Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.
Ich möchte mit Ihnen in den folgenden Minuten, in der folgenden dreiviertel Stunde ein bisschen
herausarbeiten, was Moulagen sind, warum man sie hat, warum sie tatsächlich in Wert sind,
in dem Sinne wie auf dem Titel aufgeführt, dass sie nicht nur medizinhistorisch bedeutsam
und interessant sind, sondern tatsächlich auch unter heutigen Bedingungen, vielleicht sogar
zukünftigen Bedingungen wieder einen Wert haben könnten. Schwierig ist das, wenn ich bei
anderem Publikum frage, was sind Moulagen, dann kommen alle Leute immer, wenn sie denn wissen,
dass es sich um Wachsabbildungen handelt, Madame Thussot. Und im Moment hier in Nürnberg das,
was völlig falsch ist, weil die Moulagen, das sehen wir jetzt an unseren jetzt im INS
ausgestellten Direktpatienten zugänglichen, stehen immer davor und fragen, ob das echte
Menschen gewesen sein, was in dem Fall zutrifft, aber nicht bei den Moulagen. Moulagen sind
Wachsabbildungen eins zu eins von der Krankenkörperteile und dies ist eine exemplarische und in meinen Augen,
soweit man von so was schön sagen kann, eine der schönsten Moulagen, die wir haben,
die ein junger Mann darstellt, der eine Louis, eine Syphilis vom Stadium 2 hat,
mit dem typischen Ausschlag, den man im Gesicht hat. Die Moulage ist insofern untypisch, weil sie
individuelle Merkmale darstellt. Das ist eines der wichtigsten Kriterien auf Moulagen, dass sie
sachlich neutral und nüchtern sind, eine Erkrankung darstellen, aber nicht den Menschen dazu, sondern
individuelle Menschen. Sie erkennen den, wenn sie ihn auf der Straße begegnen würden, unter Umständen
wieder. Die meisten anderen Moulagen haben, wenn es sich um Gesicht handelt, geschlossene Augen und
sind letztlich nicht auf ein Individuum zurückführbar. Diese Zusammenhänge werden wir im Folgenden noch
besprechen und wie gesagt, Madame Tissot tatsächlich wachs, aber mit Moulagen so ungefähr gar nichts zu
tun hat, weil nämlich Madame Tissot diesen, auch das sehen wir bei Moulagen immer, wenn Patienten
vor dem Schrank stehen, so diesen Gruseleffekt haben, der eindeutig nicht intendiert ist,
vom ursprünglichen Sinn der Moulagen her. Wir nähern uns mit dieser Darstellung schon mehr
Moulagen. Gilles Talrich war ein Wachskünstler im Mitte des 19. Jahrhunderts in Frankreich, in Paris,
hat dort auch ein Museum gehabt und hat eher Panoptikums Wachsdarstellungen hergestellt. Sie
sehen hier eine tatsächlich dermatologische Erkrankung, ein sogenanntes Renofym umgangssprachlicher
als Säufernase bezeichnet, die in dieser Darstellung auch wieder individualisiert erkennen,
diesen Menschen, wenn sie ihn auf der Straße sehen würden, mit Accessoires wie einer Pfeife, mit
seiner Baskemütze und so weiter, was in diesem Fall vielleicht für die Säufernase sogar zutrifft,
einen eher dem Leben zugewandten Menschen darzustellen, wobei nach allem, was wir heute wissen,
die diese Nase, egal wie man lebt und auch mit Alkohol letztlich nichts zu tun hat, das war aber
eine lang gehegte Vorstellung. Insofern passt die Moulage in sich mit den Accessoires, die dargestellt
sind, schon. Sie ist aber vom eigentlichen Sinn keine Moulage, die nämlich auf solche Accessoires
ausdrücklich verzichten würden. Das war so das Panoptikomäßige. Jetzt Karl August Ligner. Sie
kennen möglicherweise das Ligner-Schloss in Dresden, wenn sie eine Elbefahrt gemacht haben. Karl
August Ligner ist der Erfinder des Odolls und ist der Wortführer, Gründer und Protokanist der
Deutschen Hygienebewegung, die in Dresden ihren Höhepunkt hatte und in 1930, da war er aber
allerdings schon tot, 1916 ist er gestorben, zur Gründung und zum Bau des Deutschen Hygienemuseums
geführt hat und eine spektakuläre Ausstellung, die noch zu seiner Lebenszeit war, 1911 mit
fünfeinhalb Millionen Besuchern die internoziale Hygiene ausstellten. Das sage ich deswegen, weil
ein erheblicher Teil dieser Ausstellung Moulagen enthielt und damit zur öffentlichen Erziehung,
das war der Impetus dieser ganzen Bewegung, auch genutzt worden. Das Hygienemuseum hat diese
Tradition fortgesetzt, es ist das größte Zentrum in Deutschland, im heutigen Deutschland zumindest,
Moulagen hergestellt zu haben und weiter herzustellen und es ist sehr eindrucksvoll dort die
Moulagen-Sammlungen und auch die Gussformen zu sehen, die zum Teil historisch und alt sind,
aber von denen man heute noch Moulagen herstellen könnte. Das heißt, das war der Panoptikum-Teil,
eindeutig nicht bei Moulagen gedacht. Öffentliche Aufklärung ist für die Moulagen, die wir im
akademischen Bereich haben, eigentlich auch nicht gedacht und akademische Lehre, Ausbildung von
Studenten und Ausbildung oder Weiterbildung von Ärzten der eigentliche zentrale Sinn von Moulagen
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:45:16 Min
Aufnahmedatum
2015-01-29
Hochgeladen am
2015-01-30 10:57:22
Sprache
de-DE
Moulagen sind detailgetreue, dreidimensionale, lebensecht aussehende Wachsmodelle erkrankter Körperregionen. Erste Moulagen wurden bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts hergestellt. Ihre Blütezeit hatten die Moulagen zwischen 1880 und 1940, wo sie ihre größte Verbreitung in der Dermatologie fanden. Sie dienten vor allem als Studien- und Lehrmittel. Zur Aufklärung und Abschreckung wurden Moulagen von Geschlechtskrankheiten in der Öffentlichkeit gezeigt. Nachdem die dreidimensionalen lebensgroßen Wachsobjekte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die Farbfotografie fast in Vergessenheit geraten sind, wurden sie in den letzten Jahren wiederentdeckt. Sie sind einzigartige Kunstwerke, werden auch als wertvolle medizinhistorische Dokumente geschätzt, die teilweise Krankheiten zeigen, die es heute in dieser Form kaum oder nicht mehr gibt In der Sammlung der Hautklinik sind 136 Moulagen erhalten.