Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie recht herzlich zu dieser Vorlesung.
Ich muss gerade die andere Brille aufziehen. Sie werden heute viele Folien sehen. Diese Folien
haben unterschiedliche Funktionen. Zum einen haben sie so eine Art Belegfunktion, dass ich nicht groß
nachweisen muss, woher ich meine Informationen habe, sondern manches hat so eine sichtbare
Evidenz. Wenn ich Ihnen also eine Webseite oder einen Ausschnitt einer Webseite der AfD
zeige, dann reicht das vielleicht als Nachweis dafür, dass Walter Flex heute noch im Internet
eine gewisse Bedeutung hat. Auf der anderen Seite die Zitate, die längeren Zitate von Walter Flex
sehen Sie auch dann auf der Leinwand, dann fällt es Ihnen wahrscheinlich leichter, einfach dem,
meiner Vorlesung, meinem Vortrag zu folgen. Manchmal haben die Bilder auch ein bisschen
illustrativen Charakter oder ein Charakter, dass Ihnen gleich klar wird, um was es geht.
In schlaflosen Nächten stelle ich mir manchmal heikle Gesprächssituationen vor. Ich weiß nicht,
ob Sie das auch machen, aber ich will Sie da gerne mal mitnehmen in so einer Gesprächssituation.
Wir befinden uns, sagen wir, im Jahr 1953 vor dem Haupteingang des ersten richtigen
Studierendenwohnheims der Friedrich-Alexander-Universität, dem Alexandrinum an der
Walter-Flex-Straße 1. Es existiert ja heute noch und wurde kürzlich sehr schön renoviert.
Anfang der 1950er Jahre befinden sich noch in unmittelbarer Nähe die sogenannten Baracken,
einfache Studierendenunterkünfte der Universität, man kann sie auf dem Bild gut sehen,
die während der letzten Kriegsjahre von polnischen Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen,
vielleicht sogar von KZ-Insassen, errichtet, aber erstens nach 1945 bezogen wurden. Auf
der Fläche der Baracken baute später die FAO unter anderem das Julius-Wrede-Wohnheim oder das
Studentenwerk, baute das den Sitz des Studentenwerks und die Wohnanlage Hofmannstraße. Diese beiden
sehr unterschiedlichen Gebäudekomplexe, Baracken und Alexandrinum, waren Anfang der 1950er Jahre
übrigens die einzigen universitären Wohnmöglichkeiten für Studierende. Wichtig war von
Anfang an in beiden Gebäudenzimmer für ausländische Studierende freizuhalten,
um die Internationalität der Universität zu fördern. Dies sollte dem von den Amerikanern
geförderten neuen Geist der Universität entsprechen. Nachlesen kann man dies in den
entsprechenden Akten des Universitätsarchivs und ich danke Herrn Wachter, dass er mir die
freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat und manchen guten Tipp in dieser Hinsicht gegeben hat.
Stellen wir uns also vor, ein polnischer Student kommt mit zwei deutschen Kommunitonen ins Gespräch.
Damals studierten ja fast nur Männer in Erlangen. Vielleicht haben sich diese beiden Studenten etwas
unbeholfen bei unserem polnischen Studenten für die tatkräftige Hilfe seiner Landsleute bei der
Erstellung der Baracken bedankt. Sie könnten sich im Namen ihrer Nation auch für das entsetzliche
Leid entschuldigt haben, dafür, dass die Universität Zwangsarbeiter und Kriegsgefangener unter rüder
SS-Aufsicht für die Errichtung von Behelfswohnungen ihrer Studierenden eingesetzt hat. Etwas
peinlicher würde es, wenn die Deutschen begründen müssten, dass das Studentenwerk noch nach
Kriegsende Entschädigungsleistungen bei der Universität einforderte, weil es doch die
Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene mit Essen versorgt habe und die Tonerbundhalle habe
desinfizieren lassen müssen. Offenbar war sich die Leitung des Versorgungswerkes des Unrechtes,
das die Universität und das Studentenwerk begangen haben, gar nicht so recht bewusst.
Was wäre passiert, wenn dem polnischen Studenten aufgegangen wäre, dass in derselben Mensaküche
die Studierenden und die Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen am Ende der Nazizeit bekocht
worden sind und dass in der Mensa vor Kriegsende polnische Zwangsarbeiterinnen für die deutschen
Studierenden arbeiten mussten. Wie hätte unsere deutschen Studierenden schließlich reagiert,
wenn unser polnischer Student nach der Walter-Flex-Straße gefragt hätte, an dem das erste
Erlanger-Studentenwohnheim in unmittelbarer Nähe der Baracken neu errichtet wurde und durch die die
genannten Zwangsarbeiterinnen und Kriegsgefangenen zu ihrer schrecklichen Frohn marschieren mussten.
Wie hätten sie reagiert, wenn der polnische Student sie darauf aufmerksam gemacht hätte,
dass die deutschen Soldaten, die 1939 Polen seine Heimat überfallen haben, Walter-Flex-Lieder
gegrüllt hätten. Wildgänse rauschen durch die Nacht mit schrillem Schrei nach Norden. Unstete Fahrt
habt acht, habt acht, die Welt ist voller Morden. Wir sind wie ihr ein graues Heer und fahren in
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:40:17 Min
Aufnahmedatum
2021-12-07
Hochgeladen am
2021-12-12 12:57:38
Sprache
de-DE