Liebe Angehörige der FAU, liebe Studis, meine sehr verehrten Damen und Herren, Bill Gates möchte uns
alle zwangsimpfen lassen. Bill Gates möchte, dass wir einen Chip implantiert bekommen. All das sind
Verschwörungstheorien, die es seit Beginn der Corona-Pandemie gibt. Und es ist auch so,
dass diese Theorien über Demonstrationen auch weiter verbreitet werden und auch in den sozialen
Medien sehr präsent sind. Was es mit diesen Verschwörungstheorien auf sich hat und welche
Rolle hierbei auch Expertenmeinungen spielen, darüber möchte ich heute mit dem FAU-Wissenschaftler
Dr. Sebastian Büttner sprechen. Herr Büttner ist Privatdozent am Institut für Soziologie und
beschäftigt sich mit eben diesen Fragen. Lieber Herr Büttner, ich heiße Sie herzlich willkommen.
Wie geht es Ihnen? Ja, hallo Herr Onegger, mir geht es sehr gut und ich freue mich auf das Interview
mit Ihnen. Ich habe gerade schon die Verschwörungstheorien angesprochen. Bill Gates steht hier auch sehr zentral
in der Kritik. Was sind das denn für Leute, die mit solchen Verschwörungstheorien aufkommen und
solche Verschwörungstheorien auch vertreten, sei es in der Öffentlichkeit, im Rahmen von Demonstrationen
oder in den sozialen Medien, im Internet? Wie so häufig kann man die Frage nicht pauschal
beantworten. Wir haben es da mit sehr unterschiedlichen Gruppen zu tun. Gruppierungen,
manche politisch motiviert, andere Menschen, die vielleicht auch irgendwie verzweifelt sind und
nach Erklärungen suchen. Man kann jetzt Ihre Frage vielleicht zweifacher Weise beantworten.
Einerseits kann man psychologisch argumentieren und sagen, na ja, hinter Verschwörungsdenken steht
eine Sehnsucht nach einer gewissen Sicherheit. Es steht vielleicht auch eine gewisse Art von
Leichtgläubigkeit dahinter. Und es wird ja auch darüber diskutiert, dass gerade auch bei
Verschwörungsdenken bestimmte psychische Dispositionen dann auch in das Paranoische
abgleiten können. Paranoia ist häufig das Stichwort. Nun bin ich Soziologe und kein
Psychologe und ich finde eine Perspektivenverschiebung hier ganz interessant, um vielleicht auch noch
mal deutlich zu machen, wir alle suchen nach Erklärungen. Jeder Mensch sucht nach Erklärungen.
Und ich würde sogar sagen, dass bei vielen Menschen, die auch an Verschwörungstheorien glauben,
ein besonderes Bedürfnis nach Erklärungen dahinter steckt und vielleicht sogar einen hinter
den Vorhang schauen wollen und zwar systematisch. Das heißt also, die Motivation ist erstmal
nachvollziehbar. Nur die Antworten, die dabei gesucht werden, die sind dann vereinfachende
Antworten, vielleicht auch pauschale Antworten. Was man noch sagen muss, sehr häufig sind
Verschwörungstheorien oder Verschwörungsdenken auch eine gewisse Art von politischem Ausdruck
und das sehen wir jetzt gerade auch bei den Protesten. Also wenn ich Schuldige benenne,
wenn ich Schuldige erkenne und auch gegen diese Schuldigen vorgehe, dann ermächtige
mich ein Stück weit auch politisch. Die Verschwörungstheorien zu vertreten ist das
eine. Die Frage ist aber, wie entstehen eigentlich solche Verschwörungstheorien? Wie kann man
solche Verschwörungstheorien erkennen und wodurch unterscheiden sie sich von Expertenmeinungen,
die ja auch sehr intensiv diskutiert werden? Für den Laien ist es auch nicht erkennbar.
Ist das jetzt wissenschaftlich fundiert oder ist es eine Verschwörungstheorie, die hier
vorgetragen wird? Also zu Ihrer ersten Frage, wie entstehen solche Verschwörungstheorien,
möchte ich nochmal wiederholen, dass es tatsächlich so ist, dass die Menschen ein Bedürfnis haben
nach Erklärungen und gerade in Situationen, wo vielleicht auch die Erklärung nicht auf
der Hand liegt, wo auch eine große Unsicherheit herrscht, das ist mal ein Faktor. Das heißt
also immer, wenn wir es mit vielleicht auch unklaren Verhältnissen zu tun haben, wenn
so Zweifel auch da ist an offiziellen Erklärungen auch, die uns geboten werden, dann ist die
Tür geöffnet auch für Verschwörungsdenken. Nicht zu unterschätzen ist allerdings auch
sozusagen Verschwörungsdenken als, wie ich auch schon sagte, als politische Opposition
und ich habe das selbst, als ich angefangen habe, mich mit Verschwörungstheorien auseinanderzusetzen,
gar nicht so im Blick gehabt, aber man muss sich klar machen, dass Verschwörungstheorien
oder auch Verschwörungsnarrationen gerade in der Geschichte, in der Politik sehr häufig
eingesetzt wurden. Das heißt also früher viel mehr als heute eigentlich, also auch
keine von politischen Machthabern. Man könnte jetzt ganz viele aufzählen, eine der berühmtesten
ist vielleicht die Dolchstoßlegende bei Hitler und anderen, aber wie gesagt, könnte man
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:27:53 Min
Aufnahmedatum
2020-06-26
Hochgeladen am
2020-07-02 16:23:54
Sprache
de-DE
Bill Gates will uns alle zwangsimpfen und einen Chip implantieren lassen. Verschwörungstheorien wie diese kursieren seit dem Beginn der Corona-Pandemie im Internet. Und sie werden auf Demos im ganzen Land verbreitet. Was es mit den eigenartigen Protesten auf sich hat und was wir aus der Diskussion um Corona-Maßnahmen über die Rolle von Expertinnen und Experten lernen können, darüber spricht FAU-Präsident Hornegger mit Sebastian Büttner vom Institut für Soziologie an der FAU.
- Was sind Verschwörungstheoretiker für Menschen? (1:23)
- Wie entstehen Verschwörungstheorien? (3:30)
- Warum scheinen Verschwörungstheoretiker immun gegen rationale Argumente? (7:50)
- Beobachten wir derzeit das Aufkeimen einer neuen Wissenschaftsfeindlichkeit? (11:15)
- Warum scheinen Expertisen und Gegenexpertisen in manchen Fällen Kontroversen zu verstärken und Unsicherheit zu verbreiten? (15:25)
- Werden wir von Experten regiert? (19:40)
- Sind Forschungsergebnisse politisch? (24:20)
Unter https://www.fau.info/corona informiert die FAU über die aktuell wichtigsten Fragen rund um das Coronavirus (SARS-CoV-2) und seine Auswirkungen auf den Universitätsbetrieb.