7 - Grundkurs Strafrecht AT I [ID:3318]
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Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.

Dann wollen wir kurz als Wiederholung zu dem, was wir in der letzten Stunde gemacht haben, uns unsere Hausaufgaben anschauen.

Der erste Fall beschäftigt sich noch mit dem Fahrlässigkeitsdelikt, weil wir das ja auch am letzten Donnerstag noch zu Ende gebracht hatten.

Folgender Fall, Sie haben es ja vielleicht auch sich ausgedruckt oder zu Hause angeschaut.

Wir haben einen Autofahrer, der fährt auf einer Landstraße, auf der eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 70 kmh gilt, längere Zeit mit 90 kmh.

Dann kommt er an ein Ortsschild, bremst ordnungsgemäß auf 50 ab bzw. sogar auf 45, fährt also ein bisschen langsamer, als er das tun müsste.

Und plötzlich springt hinter einem Parken ein Fahrzeug ein Kind hervor. Das hat sich dort versteckt, hat mit seinen Freunden gespielt, springt ganz plötzlich hervor, läuft auf die Straße.

Der T passt eigentlich super auf, fährt ohnehin auch nur 45, bremst sofort, trotzdem kann er nicht verhindern, das Kind zu erfassen.

Er wird wegen fahrlässiger Körperverletzung angeklagt. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft meint, der T habe jedenfalls fahrlässig gehandelt.

Also er wird angeklagt wegen fahrlässiger Tötung, § 222.

Zum einen sagt er, hättest du eigentlich noch langsamer fahren müssen. Du bist vorhin schon nur 45 gefahren, aber man muss doch immer damit rechnen, dass irgendwo Kinder hinter Autos vorkommen.

Eigentlich musstest du noch langsamer fahren, vielleicht 30 oder 20. Zum anderen jedenfalls, und das ist ja völlig unstreitig, bist du außerorts zu schnell gefahren, bist du 90 gefahren statt nur 70.

Das war pflichtwidrig. Und wenn du außerorts nur 70 gefahren wärst statt 90, dann wärst du ja in dem Moment, als das Kind über die Straße gelaufen ist,

noch überhaupt nicht an der Unfallstelle gewesen, sondern vielleicht als 10 Sekunden später hingekommen. Das Kind wäre bereits über die Straße gewesen und es wäre nichts passiert.

Wie würden Sie zu diesen beiden Argumenten stehen? Was würden Sie, wenn Sie den T zu verteidigen hätten, gegen diese beiden Vorwürfe sagen?

Also erster Vorwurf, du hättest ja noch langsamer fahren können, eigentlich sogar müssen, denn man muss ja immer damit rechnen, dass irgendwo Kinder über die Straße laufen.

Zweiter Vorwurf, du bist außerorts zu schnell gefahren, zwar nicht innerorts, aber außerorts zu schnell gefahren.

Und wenn du da die ganze Zeit über nur 70 statt 90 gefahren wärst, dann wärst du ja noch gar nicht an dieser Stelle gewesen, in dem Moment, als das Kind über die Straße läuft.

Wer möchte sich hier aufschwingen, den T zu verteidigen?

Sie sind alle überzeugt hier von dem, was die Staatsanwaltschaft sagt, wollen später alle einmal Staatsanwälte werden, keiner wie Verteidiger werden.

Hier, einer, der für den Rechtsstaat in die Bresche springt, sehr schön.

Also zum ersten Argument, wegen dem langsamer Fahren, das Kind wird ja auch noch langsamer fahren.

Also zum ersten Argument, wegen dem langsamer Fahren, das kann man eigentlich immer anbringen, weil er hätte auch 20 fahren können, wenn das Kind dann quasi nicht aus 10 Meter Entfernung rausgesprungen wäre, oder aus einem Meter, dann hätte er es auch noch erfasst.

Also dieses Argument kann man immer anbringen, und da muss man einfach sagen, er ist ja eigentlich schon langsamer gefahren als er sollte.

Wenn er jetzt noch langsamer fährt und alle anderen Verkehrsteilnehmer auch immer noch langsamer fahren, ist das wie dieses Beispiel an den Vorfahrtsstraßen, wenn man überall anhält, da erliegt einfach die Verkehrs- und Rechtssicherheit im Raum.

Also man muss darauf vertrauen, dass man jetzt nicht immer wegen Fahrlässigkeit angeklagt wird.

Und zum zweiten, wegen dass auch der Landstrasse zu schnell gefahren ist, da denke ich fehlt die praktische Konkordanz zur Tat an sich, weil das er davor schneller gefahren ist, hat eigentlich direkt damit nichts zu tun.

