Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.
Danke für die Einladung. Generell, ich freue mich sehr hier sein zu können.
Was ich gleich präsentiere, beruht einerseits auf vielen, was ich in der Vergangenheit schon gemacht habe,
stellt aber auch viele Fragen. Und da ich ja leider an den vielen Vorträgen im Laufe des Semesters hier
nicht anwesend sein konnte, weil in Amsterdam auch zu arbeiten ist, erhoffe ich mir natürlich auch Anregungen,
zu einzelnen Punkten, die ich hier präsentiere, aus dem reichen Fundus, den Sie sich im Laufe des Semesters schon erworben haben.
Das werden wir sehen. Denn, und damit starte ich, alles das, was wir hier machen und was wir hier besprechen,
ist in gewisser Weise relativ und im Wandel. Ich lese Ihnen zum Einstieg ein Zitat vor von Klaus-Gerd Sauer,
der den Artikel geschrieben hat, elektronische Medien im Handbuch lesen von 2001. Und darin heißt es,
im Kontext elektronischer Medien können wir ganz getrost davon ausgehen, dass eine massive Veränderung nicht stattfinden kann.
Kaum jemand kommt heute auf die Idee, einen Roman, ein Gedicht, eine Erzählung auf dem Bildschirm zu konsumieren.
Jede elektronische Information ist an technische Vorrichtungen gebunden und hat deshalb eine wesentlich eingeschränkte Gebrauchsfähigkeit.
Außerdem ist das Entscheidende, dass Lesevergnügen und didaktische Aufnahme überhaupt nur beim Lesen eines Buches entstehen können.
Also, Kollege Sauer würde aus seiner Perspektive sagen, was wir betreiben und die Vorlesungsreihe ist eigentlich überflüssig,
weil sowieso nur im Medienbuch gelesen wird. Ich habe das Zitat aber nicht ausgewählt, um hier diesen Standpunkt zu denunzieren,
sondern um deutlich zu machen, dass es genauso gut sein kann, dass in weiteren 16 Jahren dieser Vortrag und einzelne Ausführungen von mir in ähnlicher Weise denunziert werden,
weil die technische Entwicklung und das Leseverhalten und die Nutzung digitaler Medien sich eben entsprechend weiter verändert hat.
Also deutlich markiert, was ich hier sage, was wir hier denken und besprechen, ist im Wandel und wir müssen gemeinsam versuchen, klüger zu werden.
Wir müssen gemeinsam versuchen, klüger zu werden, indem wir bestimmte Begriffe benutzen. Die Vorlesungsreihe ist überschrieben mit dem Begriff des Postdigitalen,
aber in gewisser Weise mit einem Fragezeichen, weil das Post in Klammern steht. Und ich würde gerne im Laufe des Vortrages, das wäre eine meiner Thesen,
auch die Frage stellen, leben wir eigentlich in einer digitalen, in einer postdigitalen oder nur in einer digitalisierten Gesellschaft?
Und wenn wir uns den Bereich der Literatur, der digitalen, der Netzliteratur anschauen, wenn man das so macht, zu welchem Schluss kommt man dann eigentlich?
Nicholas Negroponte hat 1998 schon geschrieben in einem Artikel, Zitat, the digital revolution is over. Da fehlt ein is, also is over.
Und da war eigentlich für ihn schon alles klar. Die Medien sind alle da, wir können die Medien alle nutzen.
Das Verständnis des Postdigitalen sieht eigentlich vor, die Gesellschaft ist digitalisiert, alles ist möglich mit den digitalen Medien.
Und meine These wäre, die Medien sind zwar da, aber wir benötigen zum Beispiel den Verein Digitale Gesellschaft e.V., der sich noch 2010 gegründet hat,
um überhaupt darüber nachzudenken, wie sollte eine digitale Gesellschaft aussehen. Wir haben anhaltende Probleme, wenn wir über Digitalisierung der Gesellschaft nachdenken.
Aktuell kämpft der Kollege Maas mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz und hat im Prinzip politisch entschieden, dass Facebook schon ganz gut auf sich selber aufpassen kann.
Wo man auch der Auffassung sein, das funktioniert so nicht. Es gibt das Leistungsschutzrecht, wo große Verlage versuchen, sich selbst vor diesem Netz und zum Beispiel vor Google zu schützen.
