine Lust entwickelt habe, dann diejenige über
die Sexualität zu sprechen.
Die abendländische Erotik sei eine des Diskurses.
Ihre Ekstasen fänden im Gedächtnisritualen statt.
Auch in der Pädagogik kann man nicht von einer Ars Erotica sprechen,
jedenfalls dann nicht, wenn man darunter versteht, dass Erziehung und Bildung
den Menschen Einstellungen und Techniken vermitteln sollen,
die sie in sexuelle Rausch- und ekstatische Lustzustände versetzen können.
In einem weiten Sinne allerdings macht die Rede von einer pädagogischen
Ars Erotica doch Sinn.
Insofern es historisch betrachtet in der Pädagogik um eine Kultivierung
der Sexualität ging, die über das Geständnis und den
erkenntnistheoretischen Zugang zur Sexualität weit hinausreichte.
Denn seit der Antike ist neben Essen und Trinken vor allem die Sexualität
im Rahmen von pädagogischen Kultivierungs- und Zivilisierungsdiskursen
behandelt worden.
Denn dort, wo es um die Arterhaltung und die Selbsterhaltung geht,
treten Bedürfnisse auf, die körperlich, impulsiv, fordernd, überschwänglich
und wenig kontrollierbar erscheinen.
Die Leidenschaften der Seele, vor allem die Selbst- und die Arterhaltungstriebe,
haben eine Tendenz zum Extremen.
Sie scheinen kaum befriedigt werden zu können und neigen zum Exzess.
Hier sind sowohl eine philosophische Lebenskunst wie eine medizinische Heilkunst
oder eben auch eine pädagogische Lenkungskunst gefragt.
Diesen Leidenschaften gilt es auch und gerade unter pädagogischer Sicht
volle Aufmerksamkeit zu widmen, um sie mit Hilfe entsprechender Maßnahmen
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
01:06:42 Min
Aufnahmedatum
2010-01-12
Hochgeladen am
2011-04-11 13:53:27
Sprache
de-DE