Danke sehr, lieber Herr Kötter, lieber Herr Wieser.
Das war wirklich eine lange Geschichte, die in eigenem Vortrag wäre,
bis ich endlich hier gelandet bin.
Und was lange werte, ist nun gut geworden und geht jetzt auch los.
Ich möchte sprechen über Überreste des Gewesenen und Geschehenen.
Die materielle Überlieferung der Medizin und die Medizingeschichte.
Und ich möchte Sie erst damit vertraut haben, machen, wo ich mein Zitat herhabe.
Das habe ich von Johann Gustav Dreusen, dem Grundriss der Historik Leipzig 1868 in der ersten Auflage erschienen.
Dreusen gilt als der Gründervater der Geschichtswissenschaft überhaupt.
Die, wie fast alle anderen Wissenschaften auch, in der zweiten Hälfte, im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts,
ihre wesentliche Prägung der Moderne erfahren haben, denken Sie an die naturwissenschaftliche Medizin mit Virchow.
Das ist etwa gleichzeitig und verschiedene andere Wissenschaftsbereiche, insbesondere in den Naturwissenschaften.
Aber eben, und das wird häufig vergessen, gerade auch in den Geisteswissenschaften,
die da ganz neue methodische Grundlegungen erhalten und die ja gemeinsam mit den Naturwissenschaften eigene gemeinsame Fakultäten haben.
Denn das sind erst einmal die neuen Wissenschaften, die sich dann als philosophische und naturwissenschaftliche Fakultäten formieren,
die in der Regel erst Anfang des 20. Jahrhunderts auseinandergehen.
Und daneben gibt es die bereits mittelalterlichen Fakultäten in aufsteigender Reihenfolge,
die medizinische, die juristische und die theologische als höchste.
Und Reusen schreibt uns gleichsam ein Stammbuch, das Gegebene für die historische Forschung sind nicht die Vergangenheiten,
denn diese sind vergangen, sondern das von ihnen in dem Jetzt und Hier noch Unvergangene,
mögen es Erinnerungen von dem, was war und geschah, oder Überreste des Gewesenen und Geschehenen sein.
Das heißt, wenn wir historisch argumentieren und wenn wir Geschichte als Wissenschaft betreiben wollen gar,
dürfen wir nicht vollständig vergessen, dass wir erstens selber Gegenwartsmenschen sind mit einem Gegenwartsverständnis
und dass wir als ganz grundlegende methodische Voraussetzung nur gegenwärtig Vorhandenes uns anschauen können.
Was nicht da ist, kann man nicht analysieren.
Und das, was unsere Lektüre verändert, etwa von der Lektüre einer Philosophin oder eines Literaturwissenschaftlers,
ist, dass wir uns auf einen Aspekt konzentrieren, nämlich dass wir uns über den Überrestcharakter versuchen, schlau zu machen.
Also nicht ist das systematisch ein kluges Argument, zum Beispiel, in dem Text, ist das eine schöne Erzählung nach bestimmten Mustern,
ist das eine Reinform, die bei was auch immer hilft, sondern das, was uns interessiert, ist, was macht dieses Stück aus als Überrest?
Was sagt uns dieses Stück aus der Zeit, in der es entstanden ist?
Das heißt, das Stück selber wird nicht zeitlos betrachtet, sondern ist ein Zeugnis oder eine Quelle.
Und als Quelle hat es immer Überrestcharakter.
Und auf diesem Wege möchte ich mich fortbewegen und vor allen Dingen über Dinge sprechen.
Denn üblicherweise ist die Geschichtswissenschaft seit draußen einmal mindestens ganz gut darin geschult, mit Texten umzugehen
und relativ wenig darin geschult, mit dinglicher Überlieferung umzugehen,
für die ja dieses Kriterium des Überrestes noch viel anschaulicher zutrifft, die aber unter Umständen schwieriger zu fassen ist.
Und das ist meine Gliederung als Ergänzung zu dem Eingangszitat, noch zwei Sätze zur Dinglichkeit historischer Überlieferung.
Und dann geht es um die Dinge, die in den Punkten zwei bis vier Dinge sind aus der medizinischen Sammlung, also der Sammlung, die ich leite.
Und ich habe abschließend noch einen Kapitel gemacht zu den Humanpräparaten.
Da geht es um heute Abend zwei Stücke aus der anatomischen Sammlung.
Und die Frage macht das etwas aus, welchen Unterschied macht das, wenn das Ding, was wir uns anschauen,
sich eigentlich etwas dagegen sträubt, von uns Dingen genannt zu werden, weil es von einem Menschen stammt.
Wie haben wir es da mit der Dinglichkeit zu tun und was sagt uns das über die Medizin?
Historische Überlieferung ist genau genommen immer dinglich.
Ich zeige Ihnen hier ein Konvolut von Texten, was tatsächlich erst vor relativ kurzer Zeit, nämlich 2017, aufgetaucht ist.
Es ist die märchenartige Geschichte, von der ich schon als Geschichtsstudent und wenn ich sogar schon als Schüler geträumt habe,
irgendwo hinzugehen und etwas Uraltes zu finden, was noch keiner vor mir gesehen hat.
Und wir haben den Korrespondenznachlass, also eine Anzahl von Briefen eines extrem bedeutenden Arztes der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts,
nämlich Johann Lukas Schönlein, gefunden, tatsächlich in Erlangen auf einem Dachboden.
Wir machen uns nun daran, das zu akzeptieren, aber wenn man mit diesen Papieren einmal dargesessen hat, sie in der Hand gehabt hat,
Presenters
Prof. Dr. Fritz Dross
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:51:48 Min
Aufnahmedatum
2022-07-21
Hochgeladen am
2022-08-29 12:12:35
Sprache
de-DE