Ich begrüße Sie, meine Damen und Herren, so wie es sich gehört, mit Grüß Gott und vielleicht
auch mit dem islamischen Friedensgruß Assalamu alaikum, von dem der Überlieferung nach Muhammad
gesagt hat, begrüße mit dem Gruß den, den du kennst und den, den du nicht kennst.
Der etwas längliche Titel meines heutigen Vortrages verweist auf ein interessantes Spannungsfeld,
welches sich an unserer Universität entwickelt. Sie haben es vielleicht den Medien entnommen.
Die Universität Erlangen-Nürnberg bewirbt sich um die Bundesgelder für den Aufbau islamischer
Studien, gemäß den Empfehlungen des Deutschen Wissenschaftsrats vom Januar 2010.
Diese Empfehlungen des Wissenschaftsrats wurden auch in muslimischen Kreisen aufmerksam wahrgenommen,
weil sie mit dem Abschnitt A53 Islamische Religionspädagogik und Islamische Religionslehre
auf den Fachbereich Islamische Studien und in diesem Zusammenhang auch auf Islamische
Religionspädagogik zu sprechen kommen. Dort steht neben Begriffen wie Imam-Ausbildung,
die aus der Presse hinlänglich bekannt sind, auch die Frage der Ausbildung von Lehrkräften
für das Fach Islamische Religionslehre an den öffentlichen Schulen in Deutschland oder
die Forderung nach Nachwuchsförderung im Zentrum der Aufmerksamkeit. Vielleicht ein Hinweis,
das Finanzvolumen dessen, was von Seiten des Bundes vorgesehen ist, beläuft sich auf
circa 5 Millionen Euro. Und was die komplementären Nachwuchsförderungen durch die Mercator-Stiftung
angeht, auch das wurde ja über die Pressestelle der Universität publiziert, da sind wir mit
dabei. So hat die Mercator-Stiftung 3,6 Millionen Euro in die Hand genommen, um für die nächsten
sechs Jahre einen gratuierten Kollege Islamische Studien aufzubauen und zu fördern. Sie sehen
also, die Summen verweisen auf einen bestimmten Hintergrund, nämlich den des öffentlichen
Interesses. Worin präzise dieses öffentliche Interesse besteht oder das höhere Interesse,
wenn Sie so wollen, das wird im Laufe meines Vortrags deutlich werden. Ein Zyklus von
Fachtagungen im Sommer letzten Jahres zu theologischen Fragen in Berlin, zu religions-verfassungsrechtlichen
Fragen in Münster und speziell zu Fragen der islamischen Studien in Köln hat diese
gesamte Thematik in der wissenschaftlichen Gemeinschaft noch einmal diskutiert, was
auch eine Menge dazu publiziert worden. Im Übrigen, diese Beiträge stehen alle auch
auf der Website des Wissenschaftsrats, da sind eine ganze Menge interessante Aufsätze
zu den islamischen Studien im weiteren Sinne. Ich möchte mich beschränken aber nun auf
den Aspekt der Religionspädagogik. Religionspädagogik, meine Damen und Herren, wird in der Öffentlichkeit
nicht als zukunftsweisender Fachbereich wahrgenommen. In den Augen jener, die sich mit ihr beruflich
auseinandersetzen, gilt sie als eine typische Anwendungsdisziplin, die eine Reihe von Dingen
zu leisten hat. Was von ihr erwartet wird, verweist weniger auf die Religionspädagogik
als forschende Disziplin, sondern auf bestimmte berufliche Handlungsfelder, in denen Religion
zum Thema wird, zum Beispiel der schulische Religionsunterricht. Was die Universität angeht,
muss gelegentlich in Erinnerung gerufen werden, dass die Religionspädagogik eine eigene wissenschaftliche
und besonderen akademische Tradition pflegt. Was heißt das konkret und was ist islamische
Religionspädagogik? Eine Pädagogik des Islams oder eine Pädagogik von Muslimen für Muslime,
irgendeine Sonderpädagogik für Sonderlinge in einer besonderen Situation? Die Zukunft
islamischer Religionspädagogik erschöpft sich ja nicht darin, dass muslimische Professoren
muslimische Lehrkräfte ausbilden, muslimische Schülerinnen und Schüler in einem islamischen
Religionsunterricht mit Islam zu beschulen. Die mit den unterschiedlichen Religionen
implizierten Einheiten des jeweils eigenen Bekenntnisses, spezifischer normativer Strukturen
und dazugehöriger Personen verweisen auf das, was von Religionsgemeinschaften in Abgrenzung
voneinander als ihre eigene Deutungs- und Gestaltungsmacht identifiziert wird, nicht
aber auf ein wissenschaftlich begründetes Paradigma. Religionspädagogik steht deshalb
im Dienste dessen, was in den Zuständigkeitsbereich institutionalisierter Religionen fällt und
wird gern als die Wissenschaft von der schulischen Vermittlung im Dienste etablierter Theologie
verstanden, dies in das weniger von Religionspädagogen selbst als vielmehr von solchen, die das in
Anspruch nehmen. Zum Konfliktfall für die islamische Religionspädagogik kann dabei
werden, dass sie als akademische Disziplin in Deutschland gegenwärtig besser etabliert
Presenters
Prof. Dr. Harry Harun Behr
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
01:29:16 Min
Aufnahmedatum
2011-01-20
Hochgeladen am
2018-05-06 12:18:44
Sprache
de-DE
Der Deutsche Wissenschaftsrat hat mit seinen Empfehlungen 2010 zu den Theologien, den Religionswissenschaften, den Islamwissenschaften und der Judaistik sowie den Islamischen Studien eine grundsätzliche Neuorientierung in der Verhältnisbestimmung dieser akademischen Disziplinen angeraten. Beweggrund ist unter anderem der akademische islambezogende Diskurs als emerging field und das damit gegebene Erfordernis, deutlicher zwischen bekenntnisbezogenen und säkularen Argumenten in den religionsbezogenen Disziplinen zu unterscheiden. Anlass ist die erstarkende Majorisierung muslimischer Selbstauslegung durch etablierte Wissenschaften in der deutschen Wissenschaftslandschaft, die zwar ihre jeweilige Expertise gegenüber dem Islam entfalten, die Hermeneutik als theologische Disziplin aber nicht grundlegen, sondern nur begleiten können. Grundlage hierfür sind auch die verfassungsrechtlichen Maßgaben zum theologischen Selbstbestimmungs- und Gestaltungsanspruch islamischer Religionsgemeinschaften. Mit Blick auf den islamischen Religionsunterricht und die akademische Ausbildung muslimischer Religionslehrkräfte verweist das auch auf neue Wege gesellschaftlicher Partizipation muslimischer Gemeinschaften in Deutschland. Die ist auf der ordnungspolitischen Ebene in einigen Bundesländern bereits weiter fortgeschritten als eine noch zu etablierende islamische Theologie". Man könnte also sagen: Der Islam wurde in den vergangenen Jahren vorrangig vom Segment praktischer Theologie her gedacht und weniger von Seiten theologischer Grundlagenforschung. Der nun anstehende Paradigmenwechsel bleibt also nicht ohne Folgen für diejenigen Islamdisziplinen, die sich bereits an der Universität, vor allem an der FAU etabliert haben: Sie sehen sich in ihrem Selbstverständnis herausgefordert. Die interdisziplinäre Verschränkung mit anderen bekenntnisbezogenen Disziplinen und die Entwicklung hin auf Islamische Studien birgt dabei Chancen und Risiken.