In diesem letzten Kapitel der Vorlesung wollen wir uns mit Differentialgleichung und insbesondere
mit gewöhnlichen Differentialgleichungen beschäftigen. Und Differentialgleichungen sind
ein sehr fundamentales Konzept, das uns dabei hilft, die Welt um uns herum zu verstehen und
physikalische Modellierung zu betreiben. Und Differentialgleichungen stecken so ziemlich hinter
jedem Naturgesetz, das in den letzten hunderten von Jahren erforscht und ergründet worden ist. Wenn
wir zum Beispiel an Gravitation denken, dann steckt dahinter eine Differentialgleichung.
Und eine Differentialgleichung per se beschreibt häufig das Änderungsverhalten einer Größe,
die wir beobachten können, wie zum Beispiel die Fallgeschwindigkeit eines Steins, den wir einfach
fallen lassen. Da fragt man sich, wie sieht da die Beschleunigung aus, warum wird der Stein
schneller, je tiefer er fällt. All das lässt sich mit Differentialgleichung beschreiben. Oder zum
Beispiel die Vermehrung von Bakterien oder die Verbreitung eines Virus, wie aktuell das
Coronavirus. Hinter all diesen Modellen steckt eine Differentialgleichung. Darum ist es ein sehr
wichtiges mathematisches Feld, mit dem wir uns im Folgenden beschäftigen wollen. Zum Gebiet der
Differentialgleichung gibt es unterschiedliche Ansätze. In der Reimmathematik und vor allem in
der Analysis beschäftigt man sich häufig mit der Existenz und Eindeutigkeit von Lösungen
von Differentialgleichung. Also man widmet sich eher der Theorie. Und auf der anderen Seite gibt
es die numerische Mathematik, die versucht, bei Differentialgleichungen, die nicht ganz so einfach
sind und vielleicht keine analytische Lösung haben, dennoch approximative Lösungen mit Hilfe
von Computermodellen zu errechnen. Das heißt, es gibt immer die beiden Betrachtungsweisen, einmal
die der Reimmathematik, wo es um analytische Lösungen geht, und die eher computerorientierte
Mathematik, die numerische Mathematik, die versucht, Lösungen zu approximieren. Mathematisch gesehen
ist eine Differentialgleichung eine Gleichung, in der eine unbekannte Funktion und deren Ableitungen
auftreten. Also sobald eine Ableitung und eine Funktion in eine Gleichung vorkommt, sprechen wir
von Differentialgleichung. Also das kann man sich gut merken, Differential und Ableitung. Und die
größte Vorkommende Ableitung ist hierbei dann die Ordnung der Differentialgleichung. Das heißt,
wenn ich die erste Ableitung einer Funktion betrachte, dann hätte ich eine Differentialgleichung
der ersten Ordnung. Wenn ich die zweite Ableitung betrachte, die vorkommt, dann hätte ich eine
Differentialgleichung der zweiten Ordnung und so weiter. Dann kann man auch unterscheiden,
ob es sich um eine gewöhnliche oder um eine partielle Differentialgleichung handelt. Das hängt
ganz stark davon ab, ob die Funktion eine Variable oder mehrere Variablen besitzt. Wenn wir eine
Funktion in nur einer veränderlichen haben, dann ist es eine gewöhnliche Differentialgleichung. Und
in dieser Vorlesung und in der nächsten Vorlesung werden wir uns nur um solche Differentialgleichungen
kümmern. Wenn man aber mehrdimensional solche Gleichungen betrachtet und Gradienten auftreten
mit mehreren partiellen Ableitungen, dann sprechen wir von einer sogenannten partiellen Differentialgleichung.
Die letzte Unterscheidung, die man vielleicht noch erwähnen sollte, ist, wenn man Funktionen
betrachtet, die durch mehrere Gleichungen beschrieben werden. Also es können durchaus
unterschiedliche Funktionen sein, die miteinander gekoppelt sind oder voneinander abhängen und
deren Ableitung. Dann sprechen wir nicht von einer Differentialgleichung, sondern von einem
Differentialgleichungssystem. Also ganz ähnlich wie bei einem linearen Gleichungssystem hat man dann
mehrere Gleichungen mit mehreren Unbekannten und man hofft diese irgendwie lösen zu können. Im
Folgenden beschränken wir uns jedoch vornehmlich der Lösung von gewöhnlichen Differentialgleichungen
und auch keinen Differentialgleichungssystem anfangs. Das heißt, wir fangen ganz langsam an. Und um
eine Intuition zu erzeugen, wovon wir hier reden und was eine Differentialgleichung ist,
habe ich mir gedacht, beginnen wir mal mit einem möglichst einfachen Beispiel. Das heißt, das erste
Beispiel, das wir diskutieren wollen, dient eher zur Motivation. Da werden wir noch nicht sehen,
wie wir Lösungen erarbeiten können, sondern wir machen das Ganze einfach durch Erraten. Also das
einfachste Beispiel einer gewöhnlichen Differentialgleichung.
Differentialgleichung. Und ich werde das häufig in der Vorlesung abkürzen durch die
Abkürzung DGL. Damit ist Differentialgleichung gemeint. Das einfachste Beispiel, was man sich
überlegen kann, ist eine Gleichung der folgenden Form. Und zwar fragt man sich, welche Funktion
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:46:36 Min
Aufnahmedatum
2021-07-02
Hochgeladen am
2021-07-02 12:17:52
Sprache
de-DE