6 - Die deutsche Königswahl (1125-1411) [ID:397]
50 von 833 angezeigt

Gut, dann die Thematik der Vorlesung ist heute klar. Wir fangen aber an mit einer

Einschätzung einer etwas anderen Lage. Wir kommen gegen Ende des 13. Jahrhunderts

in das Zeitalter der Dokumentenexplosion. Bei der Entstehung des

Kurfürstens oder des Kurfürstentums hatten wir das Problem, dass wir nicht

genügend Dokumente hatten, die uns wirklich erzählt haben, was los war.

Jetzt kommen wir genau in die umgekehrte Bredouille. Jetzt haben wir viel zu viele

Dokumente, um wirklich anerkennen oder zu erkennen zu können, was los ist.

Die Folge davon ist, dass unsere wissenschaftliche Literatur, wenn sie

überhaupt das Spätmittelalter und insbesondere die Königswalm-

Spätmittelalter erörtert, sich sofort in Detail verliert.

Wir kriegen endlose Auflistungen von welchem Vertrag, mit welchen Bedingungen,

wurde zwischen welchen Parteien, wo, welcher Brief schickte wer, wem usw.

Das heißt, man kann sich sehr leicht in Details verlieren, ohne dass

überhaupt die Verfassungsentwicklung einen für sich klar daraus hervorgeht.

Zweitens ist das eine Zeit, die endlos viele Wahl-Abmachungen im Vorfeld der

Wahl kennt, Wahlbündnisse, taktische Wahlbündnisse usw. usf.

Diese Dinge sind verfassungsrechtlich keine Ursachen, sie sind Symptome einer

neuen Lage, nämlich dass es nur sieben Kurfürsten gibt und die Bündnisse,

meinetwegen drei Leute, einigen sich, dass sie nur gemeinsam die Stimme abgeben

mit der Folge, dass natürlich, wenn sie einen Vierten dazu gewinnen, dann haben

sie die Wahl für sich entschieden usw. usf.

Diese ganzen Verträge setzen, wie selbstverständlich, die Kurfürstenwahl

voraus, ansonsten ist es sinnlos einen Dreierblock oder einen Viererblock aufzubauen,

aber sie sagen, eo ipso, sehr wenig zu einer Verfassungsentwicklung oder zur

Verfassung selbst aus. Ein Beispiel, damit sie kapieren, worum es geht.

Am 11. September 1273, im Vorfeld der Wahl Rudolfs von Habsburg, haben sich die

Erzbischöfe von Mainz, Köln und Trier zuzüglichfalls geeinigt, dass sie sich

einmütig und einträchtig verhalten wollen, nämlich wenn drei von ihnen

einig sind, dann folgt der vierte. Das heißt, sie haben die Mehrheit im

Kurkule. Was die Ereignisgeschichte angeht, ist dieser Vertrag vollkommen

nebensächlich. Rudolf wurde, ich weiß nicht, entweder einstimmig oder so gut wie

einstimmig gewählt, also dieser Vertrag spielt bei der Wahl so gut wie gar keine

Rolle. Aber es zeigt uns, dass erst einmal die Tatsache, dass es nur sieben Wähler

geben kann, völlig selbstverständlich die Basis eines solchen Abmachung bildet,

denn ansonsten wäre es sinnvoll. Ein Viererblock ist nur sinnvoll, wenn es

exakt sieben Wähler und keine mehr gibt. Dann habe ich die Wahl gewonnen. Wenn

drei von uns einig sind, dann zieht der vierte mit. Also, einmal ist es sinnlos,

wenn es nicht sieben Wähler gibt und zweitens ist es sinnlos, wenn Mainz,

Köln, Trier und Pfalz nicht zu diesen sieben Wählern gehören.

Das heißt, dieses Bündnis setzt, ohne sich groß zu fragen, ohne überhaupt die

Sache zu problematisieren, die Kurfürstenwahl durch exakt sieben

Kurfürsten stillschweigend voraus. Ändert an der Wahlverfassung gar nichts, aber wir

haben immerhin ein Beleg 1273 und bitteschön, dass es die erste Königswahl

nach der Entstehung des Kurfürstensubs 2.157 gibt, wo fraglos die Kurfürsten die

einzigen sind, die den König wählen können. Das ist für alle Revolutionstheoretiker

ein kleines Problem, denn diejenigen, die 1257 an der großen

Verfassungsrevolution beteiligt waren, sind alle noch am Leben. Und die wissen

ganz genau, was 1257 los war. Wenn 1257, wie Giese sagt, eine einmalige

Notlösung für das Problem, wie wählen wir einen König, war, dann wissen sie

alle 1273 und könnten theoretisch sagen, aber Braunschweig auch oder so was

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:00:00 Min

Aufnahmedatum

2009-06-09

Hochgeladen am

2025-09-30 08:52:01

Sprache

de-DE

Quellenlage: Wahlbündnisse und ihre verfassungsrechtliche Signifikanz Habsburgische Nachfolgepläne (1290 /91) Köln: Lage des Kurftirstentums, Andernacher Vertrag Erhebung Adolfs von Nassau Absetzungsmodelle der Kanonistik rcx lyrannus, rex inutilis Anwendung der Modelle (1245) Adolfs Absetzung Vorbereitende Schritte Absetzungsdekret der Kurfürsten Grund für die Mischung der kanonistischen Modelle Päpstliche Stellungnahme und Approbationsanspruch

Einbetten
Wordpress FAU Plugin
iFrame
Teilen