2 - Stammzellforschung: Therapeutische Perspektiven neuraler Stammzellen [ID:538]
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Welche Stammzellen können wir überhaupt benutzen für solche Therapien von Erkrankungen des Gehirns?

Ich möchte das nur noch ganz kurz rekapitulieren. Ich denke, das hat der Nitschke und Herr Fay,

meine Vorredner eben auch schon, ausführlicher besprochen. Die Definition der Stammzelle bezieht

sich letztendlich auf zwei Eigenschaften. Zum einen, sie können sich selbst reproduzieren,

sie können sich bei der Zellteilung selbst erneuern durch symmetrische Teilung.

Fay hat von der Expansionsphase gesprochen. Sie können sich aber auch asymmetrisch teilen.

Das heißt, eine Mutterzelle bleibt Mutterzelle und die Tochterzelle geht dann in eine Differenzierung.

Sie kann letztendlich die Zellen des Organs und hier jetzt im Gehirn, also die der Nervenzellen

und der Stützzellen, der Gliazellen nachbilden. Sicherlich ist ein Problem im Gehirn, dass wir

nicht einen Nervenzelltyp haben, sondern eben 500 verschiedene Nervenzelltypen. Wir haben verschiedene

Botenstoffe, wir haben verschiedene Funktionen. Das ist alles sehr komplex, deswegen sind wir da noch ganz am Anfang.

Aber hier geht es prinzipiell mal um den experimentellen Beweis, dass wir aus solchen Stammzellen

tatsächlich Nervenzellen bilden können. In meinem Institut arbeiten wir ausschließlich mit

adulten Stammzellen des Gehirns. Zum einen aus vielleicht einer eigenen ethischen Anschauung,

aber auch auf der anderen Seite natürlich auch ganz klar aus einem wissenschaftlichen Interesse,

aus der Herausforderung, etwas über diese Zellen zu lernen, etwas vielleicht auch überhaupt über

die Entwicklung des Gehirns zu lernen und Möglichkeiten zu eröffnen, bestimmte Erkrankungen in Zukunft

vielleicht heilen zu können. Also möchte ich jetzt einmal Ihnen diese Stammzellen vorstellen. Wo liegen die eigentlich im Gehirn?

Ich zeige Ihnen einmal einen Schnitt durch das menschliche Gehirn. Als Neuropathologe geht man ja mit diesen Geweben

berufsmäßig um. Das ist ja unsere letzte ärztliche Untersuchung, die uns eben erlaubt, das Gehirn anzuschauen.

Und ich kann Ihnen versichern, dass es bis jetzt keinem wirklich gelungen ist, diese Zellen sichtbar zu machen.

Es sind viele erfahrene Anatomen, Pathologen, Histologen vor mir auf der Suche gewesen und konnten diese Zellen nicht finden.

Es ist eben sehr schwierig. Man muss experimentelle Strategien entwickeln und die konnten ihm zeigen, dass diese Stammzellen

wahrscheinlich nicht in allen Abschnitten des Gehirns liegen, sondern es gibt bestimmte Regionen, die bevorzugt solche Stammzellen enthalten.

Zwei dieser Regionen habe ich Ihnen auf diesem Schnittpräparat herausgehoben. Das ist zum einen die Wand der Hirnkammern,

der sogenannten Ventricle. Sehen Sie hier, im Zentrum des Gehirns sind solche flüssigkeitsgefüllten Kammern auf beiden Seiten.

Hier der beiden großen Hemisphären, hier auch der dritte Ventricle und hier an der Wand. Dort liegen Zeitlebens-Stammzellen,

adulte Stammzellen. Und eine zweite Struktur möchte ich Ihnen vorstellen, die halte ich für außerordentlich spannend.

Das ist eine vielleicht der meist untersuchte Struktur im menschlichen Gehirn überhaupt, ist der sogenannte Hippocampus.

Das ist ein interessanter Name, kommt aus dem Griechischen. Wurde im 16. Jahrhundert von dem italienischen Anatom Arantius ausgewählt.

Er hatte nämlich in einem Horizontalschnitt des Gehirns diesen Hippocampus beschrieben und ihm die Form eines Seepferdchen angedacht.

Und das ist tatsächlich so, man mit ein bisschen Fantasie, nicht auf dieser Schnittebene, sondern auf einer anderen Schnittebene, hat der Hippocampus die Form eines Seepferdchens.