Wir haben, wäre meine These, immer noch keine Datensouveränität der Bürger. Da kann noch ganz viel getan werden.
Und, und das ist vielleicht das Schlagensbeispiel, der Breitbandausbau, der gerade in den Sondierungs- und bald Koalitionsverhandlungen wieder mal zum Thema wird.
Schön wäre und digital wäre diese Gesellschaft, wenn diese Karte gelb wäre und wenn wir sagen könnten, Breitbandverfügbarkeit ist in fast allen Haushalten gewährleistet.
Und wenn man sich diese Karte anschaut und die Grafen, dann sieht man, dass das mittlere Grün, das etwas dunklere Grün und das matte Grün eigentlich deutlich überwiegt.
Und man sieht also, hier ist noch ganz, ganz, ganz viel zu tun. Also Vorverständnis wäre, wir leben nicht in einer postdigitalen Gesellschaft, wir leben in einer digitalen oder überhaupt nur digitalisierten Gesellschaft.
Was sind meine Ausgangshypothesen, womit will ich mich hier beschäftigen?
Der erste Punkt wäre, jenseits des bestehenden Buchmarkts wuchern neue Formen netzliterarischer Produktion und eine intensive literarische Kommunikation.
Das wäre die erste These, die ich Ihnen hier auch präsentieren will. Wir haben dann zweitens die These, diese Phänomene bringen neue Prozesse ästhetischer und ökonomischer Wertschöpfung hervor.
Und auch das werde ich zu zeigen versuchen. Und drittens, eine Systematisierung und ästhetische Analyse dieser Gegenstände ist ein wichtiger Beitrag zur digitalen Literaturwissenschaft,
die es so als Teildisziplin der Germanistik noch nicht gibt, die aber gerade im Entstehen begriffen ist. Und auch dazu werde ich Ihnen das ein oder andere präsentieren.
Um das Ganze noch zu kontextualisieren, Sie sehen hier im Titel Jenseits von Buchverlag und Buchhandel 1, dieser Vortrag korreliert in gewisser Weise mit dem Vortrag von Svenja Hagenhoff aus der nächsten Woche.
Sie müssen also unbedingt nächste Woche wieder hier hinkommen, denn eigentlich können Sie das, was ich Ihnen hier präsentiere, nur verstehen, wenn Sie dann auch Frau Hagenhoff zuhören,
die hier freundlicherweise auch direkt schon in der dritten Reihe sitzt und eher aus einer buchwissenschaftlichen Perspektive nach Phänomenen fragen wird, die sich jenseits von Buchverlag und Buchhandel bewegen.
Ich nehme eher die literaturwissenschaftliche Perspektive ein. Wie werde ich das machen? Ich werde erstmal bestimmte Begriffe aus der Literaturwissenschaft,
der, wenn man so sagen möchte, Gutenberg Galaxis Ihnen präsentieren, Ihnen vorstellen, in denen es um die gedruckte Literatur, Ihre Ästhetik und Ihren Markt geht.
Wir werden dann zur Netzliteratur switchen. In einem Kapitel wird es um Theorien und Begriffe gehen. In einem weiteren Kapitel dann um exemplarische Analysen.
Da schauen wir uns einige Phänomene an, dass Sie mal konkreter sehen, was hat sich da eigentlich getan. Und am Ende wird es eine Zusammenfassung geben mit Thesen zur Netzliteratur und,
falls dann noch Zeit sein sollte, zur digitalen Literaturwissenschaft. Zunächst mal zu literaturwissenschaftlichen Konzepten.
Ich kann das nur in Teilen anreißen, was an Begriffen auch bislang sich verfestigt hat. Ich werde, das gebe ich direkt zu, das sehr holzschnittartig machen.
Es wird gehen um den Begriff des Buches, um den Begriff des Werkes. Und das sind Begriffe, zu denen natürlich in der Literaturwissenschaft eine sehr differenzierte Debatte besteht.
Ich werde aber von herausragenden Vertretern oder herausragenden Veröffentlichungen dieses Verhältnis Ihnen sehr spezifische Definitionen dieser Begriffe und Verständnisse dieser Begriffe präsentieren,
Presenters
Dr. Thomas Ernst
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:58:45 Min
Aufnahmedatum
2018-01-24
Hochgeladen am
2018-01-30 11:08:15
Sprache
de-DE