Meine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Herr Wieser, haben Sie herzlichen Dank für
die sehr freundliche Einführung, auch für die Einladung hierher. Für diejenigen unter
Ihnen, die des Schreibens vielleicht schon müde sind. Herr Wieser hat dankenswerterweise
auf mein Buch zum Islamischen Recht hingewiesen und in dem Kapitel über Islam in der Diaspora
können Sie einiges von dem, was ich Ihnen heute Abend sage, werde auch nachlesen, wenn
Sie denn mögen. Das Islamische Recht in der zweiten Auflage 2009. Diesen Termin habe ich
sehr gerne wahrgenommen. Ich bin mit Freuden an die hiesige Universität gekommen und ich
bin auch ebenso gerne hier geblieben. Und zwar deshalb, weil sie sich gerade in den
Bereichen, die mich interessieren, besonders auszeichnet. Einerseits durch eine strikte
Orientierung an solider Fachdisziplin, aber auch einer großen Bereitschaft zwischen den
Disziplinen dann Kontakte herzustellen. Also Interdisziplinarität zu betreiben. Nicht in
dem Sinne, dass man von vielen Dingen nichts versteht, sondern von manchen Dingen sehr
viel und dann versucht über den Tellerrand hinaus zu blicken. Da haben wir, denke ich,
ein erfreuliches Potential und das macht das wissenschaftliche Arbeiten an diesem Ort,
abgesehen von den Schönheiten Frankens, so angenehm. Weniger angenehm vielleicht ist das
Thema, zu dem ich heute zu sprechen habe. Es steht nicht im Verdacht der Vergnügungssteuerpflicht
zu unterliegen. Muslimische Haltungen zum säkularen Rechtsstaat. Ich kann mir vorstellen,
dass bei vielen, vielleicht vor allem bei Nicht-Muslimen, dieses ein Thema ist, das
angstbesetzt ist. Wie verhalten die sich denn zu unserem Staat? Wird der deutsche Rechtsstaat
gefährdet durch muslimische Präsenz? Wir können feststellen, dass in den letzten Jahren
verbreitete Ängste entstanden sind, in unserem Land, in Europa vor dem Islam. Es gibt ja
reale Hintergründe. Wir können die Attentate von 9-11 und von London und von Madrid und
von Istanbul und die unschöne Reihe setzt sich immer weiter, Fatt. Es ist eine abstrakte
Angst, wie wir beobachten können, auch herausfinden aus vielerlei Umfragen. Das heißt, viele
haben nicht Angst vor Ali oder Fatima, die um die Ecke wohnen, mit denen man, sofern man
kommunizieren kann, eigentlich auch ganz gut auskommt, sondern es ist dann eine abstrakte
Angst vor dem Islam und was kommt da auf uns zu? Ich denke, es ist sehr wichtig, dass wir
diese Dinge thematisieren. Ängste kann man aufgreifen, man kann sie versuchen zu widerlegen
oder man stellt fest, da ist was dran und muss entsprechend reagieren. Ein wenig Sorge,
muss ich gestehen, macht mir in den letzten Monaten vor allem eine sehr stark polarisierte
und ebenso faktenarme Debatte. Und bei faktenarm meine ich schon auch Bücher, in denen eine
Fülle von halb verdauten Scheinfakten zusammengeführt werden, um eine Tendenz zum Ausdruck zu bringen,
die im Ergebnis eigentlich schon feststeht. Und nachdem dieser Erfolgsautor unserer Tage
nun so sehr in die Debatte geraten ist, gestatten Sie mir doch ein Watt zu seinem Werk, Herrn
Zarathins Werk, also Deutschland schafft sich ab. Ich will nur eine Einzelheit herausgreifen
unter vielen. Er entwickelt aus meiner Sicht kleinstbürgerliche Angstfantasien und versucht,
Ängste auch gezielt zu wecken. Ängste kann man wecken, zum Beispiel mit einer großen
Zahl potenzieller Feinde, die Feucht vor der großen Zahl. Was macht Herr Zarathin in seinem
Buch, Seite 261? Er versucht, die Zahl der Muslime in Deutschland näher zu bestimmen.
Er nimmt nicht die aktuellen und sehr gut belastbaren Zahlen, die die Deutsche Islamkonferenz
in Umfragen herausgefunden hat, wo man konkret nach der Religionszugehörigkeit gefragt hat.
Nein, die kennt er nicht oder er ignoriert sie. Er nimmt den Mikrozensus von 2005, der
gar nicht nach der Religion gefragt hat und versucht dann von den vier Millionen, die
er über die Staatsangehörigkeit vielleicht identifizieren kann, hoch zu rechnen. Ja,
aber da sind vielleicht besonders viele Muslime drunter, es könnten bis zu 43 Prozent mehr
sein und dann sind wir schon bei 5,7 Millionen, wie gesagt, ohne jeglichen empirischen Beleg.
Durch Umblättern einer Seite geschieht Wundersames, jetzt erhöht sich nämlich die Zahl auf 6-7
Millionen durch die schlichte Aussage, die haben aber auch viele Kinder. Inwieweit das
dann noch mal relevant wird, wird nicht gesagt. Das heißt, sie haben also innerhalb von zwei
Seiten auf der Grundlage von jedenfalls nicht mehr aktuellen und höchst angreifbaren Zahlen
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
01:29:21 Min
Aufnahmedatum
2011-02-08
Hochgeladen am
2018-05-06 12:19:15
Sprache
de-DE
Steht der Islam im Gegensatz zum säkularen Rechtsstaat Deutschland? Diese Frage wird häufig gestellt und ebenso häufig vorschnell unzutreffend beantwortet. Dieser Vortrag soll zunächst skizzieren, welches die Charakteristika des säkularen Rechtsstaat hierzulande sind, und geht sodann der Frage nach, welche Grundhaltungen von Muslimen hierzu bestehen. Diese werden in fünf Modellen anhand von Beispielen im Einzelnen vorgestellt. Dabei erfolgt auch eine Einbindung in die allgemeinere integrationspolitische Debatte.