Und ich werde jetzt in den nächsten Folien über die Stammzellen vor allem im Hippocampus richten.

Prinzipiell sind die Systeme sehr gleich und ich glaube, daher ist es in Ordnung dort, sich auf diese Struktur zu fokussieren.

Das ist jetzt eine schematische Darstellung der Anathomie des Hippocampus. Sie sehen hier diese blaue Region,

das ist eine Nervenzellschicht, dort sind die Nervenzellen in diesem Hippocampus zusammengefasst, sehr kompakt stehend.

Und dieses kleine Viereck soll ihm jetzt einen Ausschnitt bieten, dass es in anderen Abbildungen wiederkommt.

Und hier sehen Sie dieses Nervenzellband, das ist die Funktion des Hippocampus, diese spannende Funktion, über die ich auch noch kurz berichten werde, bedingt.

Die Stammzellen liegen hier an der Basis dieses Nervenzellbandes, das sind diese roten Zellen, die sich eben selbst reproduzieren können,

hier durch diesen Pfeil markiert, aber eben durch eine sogenannte asymmetrische Teilung ihnen auch gelingt, Tochterzellen zu bilden.

Und diese Tochterzellen, die differenzieren sich nun durch einen sehr komplizierten molekularen Signalweg in Nervenzellen.

Und die integrieren in dieses vorbestehende Nervenzellband und sind nachher nicht mehr unterscheidbar in Struktur und Funktion von den reifen Nervenzellen des Hippocampus.

Und das sind die Originalbilder hier aus dieser Arbeitsgruppe um Fred Gage, die Bilder sind von Georg Huen, der dort in San Diego gearbeitet hat.

Und Fred Gage gehört vielleicht zu den genomiertesten Wissenschaftlern unseres Jahrhunderts, wenn man zumindest den amerikanischen Journalen und Umfragen eine Glaubensschenkung darf.

Und vielleicht sogar einer der zukünftigen Anwärter auf den Nobelpreis.

Im Wesentlichen diese Neurogenese, also die Bildung, die Neubildung von Nervenzellen, Neurogenese entdeckt hat.

Hier der Nachweis von sich Teilen der DNA in den Zellen, die kann man zeitlebens in diesen Tieren, das sind Tiermodelle hier, nachweisen.

Und eben diese gelben Punkte hier, das sind diese neu gebildete DNA und die sich dann eben letztendlich in der Färbung nicht mehr von den anderen Zellen unterscheiden.

Und auch nicht mehr in der Funktion.

Denn, meine Damen und Herren, Funktion des Hippocampus hat etwas mit Gedächtnisleistung zu tun, aber da möchte ich gleich darauf zu sprechen kommen.

Teil einer Videoserie :

Presenters

Prof. Dr. Ingmar Blümcke Prof. Dr. Ingmar Blümcke

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:29:56 Min

Aufnahmedatum

2007-11-29

Hochgeladen am

2017-07-20 14:56:35

Sprache

de-DE

Viele Erkrankungen des zentralen Nervensystems lassen sich mit den heutigen Therapie-Standards nur unzureichend bzw. gar nicht behandeln. Durch die rasante Entwicklung der Stammzellforschung könnten sich hier für in Zukunft neue Möglichkeiten eröffnen. So wäre z.B. bei Morbus Parkinson aufgrund des sehr umschriebenen Nervenzellausfalls die Transplantation von Stammzellen möglich, um den Verlust des Signalbotenstoffes Dopamin selektiv zu ersetzen. Eine andere Erkrankungsform wäre die Multiple Sklerose. Hier fehlt dem Gehirn an mehreren Stellen eine Zellpopulation von sog. Oligodendrozyten (Stützzellen), welche durch Transplantation von Stammzellen zumindest im Tiermodell derzeit bereits ersetzbar wäre. Eine dritte Option stellt die traumatische Schädigung des Gehirns bzw. des Rückenmarkes dar. Aufgrund der aktiven Behinderung von Zellregeneration im Erwachsenengehirn bzw. Rückenmark käme hier eine Option durch Transplantation von Stammzellen durchaus in Betracht. Die Möglichkeiten der derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisse und Ansatzwege sollen in dem Vortrag angesprochen und kritisch diskutiert werden.

Tags

Forschung Stammzelle Therapie
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