Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zu einer weiteren Einheit der Veranstaltung Kapitalmarktrechts
im Sommersemester 2020. Wir waren immer noch beim Markteintritt, dort bei der Prospektehaftung und
hatten dort nach den Grundlagen uns bereits den § 9 f. konkret, also WPPG konkret genähert,
hatten uns angeschaut, naja, welche Prospekte sind von dieser Prospekthaftung nach 9 f.
WPPG erfasst, hatten uns dann die Frage gestellt, welchen Maßstab legen wir an den Empfängerhorizont
an, der notwendig ein objektiver sein muss, hatten dort gesehen, dort gibt es verschiedene
Rechtsprechungslinien, die man dann am Ende versucht hat zu versöhnen. Stichwort BOM auf
der einen Seite, Leipzig West auf der anderen Seite und dann die salomonische Auflösung durch
die BGH-Einscheidung aus 2013, die sagte, naja, wir wenden die strengere BOM-Rechtsprechung an
als Maßstab für den verständigen Anleger dort, wo es um Prospekte über Börsen gehandelte Papiere
geht, während wir dort die sehr anlegerfreundlichen Leipzig-West-Rechtsprechung benutzen und diesen
Maßstab dort anwenden, also dass der Kleine Anleger letztendlich kein Spezialwissen hat
und sich allein aus den Prospektangaben informiert, wo es um einen Prospekt geht, der nicht Börsen
gehandelte Papiere betrifft und der sich jedenfalls auch an Kleinanleger wendet. Dann hatten wir
uns angeguckt, naja, was sind denn Angaben genau, hatten gesehen Prognosen sind auch
Angaben, hatten dann gesagt, naja, es sind allerdings nur wesentliche Angaben relevant,
wesentlich sind solche, die eben preiserheblich sind, also die anknüpfen an wertrelevante
Faktoren, hatten uns dann gefragt, naja, wann sind solche wesentlichen Informationen denn
unrichtig und waren dort stehen geblieben und setzen hier dann ein. So, wenn Sie jetzt
mit mir nochmal in den § 9 Absatz 1 Satz 1 hineinschauen, dann werden Sie feststellen,
und Sie werden es eigentlich schon wissen, dass die Prospekthaftung eben nicht nur daran
anknüpft, dass im Prospekt wesentliche Angaben unrichtig sind, sondern auch, dass der Prospekt
in Bezug auf wesentliche Angaben unvollständig ist. Was heißt jetzt nun Unvollständigkeit
in diesem Sinne? Na ja, Unvollständigkeit heißt, Entscheidungserhebliches, also wesentliche
Angaben werden weggelassen. Und da ein unvollständiger Prospekt notwendigerweise unrichtig ist, also
die Unvollständigkeit ein Unterfall der Unrichtigkeit ist, ist es eigentlich nicht mehr sinnvoll,
wenn hier im Wort laut des § 9 von Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit gesprochen wird, weil das
suggeriert, dass es zwei verschiedene Dinge sind. Nein, Unvollständigkeit ist tatsächlich
ein Unterfall der Unrichtigkeit. Diese Differenzierung zwischen Unrichtigkeit und Unvollständigkeit,
die kommt aus dem älteren Recht, da war diese Unterscheidung noch sinnvoll, weil das Gesetz
für die Prospekthaftung unterschiedliche Verschuldensmaßstäbe anwandte, je nachdem,
ob der Prospekt unrichtig oder nur unvollständig war. Das ist nunmehr nicht mehr der Fall,
der Verschuldensmaßstab ist gleich und Sie merken sich, Unvollständigkeit ist ein Unterfall
der Unrichtigkeit. Wenn wir jetzt den Begriff der Unvollständigkeit mal mit den Mindestangaben
nach Artikel 13 der EU-Prospektverordnung in Beziehung setzen, dann müssen wir feststellen,
dass das Erfüllen dieser Mindestangaben weder notwendige noch hinreichende Voraussetzung
für eine Haftung ist. So kann es etwa sein, dass trotz des Fehlens von Pflichtangaben
der Prospekt vollständig ist, weil diese Mindestangaben nicht wesentlich sind. Wenn sie nicht wesentlich
sind, dann sind sie nicht erfasst von dem Schutz der Haftung nach § 9, 10, WP, PG, weil
dort sich die Haftung nur auf die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit wesentlicher Angaben
bezieht. Umgekehrt kann der Prospekt sämtliche dieser Mindestangaben enthalten gleichwohl
unvollständig sein, weil diese Mindestangaben nicht alle wesentlichen Angaben enthalten.
Das heißt, seien Sie vorsichtig mit diesen Mindestangaben. Wenn die fehlen, dann ist
in der Tat, oder wenn da einige fehlen ist in der Tat, der Frage nachzugehen, ob hier
nicht ein unvollständiger Prospekt vorliegt. Das ist sehr naheliegend und auch sehr wahrscheinlich,
aber Sie müssen immer noch prüfen, ob diese Mindestangaben tatsächlich im Sinne des §
9, WP, PG tatsächlich wesentlich sind. Und umgekehrt gilt allein, die Erfüllung der
Mindestangaben reicht noch nicht für einen vollständigen Prospekt, sondern sämtliche
wesentlichen Angaben müssen im Prospekt enthalten sein. Das ergibt sich letztlich auch schon
aus der Prospektverordnung selbst. Wenn Sie dort mal in § 6 Absatz 1 hineinschauen,
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:26:18 Min
Aufnahmedatum
2020-05-25
Hochgeladen am
2020-05-25 14:16:32
Sprache
de-DE