Thema heute ist wie gesagt Entstehung des Kurfürstentums und wir stehen wieder mal vor großen Mysterien.
Was sonnenklar ist, ist, dass die Verfassung des Reiches die Erhebung des Königs durch eine begrenzte Anzahl von Kurfürsten, zunächst sieben, dann neun, von 1257 bis 1806 vorsah.
Das zweite, was vollkommen klar ist, ist, dass die Entstehungszeit dieses Verfassungsinstituts irgendwo zwischen den Jahren 1198 und 1257 liegt.
1198 die erste Andeutung, 1257 ist die Sache fertig gebacken.
Für eine derart entscheidende Änderung der Reichsverfassung sind unsere Belege ausgesprochen dürftig und die sagen uns nicht viel.
Das einzige was vollkommen klar ist, ist die Tatsache einmal, dass bis 1198 alle Fürsten, was auch immer diese Principes, diese ersten im Reich sind,
die haben das gleiche Wahlrecht und sie wählen sozusagen als Gruppe. Wer da ist und wer nicht da, ist sekundär.
Ab 1257 gibt es nur sieben dieser Principes, die wahlberechtigt sind, die drei Erzbischöfe und dann mehr oder weniger ständig ein König, ein Herzog, ein Markgraf und ein Pfalzgraf.
Die Frage ist, wie kommen wir von A bis B?
Mir gibt es zwei Möglichkeiten, diesen Übergang zu konzipieren.
Das sind erstmal gedankliche Kategorien.
Die erste Möglichkeit ist, wir haben einen Wandel, wobei die einzelnen Schritte sich organisch auseinander ergeben,
mit der Folge, dass wir sozusagen eine Evolution.
Allmählich schränkt sich der Kreis der möglichen Wähler auf die Sieben ein.
Und Ihr Wahlrecht wird besser, wohingegen das Wahlrecht der anderen schwindet, bis es nicht mehr wahrnehmbar ist.
Das würde man als eine schrittweise, so von 1198 bis 1257, als eine schrittweise evolutionäre Entstehung des Kurfürstentums,
allerdings hat diese Interpretation das Problem, dass es einige Wahlen innerhalb dieser Eckdaten gibt,
die scheinbar diese schöne stufenweise Evolution stören.
Ganz am Ende gibt es ein paar Wahlen, wo alle Fürsten plötzlich gleichermaßen wahlberechtigt sind,
was natürlich die Vorstellung von einer Evolution völlig sprengt.
Man kann nicht einfach sagen, in der Evolution erstmal die Würmer, dann die Affen, dann die Menschen,
und dann kommen wir zu den Affen zurück und lassen die Menschen nochmal entstehen.
Das geht nicht. Es ist unidirektional oder es ist nicht Evolution.
Die andere Möglichkeit ist eine revolutionäre Entstehung des Kurfürstentums,
was tatsächlich diesen Umstand zur Kenntnis nimmt und würdigt, dass es gegen Ende der Entstehungszeit tatsächlich Wahlen gibt,
wo plötzlich alle Kurfürsten wahlberechtigt sind.
Das heißt, es gibt einige Wahlen, wo der Wählerkreis scheinbar eingeschränkt ist
und wo die Wählerqualität, das Wahlrecht der späteren Kurfürsten scheinbar besser ist als der anderen.
Dafür gibt es andere Wahlen, die es nicht geben.
Wir könnten, wenn wir revolutionär besonnen wären, könnten wir sagen, die zweite Gruppe,
wo Einschränkung, Qualitätsunterscheidung scheinbar vorkommt, das sind die Quellen, die die Kur beschreiben.
Genau die Methodik, die wir bei dem Vergleich von 1125 und 1152 angewandt haben,
mal schaut der Cronest die Kur an und mal die ungeregelte Wahl im Sinne der Personalentscheidung,
dann könnten wir theoretisch genau dieses methodische Prinzip auf die Wahlen von 1198 bis 1257 anwenden
und sagen, es gibt keinen schrittweisen Übergang.
Alle scheinbare Einschränkungen des Wählerkreises, alle scheinbaren Unterschiede in der Wählerqualität, die beschreiben die Kur,
wo von vornherein gewisse Wähler bessere Rechte hatten, meins allen voran,
und wo der Kreis derer, die persönlich den Kur ruflos lassen durften, von vornherein eingeschränkt war.
Also, nach dieser Interpretation gibt es gar keine Endung bis 1257, keinen schrittweisen Übergang,
sondern wirklich ein abrupter Übergang von A bis B.
Ein konkretes Beispiel von einem Autor, der diese These richtig findet,
ist Wolfgang Giese, der einen Aufsatz im deutschen Archivband 40 geschrieben hat,
wo er auf Briefe des Herzogs von Sachsen, zwei Markgrafen von Brandenburg und des Herzogs von Braunschweig-Lüneburg hinweist.
Diese Fürsten reagieren auf eine Ermahnung des rheinischen Städtebunds, endlich mal die Thronvakanz zu beseitigen,
und Albert von Braunschweig, ein späterer Nicht-Kurfürst, schreibt zurück und sagt,
ihr habt uns und die anderen Fürsten, die zum einhelligen oder einheitlichen Wahl des römischen Königs
aufgefordert sind, angeschrieben.
Das heißt aber, dass, so Giese, dass der rheinische Städtebund spätestens am 5. August 1256
immer noch einen künftigen Nicht-Kurfürsten als wahlberechtigt betrachtet.
Das würde bedeuten, dass das Kurfürstentum zwischen dem Datum dieses Briefes, 5. August 1256,
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:00:00 Min
Aufnahmedatum
2009-05-19
Hochgeladen am
2025-09-30 08:52:01
Sprache
de-DE