Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.
Auch von mir einen wunderschönen guten Abend und ich freue mich, dass Sie heute Abend hier sind und
sich für die Gestaltung der digitalen medialen Wirklichkeit des Lesens interessieren. Wenn ich
jetzt heute von Gestaltung medialer Wirklichkeit sprechen will, meine ich nicht die inhaltlich
und sprachlich erzeugte fiktionale oder non-fiktionale Imagination von gelesenen
Inhalten in Schriftform. Also da muss ich Sie ein bisschen enttäuschen und das hier, das geht
es tatsächlich nicht, sondern es geht um die physischen und psychischen Folgen für ganz
lebensweltliche reale Lesepraktiken, wenn jetzt digitale Texte in bestimmter Art und Weise über
digitale Geräte angeboten werden. Das ist zum Beispiel die Wirklichkeit des Lesens zuhause,
wie Sie ja sehen auf der Couch, wenn Sie das kennen, im Bett lesen Sie vermutlich auch, wenn
Sie mit Ihren Kindern etwas lesen. Das ist das Lesen unterwegs, in Wartezeiten, in Reisezeiten
oder Urlaubszeiten oder das Lesen auch am Arbeitsplatz beziehungsweise in der Schule und so weiter.
Es geht also um die Form schriftlicher Kommunikation für bestimmte Lesepraktiken und damit eigentlich
um den Bereich der klassischen Mediengestaltung, der ganz unterschiedliche Teilaspekte zwischen
Kunst, Ästhetik, Gebrauchstauglichkeit, Technologie und so weiter aufweist, die wiederum sehr
vielfältig unter unterschiedlichen Zielsetzungen auch thematisiert werden in der Forschung.
Der heutige Beitrag basiert auf den bisherigen Arbeiten in einem Projekt der Buchwissenschaft
der FAU, das meine Kollegin Svenja Hagenhoff, die netterweise auch heute hier ist und ich schon
sein alter Raum in Zeit verfolgen, nämlich der medialen Gestaltung von digitalen Texten als
geoinem Wert für den Leser und damit auch als Wert für meist ökonomisch motivierte Organisationen,
sprich im Regelfall Verlage, die Texte bereitstellen. Unsere Beobachtung war und ist es,
dass die Gestaltung von digital verbreiteten Texten bislang wenig bewusst differenziert
erfolgt. Stattdessen sind die gegenwärtigen digitalen Lesemedien vor allem durch zwei
sehr markante Gestaltungsmuster geprägt. Zum einen erscheint ihre Gestaltung als meist als
minderwertig wahrgenommene Imitation analoger Leseobjekte, wie sie hier oben in einem Beispiel
sehen können. Hier werden also deren materiell bedingten Gestaltungsentscheidungen ins digitale
übertragen, ohne aber dort materiell hinterlegt zu sein. Und die genuinen digitalen Möglichkeiten
der Anordnung und Nutzung von Texten werden dabei weitgehend ausgeblendet. So sehen wir
beispielsweise häufig dem Druckbild entsprechende Satzspiegel, die Darbietung des Textes auf dem
Bildschirm als Doppelseite, das Blättern von Seiten zum Fortschreiten im Text, sogar die
Abbildung eines materiellen Buchkörpers und so weiter. Zum anderen erscheint digitale Gestaltung
im Kontrast dazu aber auch oft auch als technologischer Imperativ der digitalen
Möglichkeiten. Denn sowohl im künstlerischen als auch im ökonomischen Bereich wird oft mehr Wert
darauf gelegt umzusetzen, was technisch möglich ist und weniger darauf umzusetzen, was Lesen
tatsächlich verbessert und damit eben auch Wert erzeugt. Hier sehen wir dann umfassend durch
links durchsetzte Texte, die während des Lesens Musik und Videos abspielen und die man in Echtzeit
in sozialen Netzwerken diskutieren kann, wie hier am unteren Beispiel angedeutet. Auch wissenschaftlich
fehlt es bisher an differenzierter Reflektion der digitalen Gestaltungsmöglichkeiten. Stattdessen
erfolgt oft nur eine Beteiligung am wertenden Diskurs über digitale Medien an sich, die das
Lesen ent- oder aufwerten würden. Wir begreifen in diesem Projekt die Gestaltung von digitalen
Texten deshalb stattdessen als einen Aspekt, der bestimmte positive oder negative Wirkungen
beim Lesen erzeugen kann. Deshalb ein Verständnis des Einflusses bestimmter Gestaltungsentscheidungen
auf konkrete Lesepraktiken unserer Meinung nach ein lohnendes Erkenntnisziel auch darstellt. Oder
anders gesagt wir fragen nach den Möglichkeiten digitaler Gestaltung und ihrem Einfluss auf
fiktionale und non-fiktionale Wirklichkeiten, die während des Lesens konstruiert werden und in sich
einen Wert für Leser und damit eben auch wechselseitig für Bereitsteller erzeugen. In einer
einfachen Projektbeschreibung sehen die Themenfelder dieses Projekts wie auf der Folie skizziert aus.
An den Schnittstellen von Gestaltung, Ökonomie und Rezeption ergeben sich dann spezifische
Fragestellungen im Hinblick auf Kosten-Nutzen-Relationen von Gestaltung, auf angepasste
Geschäftsmodelle der Bereitstellung von Texten und auf die Erzeugung von Wirkungen durch Gestaltung
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:50:57 Min
Aufnahmedatum
2018-01-17
Hochgeladen am
2018-01-24 16:32:24
Sprache
de-DE