Herzlich willkommen zur Vorlesung Banken und Finanzkrisen 1154 bis 2010. Wir werden uns heute mehr mit 2000 und 1900 beschäftigen als mit dem 12. oder 13. oder 14. Jahrhundert.
Aber wir werden auch so ein paar historische Ausflüge machen. Also heute geht es um die makroökonomischen Konsequenzen von Bankenkrisen.
Wir fangen mal mit diesem Bild an aus den 30er Jahren in den USA. Wie Sie sehen, hier gibt es freien Kaffee und freie Donuts für die Arbeitslosen.
Sie sehen eine lange Schlange. Und das, glaube ich, zeigt sehr schön die Dramatik der Lage, die wir in den 30er Jahren hatten.
Also nicht nur sehr hohe Arbeitslosigkeit, sondern vor allen Dingen auch Armut. Also bittere Armut und wirklich ein sehr hartes Los für diejenigen, die hier von der großen Depression, von der Weltwirtschaftskrise betroffen waren.
Und wie wir letzte Woche gesehen haben, hat ja die Bankenkrise eine sehr große Rolle gespielt in der Great Depression oder in der Weltwirtschaftskrise.
Wir wollen uns heute einige Aspekte anschauen der makroökonomischen Konsequenzen, Effekte von Banken- und Finanzkrisen. Jetzt können Sie vielleicht fragen, ja warum gerade Banken- und Finanzkrisen?
Wir könnten ja auch andere Krisen betrachten. Was ist das Besondere an Banken? Das Besondere ist, ich glaube ich habe letzte Woche schon das angesprochen, dass eben das ganze Banken- und Finanzsystem so etwas wie das Schmiermittel der gesamten Wirtschaft ist.
Die Wirtschaft funktioniert ganz einfach nicht. Wir die Banken bündeln Ersparnisse der einzelnen Einleger, der Sparer und geben sie weiter als Kredite.
Der Zahlungsverkehr ist abhängig vom Bankensystem. Wenn all das zusammenbricht, dann bricht auch die Wirtschaft insgesamt zusammen.
Und das ist eben die Motivation für diesen Abschnitt. Uns ganz einfach anzuschauen, was passiert dann eigentlich mit solchen zentralen makroökonomischen Größen wie gesamtwirtschaftliche Produktion,
also BIP, Bruttoinlandsprodukt. Ich weiß nicht, ob ich das nochmal hier definieren muss oder ob Sie alle eine hinlänglich genaue oder auch verschwommene Vorstellung davon haben, was mit dem BIP gemeint ist, Bruttoinlandsprodukt.
Dann schauen wir uns kurz an die Effekte auf die Staatsverschuldung. Und die zwei nächsten Aspekte Außenhandel und Inflation sind eigentlich etwas, was oft so am Rande der Betrachtung steht.
Die Effekte auf Produktion und auch Beschäftigung, das was ich hier ganz rauslasse, sind oft offensichtlich, werden auch oft behandelt und deswegen schauen wir uns gerade die beiden Aspekte hier ein bisschen genauer an, die nicht so im Zentrum der Betrachtung stehen.
Also Außenhandel einerseits und Inflation. Also wie wird gesamtwirtschaftliche Produktion und im gewissen Ausmaß dann auch Arbeitslosigkeit betroffen von Banken und Finanzkrisen. Was passiert mit der Staatsverschuldung, was passiert mit dem Außenhandel und was passiert mit der Inflation sind die Themen, mit denen wir uns jetzt hier beschäftigen wollen.
Bevor wir das machen, wir schauen uns an hier in dieser Grafik die Häufigkeit von Bankenkrisen. Das ist eine Studie von Carmen Reinhardt und Kenneth Rogoff entnommen diese Grafik und die zeigt sehr schön für das 20. Jahrhundert wie sich die Krisen entwickelt haben.
Die Banken und Finanzkrisen, die Bankenkrisen hier in diesem Fall und wir haben hier also auf der horizontalen Achse die Zeitachse von 1900 bis 2008. Auf der vertikalen Achse haben wir den Prozentsatz von Ländern, die von Banken und Finanzkrisen betroffen sind und dieser Prozentsatz ist nach der
Wichtigkeit der Länder gewichtet, jetzt nicht nach politischer Wichtigkeit, sondern nach ökonomischer Wichtigkeit also mitgewichtet. Und wir sehen hier einmal die Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren als sehr, sehr starken Ausschlag.
