9 - "The Dark Heart of Dystopia". Die Alternativgesellschaft als Spiegelkabinett in Will Self, The Book of Dave [ID:7271]
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Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.

Wir haben in dieser Vorlesung bereits viel von gescheiterten Parallel- und Alternativgesellschaften gehört.

Von Gesellschaften, die von einem relativ kleinen Brissungenkreis in Abgrenzung von der Mehrheitsgesellschaft gelebt und am Ende auch häufig wiederverwarfen werden.

In Will Serves Roman The Book of Dave aus dem Jahr 2006 steht eine futuristische Gesellschaft im Vordergrund, die sich aus einer solchen Alternativgesellschaft entwickelt hat.

Serves verhandelt das Verhältnis von Alternativgesellschaft und Mehrheitsgesellschaft auf mehreren Ebenen, auch in unterschiedlichen Zeitabschnitten.

Ich habe der Rezension von John Bates folgend den Vortrag The Dark Heart of Dystopia genannt.

Der Begriff der Dystopie bezeichnet eigentlich ein Worst-Case-Szenario einer Gesellschaftsentwicklung, in der im Mittelpunkt steht eine alttraumhafte Zukunftsvision.

Zu Beginn erscheint die Romanwelt jedoch eher wie eine utopische Vorstellung, die eine lange literarische Tradition hat.

Bereits bei Lusso war die Natur ein Ort der Sehnsucht und der Träume, auch wenn er das Credo zurück zur Natur, das Reutère ihm unterstellte, nicht glaubte.

Der Wanderer genießt einsam die Stimmung der unberührten Natur und erfährt auf diese Weise das Glück.

Eine solche Szene steht am Beginn von Serves Roman.

Ein 12-jähriger Junge macht einen Morgenspaziergang durch die Natur.

Selbst Beschreibungen der Landschaft erinnern an die Bilder der Londoner Parkanlage Hamstead Heath von John Constable.

Die Handlung beginnt auf der Insel Ham, Teil der Inselgruppe Ing.

Man schreibt das Jahr 523 nach Dav.

Ham stellt sich bei näherer Betrachtung als Hamstead Heath heraus, nur dass es sich dabei nicht länger um einen Park handelt.

Großbritannien ist in Folge des Klimawandels Opfer einer Flutkatastrophe geworden, sodass nur die höher gelegenen Landesteile aus dem Meer herausragen.

Zur Orientierung erkennen Sie im linken Bild auf der rechten Seite unten bei diesem roten Pfeil die Insel Ham.

Andere Orte, die im Roman eine Rolle spielen, sind Chiltern.

Das wäre hier Chil.

Dann haben wir hier Cawd, die in der Insel Ham steht.

Dort die Cotswolds, eine Landschaft, die sehr mühlich ist und deswegen auch noch existiert.

Brum, das ist Birmingham.

Und Not Nottingham.

Auf der Karte kann man also erkennen, dass große Landesteile von Großbritannien überflutet sind.

Das gesamte Leben in der postindustriellen Gesellschaft von Ing. ist geprägt durch die Staatsreligion, die sogenannte Day of Nanity.

Sie beruht auf einem Buch, geprägt auf mehreren Metalltafeln, die etwa 500 Jahre zuvor an einem sagenhaften Ort namens Hamstead ausgegraben wurden.

Dieses Book of Day of handelt von dem epischen Kampf eines Schöpfergottes Day of und dessen Propheten Day of gegen die böse Urmutter Cher.

Es enthält außerdem eine Reihe von Briefen an den verlorenen Jungen Carl und stellt strikte Regeln für das Zusammenleben der Gläubigen auf.

Verheiratete Männer und Frauen leben getrennt in unterschiedlichen Siedlungsteilen.

Die gemeinsamen Kinder wechseln in der Mitte jeder Woche zwischen Vater und Mutter, bis sie 12 Jahre alt sind.

Dann gelten sie als Volljährig und leben dauerhaft in der Männer- oder Frauensiedlung.

Unverheiratete junge Frauen, genannt Au pairs, müssen wie Sklaven in den Männern den Haushalt führen und ihre sexuellen Bedürfnisse erfüllen.

Die Bezeichnung leitet sich vom französischen Au pair ab, das eigentlich auf Gegenseitigkeit bedeutet, doch diese Bedeutung ist den Herrn verloren.

Die Frauen gelten nach Lehre der Degenality als grundsätzlich böse, deshalb ist ihre Ausbeutung gerechtfertigt.

Diese Lehre wird in ganz Ing vom PCO, einer Art spanischer Inquisition, rücksichtslos und konsequent durchgesetzt.

Auf der Insel Ham werden diese Regeln jedoch großtügiger ausgelegt. In dem abgelegenen Gebiet steht nicht immer ein Geistlicher zur Verfügung und es gab dort oft lokale Propheten, genannt Gises, der Lehre radikal von der Interpretation der PCO abweichen konnte.

Eine Besonderheit der Insel Ham besteht darin, dass auch ihr die Motos in einer Art Symbiose mit den Bewohnern leben.

Als intelligente Haustiere kümmern sich die Motos um die Kleinkinder, sie sind jedoch auch die Haupteinnahmequelle von Herrn.

Das aus ihrer Schlachtung gewonnene Öl dient als Brennstoff, aber auch als Heilmittel.

Die Tötung eines Motos, die in allen Einzelheiten dargestellt ist, entlehnt Self aus dem US-amerikanischen Kinderbuchklassiker Little House in the Big Woods von Laura Ingalls Wilde.

Darin wird ein Hausschwein geschlachtet. Selbstversion ist insofern drastischer, als das Motto noch während der Szene von seinem Schmerz und von seiner Hoffnung auf das Jenseits spricht.

Durch diese Szene wird die Idylle, mit der Serfsroman beginnt, bereits relativiert.

Der 12-jährige Carl Diewisch lebt seit seiner Geburt auf Herrn.

Carl gerät gemeinsam mit dem dort Schullehrer Anthony Boehm in Schwierigkeiten, weil beide die Grenze zu verbotenen Zonen überschritten haben.

Boehm ist eine starke Identifikationsfigur für Carl, der ohne Vater aufwachsen musste.

Sein Vater Simon wurde wegen Ketzerei vom PCO verhaftet.

Simon behauptete, ein zweites Book of Dave gefunden zu haben. Es handelt sich gewissermaßen um das Neue Testament nach Dave, wenn man so möchte.

In ihm werden alle Erregungen des ersten Buckles aufgehoben.

Männer und Frauen dürfen dennoch als Paar zusammenleben und ihre Kinder gemeinsam erziehen.

Presenters

Dr. Simone Broders Dr. Simone Broders

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

01:11:25 Min

Aufnahmedatum

2017-01-17

Hochgeladen am

2017-01-21 18:32:01

Sprache

de-DE

Tags

Parallelgesellschaft Dystopie Self The Book Dave
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