2 - Seuchen im frühneuzeitlichen Nürnberg [ID:17039]
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Sie können mich zwar alle sehen, tatsächlich stehe ich aber vor einem leeren Hörsaal,

deswegen kann ich die Maske abnehmen, aber allein des Bildes wegen sollte sie doch einmal drauf sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren,

denn hebt sich Grisgrammen und Grämen, dass mancher wird vor Sorgen krank,

nimmt auch einen tödlichen Ausgang.

Unter diesem Titel und mit diesem Zitat möchte ich Ihnen in den folgenden etwa 45 Minuten einen Vortrag bieten,

in der interfakultären Online-Ring-Vorlesung Epidemien, Pandemien und Naturkatastrophen,

am Beispiel der Pest oder des großen Sterbens im frühneuzeitlichen Nürnberg.

Mein Eingangszitat stammt, wenn Sie so wollen, aus der Sterbsordnung der Reichsstadt Nürnberg.

Die Reichsstadt Nürnberg hatte, wie andere große Städte auch, im Laufe des 16. Jahrhunderts

sich geradezu daran gewöhnt, dass große Pestläufte, Sterbsläufte, wie es hier auf dem Cover heißt,

die Stadt heimsuchen und zu dieser Gewöhnung gehört auch,

dass die Obrigkeit regelmäßig mit mittellangen Texten reagiert,

in denen das Verhalten der Menschen, die in Nürnberg und um Nürnberg herum lebten,

relativ gründlich sortiert und geordnet wurde, was denn da zu tun sei,

und vor allen Dingen aber, was unter allen Umständen zu lassen sei.

Den ersten dieser Texte, gewissermaßen die Urfassung, stammt aus dem Jahr 1519, 20.

Sie wurde dann immer wieder überarbeitet, mit neuen Punkten ergänzt, erweitert,

eher als verkürzt und immer detaillierter vorgeschrieben den Menschen, wie sie sich denn zu verhalten hätten,

im Laufe einer Pestepidemie.

1562, schließlich wird eine Form gefunden, die dann nur noch relativ wenig verändert wird.

Das ist also der Grundtext, der dann für etwa weitere 100 Jahre immer wieder neu aufgelegt wird,

und da ändert sich dann eigentlich nur noch die Jahreszahl auf dem Cover.

Das eigentlich Besondere aber an der Sterbsordnung der Reichsstadt Nürnberg ist,

dass wir sie nicht nur als gedruckten Verordnungstext haben,

sondern wir haben eine Reinfassung dieser Sterbsordnung.

Der Schumacher und Meistersinger Hans Sachs hat sich also hingesetzt

und diesen Text in eine Reinfassung gebracht, und dieser Reinfassung hat er angehangen,

ein dialogisches Stückchen über die Flucht vor dem Sterben.

Die Flucht vor dem Sterben ist ein nachgerade klassisches Thema der Reaktion auf Seuchen

unter dem Titel der Pest im 15., vor allen Dingen aber 16. und 17. Jahrhundert.

Sie hat als moralische und sozial-ethische Debatte, ist es zulässig oder ist es nicht zulässig,

eine Grundlage in der berühmten Ausführung von Martin Luther, ob man vor dem Sterben fliehen möge.

Das ist 1527 interessanterweise gleichzeitig in Wittenberg und in Nürnberg gedruckt und verlegt worden.

Die Debatte über das Fliehen vor der Pest ist allerdings, und dies besonders in Nürnberg, durchaus älter.

Wir kennen schon aus dem späten 15. Jahrhundert von Hans Folz, ebenfalls ein Meistersinger und im Hauptberuf Handwerker,

nämlich Chirurg, den schönen Text item, ein fast köstlicher Spruch von der Pestilenz,

auch dieser in Meistersingerschule gereimt und gedichtet und dann noch im gleichen Jahr in einer zweiten Auflage allerdings erschienen.

Auf Aufforderung des Rates, weil dieser Text doch so hilfreich sei, den auch noch mal in einer Prosa-Fassung zu bringen.

Das sind also die Vorlagen und die Grundlagen des Fundament, auf dem Hans Sachs im Anhang zu seiner Reimfassung der Sterbsordnung

ein Dialog zwischen dem Freund, das ist also eine Person, die ihn anspricht, und dem Tichter, damit meint er sich wohl selber, inszeniert.

Und das Hauptthema des Freundes, der also dem Tichter ankündigt, dass er das Sterben fliehen wird, ist, die Weile der Luft vergiftet ist in frischem Luft ist sicher Leben.

Dies ist ein Argument, was seit etwa der Mitte des 14. Jahrhunderts relativ zuverlässig in der wissenschaftlichen Diskussion auch dafür da ist,

die Ursachen dieser Pest zu erklären und es geht in seiner Form zurück auf das berühmte Pestgutachten der Pariser Medizinischen Fakultät aus dem Oktober 1348.

Das heißt der schwarze Tod, das pestilenzische Ursprungsereignis in Europa in der Mitte des 14. Jahrhunderts trifft diese Zeitgenossen einigermaßen unvorbereitet.

Und es ist eben wichtig zu sehen, dass das was passiert ist, dass man die berühmtesten Wissenschaftler, und wenn der französische König gefragt wird,

wer die berühmtesten besten Wissenschaftler sind, da meint er seine eigene medizinische Fakultät, gefragt werden, wie das denn sein könne und was denn hier statt habe.

Und der Gang der Dinge wird von der medizinischen Fakultät etwa folgendermaßen erklärt, ich fasse das sehr grob zusammen,

es kommt zu einer ungünstigen Konstellation der Gestirne, daraus ergeben sich gewisse Spannungen in der Atmosphäre, die sich dann darstellen als extreme Wettererscheinungen.

Und diese extremen Wettererscheinungen sorgen für Dämpfe und Nebel in der Atmosphäre und diese können sehr sehr weite Strecken zurücklegen

Presenters

Prof. Dr. Fritz Dross Prof. Dr. Fritz Dross

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:47:16 Min

Aufnahmedatum

2020-06-18

Hochgeladen am

2020-06-05 13:14:04

Sprache

de-DE

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