Also erster Punkt würde ich auch ganz genau so sehen, Sie sagen, man kann natürlich immer sagen, man kann noch langsamer fahren, aber irgendwo gibt es natürlich bestimmte Regeln dafür, dass ich auch weiß, wenn ich mich innerhalb dieser Regeln verhalte und ich habe keine besonderen Anhaltspunkte,

dann verhalte ich mich insofern auch pflichtgemäß. Ist klar, wenn Sie irgendwo mit 45 fahren und Sie sehen, vorsicht, rollt ein Ball auf die Straße und am Gehweg sind Kinder, die spielen, dass man dann sagt, man bremst dann erstmal runter und sagt nicht, jetzt fahre ich halt einfach mal, ich fahre nur 45,

schau mal, hoffentlich läuft kein Kind im letzten Moment auf die Straße, dann kann ich nämlich nicht mehr bremsen, das ist ja ganz klar, aber wenn Sie keine Anhaltspunkte haben, dann müssen Sie dann nicht über Gebühr langsam fahren.

Wir werden das auch noch ausführlicher machen, wenn wir uns vertieft mit dem Fahrlässigkeitsegwick beschäftigen mit dem sogenannten Vertrauungsgrundsatz, ich darf also im Straßenverkehr, solange ich mich ordnungsgemäß verhalte, darauf vertrauen, dass auch andere Leute ordnungsgemäß sich verhalten oder anders gesagt,

die im Verkehr erforderliche Sorgfalt bedeutet nicht, dass ich sozusagen alles tue, was unter irgendwelchen eventuellen Umständen zu einem Schaden führen könnte.

Bei dem zweiten Punkt, da hatten Sie auch gesagt, im Ergebnis überzeugt sich das nicht, da haben Sie gesagt, es fehlt die praktische Konkordanz zum tatsächlichen Unglück, was muss ich mir darunter vorstellen, unter der praktischen Konkordanz?

Habe ich vielleicht ein Wort vertauscht, auf jeden Fall der direkte Zusammenhang zwischen der eigentlichen Tat und dem, was mir jetzt vorgeworfen wurde, weil wir wissen jetzt, vielleicht ist er schon eine halbe Stunde in der Stadt gefahren, machen wir das Beispiel so, dass er davor irgendwann auf der Autobahn war, auf der Landstrasse überall zu schnell gefahren ist und dann in der Stadt noch einkaufen war und danach eben dieser Unfall erst passiert ist.

Also ich sage so gefühlsmäßig, das hat damit ja eigentlich nichts so richtig zu tun, jetzt sagt die Staatsanwaltschaft, na es hat schon was damit zu tun, also gerade unter diesem Gesichtspunkt, wir haben letzte Woche dieses Stichwort Pflichtwidrigkeitszusammenhang kennengelernt, wenn der hier richtig gefahren wäre, dann wäre er in dem Moment noch nicht da gewesen, also wir können im Grunde genommen die Pflichtwidrigkeit tatsächlich nicht wegdenken, ohne dass es zum Erfolg gekommen wäre.

Die Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Landstrasse hat ja nichts damit zu tun, dass er dann das Kind nicht erfasst hätte, ich meine, da hätte er auch sagen können, wäre ich 150 gefahren, wäre ich viel schneller weg gewesen, hätte das Kind auch gar nicht erst erwischt, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Landstrasse ist ja nur dafür, dass die Leute auf der Landstrasse nicht so schnell fahren, dass sie da keine Ahnung, nicht in die Kurven rutschen oder so und das mit dem Kind hat ja überhaupt nichts damit zu tun.

Also die Kollegin sagt ganz anschaulich, er kann sich ja damit verteidigen, wäre ich halt nicht nur 90 gefahren, 250, dann wäre ich schon längst an der Stelle vorbei gewesen, bevor das Kind über die Straße läuft, also irgendwie so gefühlsmäß, das hat nichts miteinander zu tun und sie sagen noch, ja auf der Landstrasse die Geschwindigkeitsbeschränkung, die gibt es dafür, dass man nicht etwa an dieser Stelle aus der Kurve rutscht oder was auch immer oder ist da Wildwechsel oder was auch sonst, sie wollten noch was ergänzen.

Zudem kann man ihm ja nicht vorwerfen, dass er schneller gefahren ist, weil das hier nicht objektiv er hätte vorhersehen können, dass da ein Kind auf die Straße rennt, bloß weil er da schneller fährt.

Also das wäre noch ein zweiter Gesichtspunkt, die Vorhersehbarkeit in dem Moment, wo er zu schnell fährt, da sagen Sie, da kann er nicht vorhersehen, dass er dann gerade deswegen zu einem bestimmten Zeitpunkt an irgendeinem Ort ist, aber ich wollte das nochmal aufgreifen, was die Kollegin gesagt hat, dieser Zeitpunkt, der er jetzt zu schnell fährt,

die Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Landstraße an genau dieser Stelle, die gibt es aus den verschiedensten Gründen, die gibt es vielleicht deswegen, weil es da wie gesagt kurvenreich ist, weil da Wildwechsel ist, was auch immer, die gibt es aber nicht deswegen, um an einem bestimmten Punkt zu einer bestimmten Zeit zu sein mit anderen Worten.

