4 - Wann sind ungleiche Löhne gerechtfertigt? [ID:8670]
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Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.

Professor Klaus Schnabel ist Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Arbeitsmarkt und Regionalpolitik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

In seinem Vortrag geht er aus volkswirtschaftlicher Sicht der Frage nach, wann ungleiche Löhne gerechtfertigt sind.

Meine Damen und Herren, wann haben Sie sich das letzte Mal über Löhne geärgert?

Über Ihr eigenes Gehalt, das Ihrer Kollegen oder das eines Top-Managers oder eines Spitzensportlers?

Das ist vermutlich gar nicht so lange her, denn gerade die Entlohnung und Lohnunterschiede finden wir häufig ungerecht.

Deshalb wollen wir uns heute mit der schwierigen Frage beschäftigen, wann ungleiche Löhne gerechtfertigt sind.

Ausgangspunkt ist ein Dauerbrenner der wissenschaftlichen wie populären Diskussion, nämlich die Frage nach dem gerechten Lohn.

Mit dieser Frage haben sich unzählige Philosophen, Theologen, Ökonomen und andere seit Jahrhunderten befasst.

Ich nenne hier nur Aristoteles, Thomas von Aquin oder David Ricardo.

Dabei ging es meistens um die Frage, wie kann ich einen Lohn begründen, z.B. mit einer standesgemäßen Existenz oder mit einer minimalen Existenz einer Person.

Ein Beispiel für eine solche Herangehensweise ist Johann Heinrich von Tünen.

Er gehört mit zu den größten Ökonomen, die es je gab und ist besonders bekannt geworden für seine Arbeiten zur Regionalökonomik.

Allerdings fand er seine Betrachtungen zum naturgemäßen Arbeitslohn vor wesentlich wichtiger.

Er hat sich damit beschäftigt und kam zu der Erkenntnis, dass sich ein naturgemäßer Arbeitslohn, Groß a, ergebe als geometrisches Mittel aus dem Existenzminimumlohn, Klein a,

und dem Wert des Gesamtprodukts pro Arbeiter, Klein p.

In einer Formel ausgedrückt heißt es also, a ist gleich Wurzel aus Klein a mal p.

Und er erhielt diese Erkenntnis für so wesentlich, dass er sie sogar auf seinem Grabstein eingrabieren ließ.

Nun leider hielt der Rest der Wissenschaft diese Erkenntnis nicht für so bahnbrechend und diese Idee von Tünen ist ein bisschen wieder in der Versenkung verschwunden.

Ganz generell haben wir nämlich das Problem, dass man auch in jahrhundertelangen Überlegungen einfach keine überzeugenden, objektiven Maßstäbe gefunden hat, wie man den gerechten Lohn ausdrücken sollte, woran man sich orientieren sollte.

Das Gerechtigkeitsempfinden ist letztlich subjektiv. Jeder Mensch verwendet dabei andere Maßstäbe.

Wenn ich hier im Publikum zehn Personen frage, welchen Lohn sie für gerecht halten würden, bekomme ich wahrscheinlich zehn unterschiedliche Antworten.

Den einzig gerechten Lohn, den gibt es einfach nicht.

Möglich sind allerdings Diskussionen, inwieweit Unterschiede in der Entlohnung gerechtfertigt sind oder zumindest erklärbar sind.

Und im Frühjahr möchte ich hier einige Informationen und Analysen bieten, vor allem aus ökonomischer Sicht.

Daneben gibt es natürlich auch noch andere Disziplinen, die sich damit beschäftigen, zum Beispiel die Philosophie oder die Psychologie.

Da kann ich heute nicht näher darauf eingehen.

Nun ein ganz entscheidender Punkt bei unserer Betrachtung und der Beurteilung von Löhnen ist die empfundene Gerechtigkeit oder Fairness bei der Lohnsetzung.

Der theoretische Hintergrund ist hier, aus Sicht zumindest der Ökonomen, die Fair-Rage- oder Gift-Exchange-Theorie, die meistens mit dem amerikanischen Nobelpreisträger George Akerloff in Verbindung gebracht wird.

Nach dieser Theorie führt eine als gerecht empfundene Entlohnung dazu, dass die Mitarbeiter motiviert sind, dass sie loyal sind, dass sie eine volle Leistung bringen und dass sie letztendlich auch im Betrieb bleiben, ihn also nicht verlassen.

Das heißt natürlich auch, dass ein Arbeitgeber im eigenen Interesse eine faire Lohnsetzung einstreben sollte.

Bei dieser ganzen Betrachtung hat sich gezeigt, dass Lohnunterschiede oft wichtiger sind als die absolute Lohnhöhe.

Die Fairness-Einschätzungen der Mitarbeiter sind dabei durchaus subjektiv. Das heißt, jeder zieht einen anderen Vergleichsmaßstab heran.

Manche mögen sich und ihren Lohn vergleichen mit dem Mindestlohn oder dem Tariflohn und sich freuen, dass sie mehr verdienen als der Mindestlohn.

Andere vergleichen sich mit den Löhnen von Kollegen und freuen sich nicht so, dass sie weniger verdienen.

Wieder andere schauen, was Manager verdienen, was sie selbst verdienen und sind vielleicht auch nicht ganz glücklich damit.

Oder manchmal betrachtet man als Vergleichsmaßstab auch die Gewinnlage eines Unternehmens und sagt, warum verdienen die so prächtig und warum bekomme ich so wenig.

Also Sie sehen, man kann hier ganz unterschiedliche Vergleichsmaßstäbe anlegen.

Für wie fair halten nun die Arbeitnehmer ihre Entlohnung?

Nun, da zeigt eine Auswertung des Sozioökonomischen Panels durch eine Gruppe um Armin Falk,

dass rund 37 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland im letzten Jahrzehnt ihr Arbeitseinkommen als ungerecht empfunden haben.

Und das hat natürlich einige Nebenwirkungen, wenn man seine Entlohnung für ungerecht hält.

Da gehen üblicherweise die Motivation, der Arbeitseinsatz und die Leistung der Arbeitnehmer zurück.

Manche Arbeitnehmer verlassen frustriert den Betrieb oder wechseln die Branche, weil sie glauben wollen, das vielleicht mehr verdienen zu können.

Es kommt auch vor, dass Arbeitnehmer vor Frust krank werden.

Die Gruppe um Falk hat zum Beispiel häufiger Herzerkrankungen festgestellt bei Arbeitnehmern, die sich ungerecht entlohnt fühlen.

Oder es kommt vor, dass die Arbeitnehmer höhere Fehlzeiten aufweisen, also durch eine höhere Abwesenheit im Betrieb gekennzeichnet sind.

Nun, ein ganz grundsätzliches Problem in der Diskussion um die gerechte Entlohnung und um gerechtfertigte Lohnunterschiede

ist die offene Frage, was eigentlich für die Lohnsetzung relevant sein soll.

Hier kann man unterschiedliche Betrachtungsweisen einnehmen.

Teil einer Videoserie :

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:37:39 Min

Aufnahmedatum

2017-06-01

Hochgeladen am

2018-02-05 09:04:04

Sprache

de-DE

Deutliche Lohnunterschiede sind überall zu finden, sei es zwischen West- und Ostdeutschland, zwischen verschiedenen Betrieben und Branchen, zwischen Männern und Frauen oder zwischen Top-Managern und einfachen Arbeitnehmern. Sie lassen sich in vielen Fällen mit Hilfe ökonomischer Ansätze erklären und rechtfertigen. Allerdings gibt es auch unerklärte Lohnunterschiede, die zumindest teilweise auf Diskriminierung hindeuten.

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