7 - Zwischen religiöser Institution und pädagogischer Letztverantwortung. Kritische Impulse des Deutschen Wissenschaftsrats für die Ausbildung von Lehrkräften für den islamischen Religionsunterricht [ID:1351]
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Ich begrüße Sie, meine Damen und Herren, so wie es sich gehört, mit Grüß Gott und vielleicht

auch mit dem islamischen Friedensgruß Assalamu alaikum, von dem der Überlieferung nach Muhammad

gesagt hat, begrüße mit dem Gruß den, den du kennst und den, den du nicht kennst.

Der etwas längliche Titel meines heutigen Vortrages verweist auf ein interessantes Spannungsfeld,

welches sich an unserer Universität entwickelt. Sie haben es vielleicht den Medien entnommen.

Die Universität Erlangen-Nürnberg bewirbt sich um die Bundesgelder für den Aufbau islamischer

Studien, gemäß den Empfehlungen des Deutschen Wissenschaftsrats vom Januar 2010.

Diese Empfehlungen des Wissenschaftsrats wurden auch in muslimischen Kreisen aufmerksam wahrgenommen,

weil sie mit dem Abschnitt A53 Islamische Religionspädagogik und Islamische Religionslehre

auf den Fachbereich Islamische Studien und in diesem Zusammenhang auch auf Islamische

Religionspädagogik zu sprechen kommen. Dort steht neben Begriffen wie Imam-Ausbildung,

die aus der Presse hinlänglich bekannt sind, auch die Frage der Ausbildung von Lehrkräften

für das Fach Islamische Religionslehre an den öffentlichen Schulen in Deutschland oder

die Forderung nach Nachwuchsförderung im Zentrum der Aufmerksamkeit. Vielleicht ein Hinweis,

das Finanzvolumen dessen, was von Seiten des Bundes vorgesehen ist, beläuft sich auf

circa 5 Millionen Euro. Und was die komplementären Nachwuchsförderungen durch die Mercator-Stiftung

angeht, auch das wurde ja über die Pressestelle der Universität publiziert, da sind wir mit

dabei. So hat die Mercator-Stiftung 3,6 Millionen Euro in die Hand genommen, um für die nächsten

sechs Jahre einen gratuierten Kollege Islamische Studien aufzubauen und zu fördern. Sie sehen

also, die Summen verweisen auf einen bestimmten Hintergrund, nämlich den des öffentlichen

Interesses. Worin präzise dieses öffentliche Interesse besteht oder das höhere Interesse,

wenn Sie so wollen, das wird im Laufe meines Vortrags deutlich werden. Ein Zyklus von

Fachtagungen im Sommer letzten Jahres zu theologischen Fragen in Berlin, zu religions-verfassungsrechtlichen

Fragen in Münster und speziell zu Fragen der islamischen Studien in Köln hat diese

gesamte Thematik in der wissenschaftlichen Gemeinschaft noch einmal diskutiert, was

auch eine Menge dazu publiziert worden. Im Übrigen, diese Beiträge stehen alle auch

auf der Website des Wissenschaftsrats, da sind eine ganze Menge interessante Aufsätze

zu den islamischen Studien im weiteren Sinne. Ich möchte mich beschränken aber nun auf

den Aspekt der Religionspädagogik. Religionspädagogik, meine Damen und Herren, wird in der Öffentlichkeit

nicht als zukunftsweisender Fachbereich wahrgenommen. In den Augen jener, die sich mit ihr beruflich

auseinandersetzen, gilt sie als eine typische Anwendungsdisziplin, die eine Reihe von Dingen

zu leisten hat. Was von ihr erwartet wird, verweist weniger auf die Religionspädagogik

als forschende Disziplin, sondern auf bestimmte berufliche Handlungsfelder, in denen Religion

zum Thema wird, zum Beispiel der schulische Religionsunterricht. Was die Universität angeht,

muss gelegentlich in Erinnerung gerufen werden, dass die Religionspädagogik eine eigene wissenschaftliche

und besonderen akademische Tradition pflegt. Was heißt das konkret und was ist islamische