Letzte Woche ist hier das Stichwort gefallen vom Schutzzweck der Norm, letzten Endes, die Sorgfaltpflicht, die hier verletzt worden ist, nämlich fahre an dieser Stelle nicht 90, sondern nur 70, die hat nicht den Schutzzweck zu verhindern, dass man zu einem bestimmten Zeitpunkt X irgendwo an einer bestimmten Stelle Y sozusagen in der Stadt ist, sondern die bezieht sich eben genau auf diesen Bereich und das wäre dann auch etwas, was wir im Fahrlässigkeitszileg an diesem Prüfungspunkt objektive Zurechnung ansprechen könnten, wo es eben neben diesem Pflichtfähigkeitszusammenhang auch noch wichtig ist.

Und das ist das, was wir als eine Fallgruppe diesen fehlenden Schutzzweckzusammenhang gibt. Sie hatten sich noch und sie hatten sich noch gemeldet auch.

Und man könnte das ja auch ins Ewige weiterführen, wenn er an dem Tag verschlafen hätte, wäre er nicht zu dem Zeitpunkt dort gewesen, wenn er nicht geboren wäre, deswegen kann es nicht ein Argument sein, um ihn zu verurteilen.

Ja, aber das, wo Sie es darauf abstellen, das ist nicht alles, was irgendwie kausal geworden ist, das kann reichen, wobei es natürlich so ist.

Hier geht es natürlich um die Frage eines sorgfallspflichtwidrigen Verhaltens, dass man geboren wird, das ist einem wirklich nicht vorzuwerfen, das hat man nicht sorgfallspflichtwidrig herbeigeführt, aber das mit dem Verschlafen ist vielleicht schon ein besseres Argument,

dass Sie sagen, hätte er sein Wecker gestellt, hätte er hier nicht 90 fahren müssen sozusagen, also wir gehen dann immer weiter weg von dem Ereignis und dann können wir zwar immer noch sagen, das ist kausal in einem weitverstandenen Sinne von, wenn das nicht vorgefallen wäre, wäre es nicht dazu gekommen, aber man soll nicht deswegen den Wecker pünktlich stellen, damit man nicht an einem bestimmten Zeitpunkt X das Kind überfährt, hätte er den Wecker pünktlich gestellt, wäre er ohnehin schon 5 Minuten vorher sozusagen da durchgefahren und da sagen Sie zu Recht, da kann es sich darauf ankommen.

Ja, jetzt haben Sie gerade den kausalen Zusammenhang erwähnt, den ich nennen wollte, denn ich denke, wir sind uns alle einig, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen seinem zu schnell fahren und dem Eintreffen an der Stelle, wo das Kind über die Straße gelaufen ist, gibt, aber es ist ja kein Pflichtwidrigkeitszusammenhang zwischen dem zu schnell fahren dort und dem Punkt da gegeben.

Also ich weiß nicht, ob wir uns alle einig sind, wir beide sind uns jedenfalls einig, das würde ich auch so sehen, dass es eine Kausalität gibt, wir sind uns aber nicht einig, was den Pflichtwidrigkeitszusammenhang angeht, denn da würde ich sagen, hätte er sich pflichtgemäß verhalten, wäre er hier nur 70 gefahren, dann könnten wir tatsächlich sagen, es wäre nicht eingetreten, ich würde das eher mit dem Schutzzweck der Vorschrift begründen, denn wie gesagt, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, wäre er tatsächlich da nicht gewesen, aber das ist eigentlich nicht der Grund, weswegen er an der Stelle nur 70 fahren soll, damit er nicht eben zu einem bestimmten Zeitpunkt X

da in der Stadt ist.

Dann können wir auch ein Beispiel einer roten Ampel bringen, wenn die Ampel rot ist und ich über die Kreuzung fahre trotzdem und dann in 500 Metern weiter ein Kind überfahre oder anfahre, hätte man ja auch sagen können, hätte ich die Ampel nicht überfahren, wäre ich zu dem Zeitpunkt nicht da gewesen, aber es wäre ja trotzdem kein Pflichtwidrigkeitszusammenhang, da die Ampel ja nur für die Kreuzung zuständig ist und dort den Verkehr regelt.

Teil einer Videoserie :

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

01:26:34 Min

Aufnahmedatum

2013-11-05

Hochgeladen am

2013-11-05 12:25:49

Sprache

de-DE

Gegenstand der Vorlesung ist nach einer Einführung in das Gesamtsystem des staatlichen Strafens der Allgemeine Teil des StGB bzw. genauer: die allgemeinen Lehren von der Straftat (vorsätzliches vollendetes Begehungsdelikt; Fahrlässigkeit; Unterlassen; Versuch und Rücktritt; Täterschaft und Teilnahme; Konkurrenzen). Die Lehrveranstaltungen zum Allgemeinen Teil des Strafrechts sind dabei so konzeptioniert, dass bereits im ersten Semester ein Grobüberblick über den gesamten Vorlesungsstoff vermittelt wird, welchem im folgenden Semester Wiederholung und Vertiefung von Einzelfragen nachfolgen. Auf diese Weise soll zum einen im Wintersemester vermieden werden, dass die Grundstrukturen durch zahlreiche Details (d.h. also schon sprichwörtlich: „Der Wald durch zu viele Bäume“) undeutlich wird; zum anderen dient die Veranstaltung Strafrecht II im Sommersemester zugleich als Wiederholungsdurchgang.

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