Wenn Sie diesen Lebenslauf gehört haben, denkt sich ein Jurist und Volkswirt, und jetzt redet er was
zu Theorie und Experiment in der Physik. Nun, ich habe mich neben diesen Sachen auch noch mit
anderen beschäftigt, also ein halbes Studium der Mathematik hinter mich gebracht und das hat mir
dann geholfen, mich dann auch in Physik und in Naturwissenschaften einigermaßen kundig zu machen.
Ja, also heute geht es um Theorie und Experiment im naturwissenschaftlichen Denken. Nach einer
unter Naturwissenschaftlern weit verbreiteten Vorstellung beginnt ihre Forschungsarbeit mit
der Beobachtung von Einzelfällen, die sich entweder in der Natur ereignen oder im Labor
experimentell erzeugt werden. Diese Beobachtungen gelten als elementar, weil sie streng mit
singeligen Wahrnehmungen korrelieren. Im einfachsten Fall werden die qualitativen
oder quantitativen Ausprägungen der beobachteten Merkmale in Listen festgehalten. Solche Protokolle
über das Vorliegen bzw. Nicht Vorliegen von Merkmalen und Merkmalsausprägungen lassen sich
dann mittels statistischer Verfahren bearbeiten. So kann man Häufigkeiten und Streuungen von Werten
einer Größe ermitteln, Korrelationen zwischen verschiedenen Werten feststellen oder Wertverläufe
in einer Zeitreihe darstellen. Die statistische Aufbereitung des Datenmaterials ermöglicht es
auch bestimmte qualitative wie quantitative Ergebnisse in kontrollierter Weise für vernachlässigbar
zu erklären, also als nicht signifikant. Und dadurch erhält man dann eine möglichst einfache
Beziehung und durch deren Verallgemeinerung ein sogenanntes Gesetz. Hat man einmal aus einer Reihe
von Untersuchungen ein solches Gesetz gewonnen, kann man darunter neue der Art nach einschlägige
Fälle subsumieren, welche dadurch in den Bereich des schon Bekannten eingegliedert werden. Die
neue Beobachtung wird dann zum Fall des Gesetzes und gilt damit in einem schlichten Sinn für erklärt.
Man spricht davon, dass man auf induktiven Wege ein Gesetz gewinnt, welches man dann
detraktiv anwendet. Diese Sichtweise hat ihren Niederschlag in vielen Schulbüchern, aber auch
in renommierten Lehrbüchern gefunden, wobei allerdings die Meinungen auseinandergehen,
auf welchem dieser Wege das Experiment seine entscheidende Rolle zu spielen hat.
Für Wolfgang Demtröter, dem Verfasser eines bekannten Lehrbuches der Experimentalphysik,
sind Experimente im Entdeckungszusammenhang angesiedelt. Ich zitiere ihn, das Experiment
ist eine gezielte Frage an die Natur, auf die bei geeigneter experimenteller Anordnung eine
eindeutige Antwort erhalten werden kann. Ziel aller Experimente ist es, Gesetzmäßigkeiten aufzufinden,
die die Fülle der Beobachtungen in einen größeren überschaubaren Zusammenhang bringen. Der Sinn
eines so gefundenen Gesetzes ist aber nicht nur die Zusammenfassung vieler Einzelergebnisse,
sondern vor allem die Möglichkeit physikalische Vorgänge quantitativ vorauszusagen.
Für Neil Campbell, dem Verfasser eines nicht weniger bekannten Biologie-Lehrbuchs,
hat das Experiment dagegen seine Aufgabe im Begründungszusammenhang.
Auch ihn zitiere ich hier kurz, obwohl es sehr einseitig ist, Naturwissenschaft auf
eine Stereotype-Methode reduzieren zu wollen, können wir dennoch innerhalb des naturwissenschaftlichen
Prozesses ein gemeinsames Motiv finden, das hypothetisch Detektive denken. Detuktion ist
das Gegenteil von Induktion, bei letzterer wird aufgrund einer Reihe von spezifischen Beobachtungen
eine allgemeine Schlussfolgerung gezogen. Bei der Detuktion dagegen schließt man in die
entgegengesetzte Richtung vom Allgemeinen auf das Spezielle. Naturwissenschaftliche Detuktionen sind
Voraussagen. Vorhergesagt wird in der Regel der Ausgang eines Experiments oder ein zu
beobachtendes Ereignis, wenn eine bestimmte Hypothese korrekt ist. Anschließend wird diese
Hypothese getestet, indem man das Experiment oder die Beobachtung durchführt und damit
überprüft, ob vorhergesagte Ereignisse eintreten oder nicht. Wir haben also hier die zwei Wege.
Auf der einen Seite das explorative Experiment oder die Beobachtung, die führt zur Entdeckung von
Regelmäßigkeiten. Wir verallgemeinern diese und kommen zum Gesetz. Dann haben wir ein Gesetz und
wir wenden dieses an, indem wir Hypothesen bilden und diese Hypothesen überprüfen, indem wir ein
geeignetes Testexperiment machen. Auffällig an diesen beiden Texten sind zwei mutige Allsätze.
Campbell behauptet, dass alle Experimente der Überprüfung von detuktiv gewonnenen Hypothesen
dienen, womit sie also eine Testfunktion hätten. Demtröter behauptet, dass alle Experimente die
Aufgabe hätten, Gesetzmäßigkeiten induktiv zu finden. Bei ihm hätten Experimente also explorativen
Presenters
Dr. Rudolf Kötter
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:54:34 Min
Aufnahmedatum
2021-12-09
Hochgeladen am
2021-12-14 13:57:51
Sprache
de-DE