Religionspädagogik? Eine Pädagogik des Islams oder eine Pädagogik von Muslimen für Muslime,

irgendeine Sonderpädagogik für Sonderlinge in einer besonderen Situation? Die Zukunft

islamischer Religionspädagogik erschöpft sich ja nicht darin, dass muslimische Professoren

muslimische Lehrkräfte ausbilden, muslimische Schülerinnen und Schüler in einem islamischen

Religionsunterricht mit Islam zu beschulen. Die mit den unterschiedlichen Religionen

implizierten Einheiten des jeweils eigenen Bekenntnisses, spezifischer normativer Strukturen

und dazugehöriger Personen verweisen auf das, was von Religionsgemeinschaften in Abgrenzung

voneinander als ihre eigene Deutungs- und Gestaltungsmacht identifiziert wird, nicht

aber auf ein wissenschaftlich begründetes Paradigma. Religionspädagogik steht deshalb

im Dienste dessen, was in den Zuständigkeitsbereich institutionalisierter Religionen fällt und

wird gern als die Wissenschaft von der schulischen Vermittlung im Dienste etablierter Theologie

verstanden, dies in das weniger von Religionspädagogen selbst als vielmehr von solchen, die das in

Anspruch nehmen. Zum Konfliktfall für die islamische Religionspädagogik kann dabei

werden, dass sie als akademische Disziplin in Deutschland gegenwärtig besser etabliert

Teil einer Videoserie :

Presenters

Prof. Dr. Harry Harun Behr Prof. Dr. Harry Harun Behr

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

01:29:16 Min

Aufnahmedatum

2011-01-20

Hochgeladen am

2018-05-06 12:18:44

Sprache

de-DE

Der Deutsche Wissenschaftsrat hat mit seinen Empfehlungen 2010 zu den Theologien, den Religionswissenschaften, den Islamwissenschaften und der Judaistik sowie den Islamischen Studien eine grundsätzliche Neuorientierung in der Verhältnisbestimmung dieser akademischen Disziplinen angeraten. Beweggrund ist unter anderem der akademische islambezogende Diskurs als emerging field und das damit gegebene Erfordernis, deutlicher zwischen bekenntnisbezogenen und säkularen Argumenten in den religionsbezogenen Disziplinen zu unterscheiden. Anlass ist die erstarkende Majorisierung muslimischer Selbstauslegung durch etablierte Wissenschaften in der deutschen Wissenschaftslandschaft, die zwar ihre jeweilige Expertise gegenüber dem Islam entfalten, die Hermeneutik als theologische Disziplin aber nicht grundlegen, sondern nur begleiten können. Grundlage hierfür sind auch die verfassungsrechtlichen Maßgaben zum theologischen Selbstbestimmungs- und Gestaltungsanspruch islamischer Religionsgemeinschaften. Mit Blick auf den islamischen Religionsunterricht und die akademische Ausbildung muslimischer Religionslehrkräfte verweist das auch auf neue Wege gesellschaftlicher Partizipation muslimischer Gemeinschaften in Deutschland. Die ist auf der ordnungspolitischen Ebene in einigen Bundesländern bereits weiter fortgeschritten als eine noch zu etablierende islamische Theologie". Man könnte also sagen: Der Islam wurde in den vergangenen Jahren vorrangig vom Segment praktischer Theologie her gedacht und weniger von Seiten theologischer Grundlagenforschung. Der nun anstehende Paradigmenwechsel bleibt also nicht ohne Folgen für diejenigen Islamdisziplinen, die sich bereits an der Universität, vor allem an der FAU etabliert haben: Sie sehen sich in ihrem Selbstverständnis herausgefordert. Die interdisziplinäre Verschränkung mit anderen bekenntnisbezogenen Disziplinen und die Entwicklung hin auf Islamische Studien birgt dabei Chancen und Risiken.

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