Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.
Liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen, liebe Kolleginnen und Kollegen, vielen Dank für die
Einladung zu Ihnen hier in Erlangen über eine Sache zu sprechen, von der nicht ganz klar ist,
ob es sie überhaupt gibt. Computergestützte Literaturwissenschaft hat ein ganz einfaches
Problem, dass die meisten von uns denken, dass diese beiden Dinge, nämlich Computer und
Literaturwissenschaft, nicht richtig zusammengehören. Und nur um die Standardargumente,
die Sie alle aus der Technikkritik kennen, wir sind doch darauf angewiesen, gründlich Bücher zu
lesen. Das ist unsere Hauptaufgabe und dies, was neudeutsch Skimming genannt wird, also das
Abschöpfen von wenigen Informationen, so die Sahnehäubchen oben, das kann es doch nicht sein,
was Literaturwissenschaftlerinnen und Literaturwissenschaftler tun. Außerdem ist ein
gutes Arbeiten natürlich ein qualitatives Arbeiten. Wir lesen diese Bücher und wir gehen nicht so
richtig quantitativ vor, auch das gehört dazu. Und in Deutschland kommt immer ein Argument dazu,
zumindest im Hintergrund spielt es eine Rolle, das historisch leider eine sehr unglückliche
Tradition hat, dass wir in Deutschland ja Kultur haben, Bildung, das sehen Sie auch daran, dass
zum Beispiel Bücher geschützt sind, auch steuerlich und so weiter. Das ist nicht überall so und nur mal
eine Zahl, die diesen deutschen Kulturbegriff unterstreicht, ist 50 Prozent der professionellen
Orchester dieser Welt spielen in Deutschland. Das ist Teil des deutschen Kulturbegriffs,
der dann gerne gegen eine technische und früher hieß es dann französische oder amerikanische
Zivilisation gestellt wird. Dieses Argument kommt in allen Debatten gegen Google und so weiter
natürlich wieder vor. Sie kennen also und da können Sie hier nur ein paar Beispiele, hier
Niklas K. als Kritiker ist ein typisches Produkt dafür und Kathrin Pasik hat sehr schön diese
Standardargumente vorgeführt, wie ihnen immer wieder erklärt wird, warum man Autos nicht braucht
oder warum Straßenbeleuchtung, Blödsinn sind und so weiter. Also da gibt es eine lange Tradition
über die Jahrhunderte, dass das eigentlich überflüssig ist. So sind wir eigentlich trainiert,
ich komme auch aus dieser Tradition, dass das eigentlich nicht richtig zusammenpasst.
Und wenn wir dann gucken, was wir tun, dann sind wir vielleicht, gucken wir bei Wikipedia nach,
das machen nicht bloß Studenten, das machen auch Professoren. Google Books benutzen glaube ich
auch immer mehr von uns, weil es nämlich sehr viele, ganz wie wir noch gleich sehen werden,
ganz tolle Bücher dort auch gibt. Wir benutzen ganz selbstverständlich die ganzen digitalen
Bibliotheksumwelten für uns im weitesten Sinne, digitalisierte Trucke verschiedener Jahrhunderte,
die Editionen und die meisten von uns ganz selbstverständlich die Wörterbücher,
weil eben so viele Wörterbücher digital viel leichter zugänglich sind. Also wir sind nicht
ganz so kulturpessimistisch, wie wir gerne argumentieren. Aber im Großen und Ganzen stehen
wir in dieser Tradition der Geisteswissenschaften, die, und das ist jetzt nur ein Beispiel mehr
illustrativen Charakters, die darauf abheben, dass wir in den historisch-hermenoetischen Disziplinen
etwas erleben wollen, zum Beispiel durch Lesen von Texten. Wir verstehen Texte als ein Ausdruck,
da drückt jemand, ob symbolisch wie auch immer, etwas aus und wir wollen das verstehen. Das ist
also ganz selbstverständlich Teil meines Faches, auch im besten Sinne, da ist gar nicht zu
kritisieren. Also sind wir wieder an der Situation des Two-Culture-Problems, zwei Kulturen, die irgendwie
nicht so richtig zusammengehören, nämlich die historisch-hermenoetischen Kulturen der
Geisteswissenschaften, die auch bestimmte Arbeitsweisen mit sich bringen und dann die,
also bei uns in Göttingen sind die Naturwissenschaftler, die sind alle schon draußen, die gehören schon gar
nicht mehr in die historischen Gebäude zurück. Und das passt irgendwie nicht zusammen und die
beiden Bilder illustrieren das vielleicht, wie wir uns diesen Gegensatz gerne vorstellen. Ich möchte
Ihnen dagegen heute Abend zeigen, dass es sich lohnen würde, diese zwei Kulturen ineinander zu
schieben. Das ist nicht einfach, im Detail kann es sogar sehr, sehr schwierig sein, aber immerhin,
man kann es probieren. Und ich will es in zwei Hauptschritten tun. Ich will zunächst einmal
sagen, wo uns die digitalen Medien im weitesten Sinne unterstützen können, in einer eher
traditionellen Weise des geisteswissenschaftlichen Arbeitens, des Close Readings, also wie sie unsere
Möglichkeiten erweitern können und werde dann versuchen, von dort aus ein Stück weiterzugehen,
Presenters
Prof. Dr. Gerhard Lauer
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
01:11:31 Min
Aufnahmedatum
2014-10-16
Hochgeladen am
2014-10-20 08:55:22
Sprache
de-DE
Der Computer gehört nicht zu den vertrauten Werkzeugen der Philologie. Und doch verändert sich gegenwärtig die Literaturwissenschaft, wenn inzwischen Millionen von Büchern digital zugänglich sind und andere Wege ihrer Erschließung möglich geworden sind. Digitale Editionen und große Digitalisierungsprojekte haben den Gegenstandsbereich der Literaturwissenschaft längst dramatisch erweitert. Die Gegenstände der Literaturwissenschaft sind nicht mehr nur der Kanon, sondern die Fülle der kulturellen Überlieferung. Und auch deren Erschließung kann auf neue methodische Zugänge setzen, die selbstverständlich den Computer und die Verarbeitung großer Datenmengen einbeziehen. Neben historisch-hermeneutische Verfahren treten statistische und überhaupt rechnende Verfahren. Man spricht nicht nur von dichten Lektüren, sondern auch vom Lesen auf Distanz. Das alles verändert und transformiert die Literaturwissenschaft. Von dieser Veränderung handelt der Vortrag.