Wir sehen vorher auch schon 2007 eine ganz, ganz heftige, aber relativ kurze Krise in den USA. Krisen, die zusammenhängen mit dem ersten Weltkrieg in den 20er Jahren, eigentlich auch recht heftige Krisen, auch das hatten wir ja letzte Woche schon gesehen, diese sehr starken Bankenkrisen in den USA in den 20er Jahren mit ungefähr 50 Bankenzusammenbrüchen pro Monat.
Über den ganzen Zeitraum der 20er Jahre. Und dann hier diese Phase der Ruhe, da ist gar nichts passiert. Hier hatten wir den zweiten Weltkrieg, also da waren die Politiker und Menschen mit anderen Sachen beschäftigt, als jetzt Banken zusammenbrechen zu lassen.
Aber dann diese lange Phase der 50er Jahre und der 60er Jahre bis Anfang der 70er Jahre, wo gar nichts passiert ist, wo es überhaupt gar keine Bankenkrisen gab. Nirgendwo in der Welt, gar keine.
Und dann mit dem Anfang der 70er Jahre ist das Phänomen der Bankenkrisen zurückgekommen und hier haben wir, jetzt sind wir in den 80er Jahren, mehrere Bankenkrisen. Wir haben Bankenkrisen nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch in Industrieländern, in den skandinavischen Ländern, in Finnland, in Norwegen, in Schweden.
In Japan. Wir haben die Ostasienkrise 1997 bis 1998. Also schon hier ein wirklich sehr starker Anstieg der Bankenkrisen, der Häufigkeit von Bankenkrisen.
Dann zu Beginn dieses Jahrhunderts ein Rückgang, also die Ruhe vor dem Sturm, könnte man jetzt sagen im Nachhinein. Das ist hier abgeschnitten, aber wir wissen, wir haben jetzt hier einen rasanten Anstieg mit der Subprime-Krise und der gegenwärtigen internationalen Banken- und Finanzkrise.
Interessant ist diese Periode. Warum ist da nichts passiert? Warum gab es keine Bankenkrisen so lange? Bitte? Sehr schön. Ja, genau. Also wir hatten ja in der ersten Vorlesung gleich gesehen, dass die Studie von Philippon gezeigt hat, es gab hier diese Periode der sehr starken Regulierung.
Das war bezogen auf die USA, des gesamten Banken- und Finanzsystems, aber in exakt der gleichen Form oder fast der gleichen Form, auch in vielen, vielen anderen Ländern.
Also der Bankensektor war ganz einfach so stark reguliert, dass da die Aktivitäten sehr stark beschnitten waren. Also den Spruch, den man hatte, der Banker folgt der 3-6-3-Regel. Ich glaube, ich habe es schon gesagt.
Also zu 3% Zinsen aufnehmen, zu 6% vergeben und um 3 Uhr zum Golfkurs zu gehen. Also langweilig, da ist nichts passiert. Der Finanzmarkt und der Bankenmarkt waren sehr stark reguliert.
Dann begann die Phase der Deregulierung eigentlich auch in Bezug auf das Wechselkurssystem. Wir hatten ja das System fester Wechselkurse, das sogenannte Bretton Woods System bis 1973.
Das war auch zusammengebrochen. Aber im Folge dazu sind sehr viele Regulierungen des Banken- und des Finanzsystems sehr stark zurückgefahren worden. Es gab in London den sogenannten Big Bang, also die sehr starke Deregulierung der City, um die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes London zu stärken, aber auch in vielen anderen Ländern.
Da haben die Frankfurter Banken aufgeschrieben und gesagt, jetzt sind wir im Nachteil, jetzt muss auch hier dereguliert werden. Und so hatte man das als internationalen Prozess. Also es gab einen Wettlauf um Deregulierung.
Und das Ergebnis sehen Sie hier, also ein sehr starker Anstieg von Banken und auch von Finanzkrisen. Ja, das ist der Überblick. Also das zeigt nur, das sind jetzt keine isolierten Phänomene.
Wir hatten eine Phase, in der wir gar keine oder fast gar keine Bankenkrisen hatten. Auch das können wir eben sehr schön dadurch erklären, dass wir hier sehr starke Regulierung des Banken- und des Finanzsektors hatten.
