Liebe Angehörige der FAU, liebe Studierende, meine sehr verehrten Damen und Herren,
den Nachrichten kann man entnehmen, dass es in der Corona-Krise nicht nur darum geht,
ein türkisches Virus zu bekämpfen, sondern einige Wochen nach dem Shutdown merkt man auch,
dass die gesellschaftspolitische Diskussion startet um die Rechte des Einzelnen. Und darüber möchte
ich im Folgenden mit der FAU-Professorin Anoshe Farahat sprechen. Frau Farahat hat bei uns im
Fachbereich Rechtswissenschaften die Professur für Öffentliches Recht, Migrationsrecht und
Menschenrechte inne. Liebe Frau Farahat, ich grüße Sie. Wie geht es Ihnen? Mir geht es gut.
Vielen Dank. Auch vielen Dank für die Einladung. Ja, Ausgangspunkt vieler Konflikte in den vergangenen
Wochen ist die Frage, ob der Staat zugunsten des Rechts auf Leben und Gesundheit andere
Grundrechte überhaupt einschränken darf. Darf er das? Ja, also grundsätzlich darf der Staat
Grundrechte schon einschränken, vor allem wenn er andere Verfassungsgüter wie eben das Recht auf
Leben oder Gesundheit damit schützen möchte. Allerdings ist es halt so, dass das Recht auf
Leben und Gesundheit auch keinen absoluten höherrangigen Schutz als die anderen Grundrechte
genießt, wie beispielsweise das Recht auf Bildung oder auf Versammlungsfreiheit oder auch Berufsfreiheit.
Also diese anderen Rechte treten jetzt dann nicht automatisch zurück und der Staat ist halt, wenn er
dann entsprechend reagiert, auch nicht vollkommen frei alles zu tun, was er tun möchte und nicht
frei zu entscheiden, wie stark er da eingreift, sondern jede Maßnahme braucht eine gesetzliche
Grundlage und die muss auch verhältnismäßig sein. Das heißt, die Einschränkung muss in einem
angemessenen Verhältnis zu dem Ziel stehen, was mit der Maßnahme dann auch erreicht werden soll
und auch erreicht werden kann. Aber bisher stand doch das Social Distancing im Mittelpunkt all unseres
Handels. Inzwischen dreht sich das Blatt etwas. Die Älteren und die Kranken und die Risikogruppen
sollen zugunsten derer zu Hause bleiben, die ihre Freiheit genießen möchte. Das ist doch ein sehr
schwieriger Konflikt, den es hier zu lösen gilt, wenn hier die Interessen einzelner den Interessen
der Mehrheit gegenübergestellt werden. Wie kann man mit diesem Spannungsfeld umgehen?
Also das finde ich eine sehr schwere Frage. Ich würde jetzt auf so einer nicht juristischen Ebene
erstmal sagen, ich finde es schon schwierig überhaupt abzugrenzen, wer denn hier eigentlich
die Risikogruppe ist und ob man die wirklich so genau abgrenzen kann, dass man dann sagen kann,
die schützen wir und isolieren wir in irgendeiner Weise. Aber sie fragen mich ja natürlich auch
als Juristin und als Juristin finde ich es ist wichtig zu sehen, dass der Staat bei so einer
akuten Krise natürlich schon am Anfang sagen kann, wir gewichten jetzt mal in der akuten
Krisenphase dieses Recht auf Leben und Gesundheit besonders hoch und schränken deswegen auch besonders
stark Grundrechte ein. Das ändert sich aber je länger eine solche Krise dauert, weil dann eben
auch die anderen Grundrechte wieder stärker in den Vordergrund treten und berücksichtigt werden
müssen. Das heißt der Staat muss sich dann auch aktiv darum bemühen Maßnahmen zu ergreifen,
die das erlauben diese Grundrechtseingriffe wieder zurückzunehmen und trotzdem Leben und Gesundheit
zu schützen. Ich mache das vielleicht mal an einem Beispiel deutlich, der Staat muss sich zum
Beispiel aktiv auch um den Ausbau von Testkapazitäten oder Intensivbetten oder auch die
Entwicklung einer leistungsfähigen und auch datenschutzsicheren App kümmern, damit wir alle
dann die Möglichkeit haben eben oder die Bedingungen dafür schaffen, dass wir dann auch die
Kontaktbeschränkungen oder Ausgangssperren auch wieder aufheben können. Das ist also immer wichtig
zu sehen. Der Staat kann eben nicht nur ein Grundrecht schützen, sondern je länger so eine
Krise dauert, desto mehr muss er auch tun, um diese Eingriffe dann auch wieder zurücknehmen.
Aber im Moment haben wir auch das Problem hier ein Balancing vorzunehmen zwischen den
unterschiedlichen Grundrechten. Ich meine anfangs stand ganz klar die Gesundheit im Mittelpunkt.
Jeder hat akzeptiert, dass er Einschränkungen in Kauf nehmen muss. Nach zwei Monaten sieht das
natürlich schon wieder etwas anders aus und die Menschen sind es auch langsam leid, sage ich mal,
sich in Quarantäne zurückzuziehen, sondern sie wollen wieder am Leben teilnehmen. Sie wollen
wieder in die Reste rausgehen und die Corona-Krise am besten hinter sich lassen. Und wir sind alle
sehr gespannt, wie sich das in den nächsten Wochen auch entwickeln wird nach den Lockerungen,
die wir derzeit erfahren. Eine andere Gruppe, gegenüber der der Staat eine ganz besondere
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:15:20 Min
Aufnahmedatum
2020-06-08
Hochgeladen am
2020-06-05 15:41:51
Sprache
de-DE
Beim Blick in die Nachrichten wird deutlich, dass die Corona-Zeit nicht nur für den Kampf gegen eine tückische Infektionskrankheit steht. Vielmehr entzünden sich am Virus und den Folgen, die es mit sich bringt, heftige gesellschaftliche Diskussionen um ganz grundlegende Rechte des Einzelnen. Darüber spricht FAU-Präsident Hornegger mit Professorin Dr. Anuscheh Farahat, Professorin für Öffentliches Recht, Migrationsrecht und Menschenrechte an der FAU.
- Darf der Staat zugunsten des Rechts auf Leben und Gesundheit andere Grundrechte einschränken? (Min. 1.12)
- Die Interessen Einzelner oder der Wille der Mehrheit, was wiegt schwerer? (Min. 2.40)
- Welche Rechte haben Kinder und Jugendliche in Pandemiezeiten? (Min. 5.20)
- Wie wirkt sich die Corona-Krise auf Flüchtlinge aus? (Min. 8.54)
- Wie kann man Staaten in die Pflicht nehmen, sich gerade in solchen Krisenzeiten um Flüchtlinge zu kümmern? (Min. 11.18)
- Besteht trotzdem die Hoffnung, dass die Weltgemeinschaft eine faire Lösung bei der Verteilung eine Impfstoffes findet? (Min. 13:37)
Unter https://www.fau.info/corona informiert die FAU über die aktuell wichtigsten Fragen rund um das Coronavirus (SARS-CoV-2) und seine Auswirkungen auf den Universitätsbetrieb.