Ja, herzlich willkommen von mir.
Freue mich, dass Sie zu diesem Vortrag gekommen sind und ich freue mich, dass für die Theaterwissenschaft
ein Spot in dieser Illustren-Reihe Wissen wollen, dieses Mal dabei ist und möchte Sie
gerne mit auf eine Reise nehmen zum Thema Gefühle auf Probe, wie in der Oper Emotionen
ausgedrückt und erlebt werden.
Der jesuitische Universalgelehrte Athanasius Kircher, den es in der ersten Hälfte des
Jahrhunderts, wie so viele vor und nach ihm, nach Rom verschlagen hatte, konnte es kaum
fassen.
Ich fange da oben an in der Mitte.
Was aber die szenische Musik noch heutigstags zu Rom vor Wunderwirkungen habe, das ist nicht
zu beschreiben.
Die Bewegung ist oftmals so groß und heftig, dass die Auditoris, also die Zuhörerinnen
und Zuhörer, überlaut anfangen zu schreien, zu seufzen, zu weinen, sonderlich in Casibus
Tragikis.
Wenn Sie genau mitgelesen haben, haben Sie gesehen, dass da oben Autoris steht, da hat
sich Kircher oder sein deutscher Übersetzer vertippt.
Das meint Auditoris, also Zuhörerinnen und Zuhörer, die durch die Bewegung sich nicht
beherrschen können, heftig überlaut anfangen zu schreien, zu seufzen und so weiter.
Von diesen Zuhörerinnen und Zuhörern schreibt Kircher in der lateinischen Originalausgabe
weiter, dass sie sich oft nicht beherrschen können, in Geschrei, Klagen, Seufzer und
Tränen ausbrechen, er beobachtete Körper, die sich in heftigen Bewegungen entäußerten
und innere Erregungen, die sich in äußerlichen Zeichen zeigten.
Ganz Ähnliches wusste auch Federico Folino, das war der Intendant der Mantuaner Festlichkeiten
aus Anlass der Hochzeit Francesco Gonzaga mit Margarita von Savoyen im Jahr 1608 zu
berichten.
Für diese Hochzeit im Jahr 1608 hatte der Komponist Claudio Monteverdi seine heute bis
auf eine Ausnahme verschollene Oper Ariana komponiert.
Und Folino schreibt, berichtet, ich lese gleich die deutsche Übersetzung, dass Lamento
wurde mit so viel Affekt und mit so mitleid-erregenden Weisen dargestellt, dass sich kein Zuhörer
fand, der nicht weich wurde und es gab auch keine Dame, die bei Ariannas schöner Klage
nicht ein Tränchen vergossen hätte.
Was ist hier passiert?
Wovon berichten diese Zeitzeugen?
In beiden Fällen, würde ich sagen, hat die Oper in dem, was sie so besonders gut kann,
mit voller Wucht zugeschlagen, nämlich Menschen zu emotionalisieren, zu berühren, zum weinen
zu bringen, Menschen mitfiebern zu lassen.
Was Kircher und Folino hier beschreiben, gehört zu dem, was die Oper in ihrem Innersten ausmacht.
Gefühle für uns, das Publikum erlebbar zu machen, Gefühle, die unseren Emotionshaushalt
häufig bei Weitem übersteigen.
Mindestens seit der Antike haben Philosophen, Theoretiker und Musiker einhellig und wiederholt
die Macht der Musik über die Emotionen, über die menschlichen Emotionen beschworen
und ganz besonders in den Debatten um die um 1600 neu entstandene Gattung Oper, ist die
Erforschung der Affekte das zentrale Thema.
Die Erforschung der musikalischen und theatralen Darstellung der Emotionen sowie ihrer Übertragung
auf uns Zuhörerinnen und Zuschauerinnen.
Die Arbeit an und mit Gefühlen, der Produktion und Übertragung von Gefühlen.
Wenn Sie sich ein bisschen auskennen mit Emotionsgeschichte, Emotionsphilosophie,
dann werden Sie jetzt zu Recht sagen, dass es im Sinne einer sauberen historischen Kontextualisierung
natürlich jetzt notwendigerweise einer Differenzierung der Begriffe Affekt, Emotion und Gefühl bedürfte.
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
01:08:40 Min
Aufnahmedatum
2022-06-01
Hochgeladen am
2022-06-07 14:35:18
Sprache
de-DE
Beschreibung
Seit der Antike haben Philosophen und Musiker die Macht der Musik über die Emotionen beschworen, ganz besonders in Hinblick auf die Gattung der Oper. Hierbei werden Gefühle für das Publikum erlebbar gemacht, die den alltäglichen Emotionshaushalt häufig bei Weitem
übersteigen. Prof. Dr. Risi wird diese Macht der Musik über die Emotionen anhand wichtiger Stationen der Operngeschichte und visueller Beispiele in Szenen von Monteverdi, Mozart und Verdi diskutieren. Dabei geht er insbesondere der Wechselwirkung von musikalischen Strategien und dem Körperwissen der jeweiligen Zeit nach. Das performative Gegenstück zum Vortrag wird bei der Langen Nacht der Wissenschaften am 21.05. in Erlangen stattfinden. Die mehrfach ausgezeichnete Opernregisseurin Sandra Leupold und die Sängerin Katarzyna Rabczuk werden in einer Live-Opernprobe der Arie der Donna Elvira „Mi tradì“ aus Mozarts „Don Giovanni“ der Frage nachgehen, ob und wie extreme Emotionen einer Opernfigur und deren gewünschte Effekte auf das Publikum geprobt – also ausprobiert – werden können.