Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.
Dieser Bau seine Berechtigung erst durch die pathologische Sammlung bekommen hat.
Deren Umfang war unter dem Ordinarius für Pathologie Gustav Hauser so groß geworden,
dass ein Neubau seinerzeit notwendig wurde. Die Absicht, die Gustav Hauser dabei verfolgte,
war einen Tempel für die Wissenschaft zu planen. Und zwar als, ich zitiere,
ein ästhetischer Hinsicht innen und außen wohl durchgeführter Bau, der auf das empfängliche
Gemüt unserer Jugend erhebend wirken solle, während Institutsgebäude mit den nüchternen
Formen einer Fabrikanlage nur zu leicht banausische Gesinnung zu fördern geeignet sind.
Ich wünschte mir, auch an anderen Stellen unserer Universität würden sich solche Visionen
durchsetzen. Auch der Zusammenhang zwischen Geist, Gesinnung, Bildung und baulichem Umfeld
ist bemerkenswert. Kurzum, es sollte einem beim akademischen Arbeiten nicht die Decke
auf dem Kopf fallen und erst recht nicht im wirklichen Sinne.
Der eine oder andere mag jetzt auf die Idee kommen, dass die Sammlung nach der Institutsrenovierung
wieder ihren Weg zurückgefunden hat. Begeben wir uns also auf die Suche nach der pathologischen
Sammlung. Der Eingang ist durchaus tempelgleich gestaltet. Nach dem Aufgang sieht man Athene,
die christische Göttin der Weisheit und Wissenschaft. Auf dem Weg ins Obergeschoss finden sich Bilder
der Ordinarien für Pathologie, zumeist in Form einer Schwarz-Weiß-Fotografie. Von besagten
Gustav Hauser existiert sogar ein Ölgemälde. Und tatsächlich findet man einen Schriftzug
an der Wand, der einen vermuten lässt, man nähert sich mit voyeuristischer Anziehungskraft
dem Gruselkabinett der Universität. Tatsächlich handelt es sich aber nur um eine architektonisch
ausgestaltete Reminiszenz an die ursprüngliche Funktion des Baus. Hinter der Tür sehen Sie
nämlich ein einfaches Büro, gedrungen durch Zwischenebenen, um Platz zu gewinnen. Tatsächlich
geben die Anforderungen an eine moderne Pathologie strenge Raumkonzepte und Laborplanungen vor.
Der Platz wurde in der Umbauphase schnell eng und die Sammlung blieb unberücksichtigt.
Schon zuvor führte sie ein Schattendasein, wie ich gleich ausführen werde. Ihr Exil
hat sie momentan gefunden im anatomischen Institut 1. Mein besonderer Dank richtet sich
deshalb an Professor Neuhuber, der das möglich gemacht hat. Im Grund genommen ist die Sammlung
damit wieder an ihren Ausgangspunkt gelangt. Ihren Ursprung nimmt die Sammlung nämlich
in der Anatomie. Von Anfang an wurde nicht nur das normale, sondern auch das krankhafte,
abweichende, eben pathologische Befunde gesammelt. Besonders, nachdem es fördermaßen in Höhe
von 250 Gulden jährlich von der preußischen Staatsregierung gab, ein anatomisch-pathologisches
Museum aufzubauen. Man erhoffte sich, dass mehr pathologisch-anatomische Lehre in Erlangen
stattfindet. Das Gespann zweier Ordinarien ließ dies greifbarer werden. Franz von Dietrich
als Ordinarius für Innere Medizin und Josef von Gerlach als Ordinarius für Anatomie.
Beide nahmen sich der pathologischen Anatomie an, sammelten eifrig und installierten die
Sammlung nahe an die medizinische Klinik. Mit dem frühen Tod von Dietrichs musste jemand
gefunden werden, der Sorge trägt um die Sammlung und damit Kurator wird. Er wollte sogar mehr,
nämlich der erste Ordinarius für das neue und damit emanzipierte Fach der pathologischen
Anatomie, Friedrich Albert von Zenker. Unter ihm wuchs die Sammlung stetig. Sein Nachfolger
Gustav Hauser hatte darüber hinaus die Möglichkeiten des neuen Institutsgebäudes. Der wesentliche
Teil der heutigen pathologischen Sammlung stammt so auch aus seiner Zeit. Es folgten
die dunklen Jahre der deutschen Geschichte. Verantwortlich wurde Eugen Kirch Mitglied
der NSDAP und SA, der später auch von der Militärregierung entlassen wurde. Eine systematische
Aufarbeitung der Pathologiegeschichte in der NS-Zeit hier in Erlangen fehlt noch, wäre aber auch für
die Sammlung extrem wichtig. Schließlich gilt es auch museumsetische Aspekte zu beachten. Nach
unserer Einsicht in die Dokumente konnten wir nach kritischer Prüfung keinen Unrechtskontext ausmachen,
was die Herkunft der Präparate betrifft. Das wissen wir aus der lückenlosen Katalogisierung
der Präparate und vollständigen Erhalt der Sektionsbücher aus dieser Zeit. Aus diesen
lassen sich die Patientengeschichten rückverfolgen. All das ergebe ein Potential für weitergehende
wissenschaftliche Recherchen. Aktiv gesammelt wurde noch bis in die 60er Jahre hinein. Danach verdrängte
Presenters
Dr. med. Tilman Rau
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:30:15 Min
Aufnahmedatum
2014-01-30
Hochgeladen am
2014-02-04 15:33:47
Sprache
de-DE
Die Pathologische Sammlung in Erlangen, einst Kernstück des Prachtbaus Ecke Universitäts- und Krankenhausstraße, geriet in der Nachkriegszeit in Vergessenheit.
Gemeinsam mit Studierenden und durch die Förderung seitens des Projekts SammLehr der Mercator-Stiftung wird sie sukzessive in Form einer Lehrsammlung wieder verfügbar gemacht.
Bei dieser Erschließung werden medizinhistorische, ethische, präparatorisch-ästhetische und didaktische Aspekte berührt, die es zu berücksichtigen und auch an die Studierenden zu vermitteln gilt.