Jetzt zu der Frage, was passiert mit solchen zentralen makroökonomischen Größen wie wirtschaftliche Produktion, was passiert mit dem BIP? Die Daten, die ich hier habe, beziehen sich nicht auf das BIP, sondern auf die Industrieproduktion.
Wenn man BIP-Daten nimmt, dann hat man nur eine Datenfrequenz von Quartalsdaten. Denn die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung basiert immer nur grundsätzlich in allen Ländern, immer nur auf Quartalsdaten.
Und wenn man eine höhere Datenfrequenz hat, dann nimmt man als Ersatzvariablen typischerweise Industrieproduktion. Und das haben wir hier auch.
Diese Grafik stellt die Frage nicht nur, was ist mit der Industrieproduktion weltweit passiert in verschiedenen Ländern seit dem Ausbruch der Subprime-Krise, sondern stellt auch die Frage, wie ist die Entwicklung heute im Vergleich zur Weltwirtschaftskrise, zur Great Depression?
Und das wird dadurch gemacht, dass wir einfach einen Basiszeitpunkt auf 100 setzen. Für die Weltwirtschaftskrise ist das der Juni 1929. Hier haben wir einen Indexwert für die Industrieproduktion von 100.
Und jetzt wird einfach nur verfolgt für die Weltwirtschaftskrise, wie hat sich die Industrieproduktion weltweit, also in den wichtigsten Industrieländern entwickelt. Und was wir hier sehen, ist dieser dramatische Einbruch und der lange Einbruch.
Die Daten, wie gesagt, sind auf monatlicher Basis, also nach 12 Werten ist ein Jahr vorbei. Aber wir fangen an zu zählen für die Weltwirtschaftskrise im Juni 1929.
Und wir fangen an zu zählen für die Subprime-Krise im April 2008, auch mit einem Indexwert von 100. Also wir sehen, dass so ungefähr nach drei Jahren der Tiefpunkt erreicht ist und nach ungefähr 36 Monaten der Tiefpunkt erreicht ist für die Industrieproduktion.
Schauen Sie sich das an. Das ist ein Rückgang um mehr als ein Drittel der Industrieproduktion. Und das ist dramatisch. Das erklärt dann auch, warum wir diese Armut hatten, die hohe Arbeitslosigkeit und die sehr starke Verzweiflung der Menschen in dieser Situation.
Und jetzt war natürlich die große Sorge, dass so etwas Ähnliches passieren könnte. Also auch eine Kernschmelze am Bankenmarkt, der Zusammenbruch von Lehman Brothers, den ich ja geschildert habe.
Und jetzt hat man gemerkt, ja, sofort bricht die Konjunktur ein. Die Produktion geht zurück, auch die Industrieproduktion. Und wenn Sie sich das anschauen, ist das Ausmaß, das wir so in den ersten 12 Monaten hatten nach Ausbruch der Banken- und Finanzkrise so ungefähr,
vergleichbar mit dem, was wir erlebt haben in der Weltwirtschaftskrise. Der Unterschied ist hier nach einem Jahr. Ja, ich kann nicht sagen, der Spuk war vorbei, beileibe nicht.
Aber die große Gefahr war vorbei. Also der sehr starke Abschwung war vorbei. Es ging hier nicht weiter, sondern die Wirtschaft hat sich jetzt tatsächlich erholt.
Das Gröbs überstanden kann man eigentlich auch nicht sagen, weil wir hier mit dem Index werden noch immer, und wir sind jetzt hier so bei anderthalb Jahren, würde ich schätzen, noch immer deutlich über 100 sind.
Also die Industrieproduktion ist insgesamt noch sehr viel geringer. Aber wir sehen schon, also wir haben nicht diesen totalen Absturz in die Katastrophe, den wir damals hatten während der Weltwirtschaftskrise.
Im Übrigen, was die Bezeichnung jetzt betrifft, Subprime-Krise sage ich oft, es hat begonnen als Subprime-Krise, aber wir haben gesehen, es ist eine universelle Banken- und Finanzkrise eigentlich geworden.
Und es gibt jetzt verschiedene Bezeichnungen, die für diese Krisen eingeführt werden. Zur Weltwirtschaftskrise sagt man oft The Great Depression.
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
01:41:15 Min
Aufnahmedatum
2010-07-13
Hochgeladen am
2018-12-12 15:44:13
Sprache
de-DE