2 - Facetten sexueller Identität: Geschlechter, Lebensformen, Orientierungen und Präferenzen aus sexual- und erziehungswissenschaftlicher Perspektive [ID:6082]
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Mir ist wichtig, dieses Thema nicht sofort bezogen auf die verschiedenen Formen von

sexueller Identität, auf die vielen für manche verwirrenden Begriffe zu lenken,

sondern zunächst mal zu begründen, warum dieses Thema sexuelle Vielfalt eben nicht

ein Luxusthema ist, nicht etwas ist, was sich Sexualpädagogen ausdenken und in

irgendwie westlich dekadenter postmoderner Manier unter Folk bringen,

sondern dass es ein Thema ist, was an die Grundsubstanz unserer freiheitlich

demokratischen Grundordnung, unserer Auffassung von Menschenwürde,

unsere Demokratie heranreicht. Ich möchte eingangs ein paar Anlässe, die es gibt,

die ich gerade schon angedeutet habe, über sexuelle Vielfalt zu reden, ansprechen,

dann etwas zum Sexualitätsbegriff sagen, weil das ganz wichtig ist, weil jeder subjektiv unter

Sexualität verschiedenes versteht und wir im sexualwissenschaftlichen pädagogischen Bereich

einen relativ breiten Sexualitätsbegriff haben. Davon abgeleitet ist dann der Begriff der sexuellen

Identität, wenn man nämlich das, was wir unter Sexualität verstehen, zum Einzelnen

hinholen, also zu seinem Selbst, seiner Identität, dann können wir von sexueller Identität reden,

die verschiedene Dimensionen hat und wenn wir dann noch dazu kommen, ich habe eine halbe Stunde,

etwas zur Sexualität, Sexual Identität und Pädagogik und einige Argumente im Streit um

sexuelle Vielfalt zu sagen. Das muss aber nicht unbedingt sein, ich nehme an, sie kriegen auch

die PowerPoint-Präsentation in der Dokumentation und können möglicherweise die beiden letzten Dinge

auch nachlesen. Eine gewichtige Einleitung ist die, wenn man auf den jüdischen Sozialphilosophen,

Theodor W. Adorno zu sprechen kommt, der nach den Gräueltaten des nationalsozialistischen Regimes

im Exil in den USA eine kleine Schrift verfasst hat, Minima Moralia, Reflexionen aus dem beschädigten

Leben, die endet mit der Vision, ich möchte gerne in einer Gesellschaft leben, in der Menschen ohne

Angst verschieden sein können. Das ist ja inzwischen auch zu einem gewissen geschlügelten Wort geworden

und er begründet diese Vision damit, dass in der Analyse der Entwicklung zum Nationalsozialismus

deutlich wurde, dass es sich da nicht um einen Unfall der Geschichte handelte oder um eine Aktion

einiger durchgedrehter Politiker, sondern dass in der lange vorher vorbereiteten, rezipierten

bürgerlichen Kultur vieles von dem angelegt war, was dann staatlich im Nationalsozialismus

exekutiert wurde. Er kritisiert die bürgerliche Kultur, ich zitiere, die die Fähigkeit miteinander

zu sprechen erstickt, die Möglichkeit unreglementierten Glücks verschwinden lässt, Individualität

liquidiert und nur noch standardisierte Menscheneinheiten zulässt. Das ist sehr aktuell,

wenn man sich auf die Forderungen nach sexueller oder pädagogischer oder gesellschaftlicher Einfalls

bezieht, die von manchen gesellschaftlichen Gruppierungen auch heute wieder in die Öffentlichkeit

gebracht werden. 50 Jahre später hat ein wichtiger Soziologe, der postmoderne Zygmunt Baumann,

das Thema noch mal wieder aufgegriffen und hat gesagt, wir leben heute in einer Zeit, die man

als das Ende der Eindeutigkeit betrachten kann. Er sagt zu Recht, und das ist auch wichtig bei der

Komplexität des Themas wahrzunehmen, dass wir Menschen rein anthropologisch Ordnungsmuster

brauchen. Wir brauchen in der chaotischen Vielfalt der Umgebung unserer selbst und der

verschiedenen Menschen Ordnungsmuster, Identitäten. Wir müssen wissen, was gehört zu uns, was ist mir

wichtig, was gehört nicht zu mir, was will ich annehmen, was will ich wegweisen. Das kann sich

verändern, aber solche Ordnungsmuster, solche Stereotype, kann man auch sagen, sind notwendig,

um handlungsfähig zu sein. Was natürlich immer auch gleich mit dem Schatten verbunden ist,

dass diese Einrichtung von Ordnungsmustern einen Kampf gegen das Uneindeutige, gegen das Fremde,

mit sich bringen kann. Was ist fremd? Was feindlich ist, kann ich relativ gut definieren,

das bedroht mich, da kann ich gegen angehen. Was fremd ist, ist nicht so ganz einzuschätzen. Es

kann freundlich sein, es kann feindlich sein, es ist in jedem Fall in gewisser Weise uneindeutig.

Und dann ist in die entscheidende Frage natürlich auch, wer definiert denn, was ist fremd, was ist

eigen, welche Ordnungsmuster, Mann, Frau, inländisch, ausländisch, tun uns denn gut, sind wichtig für ein

Miteinander umgehen. Ist das Gott? Früher glaubte man tatsächlich. Das ist gesetzt von göttlicher

Autorität. Ist es die Natur? Viele gucken auch heute noch in die Natur und sagen, da ist doch

die Heterosexualität vorhanden, eindeutig. Die Biologen haben uns inzwischen gelehrt, dass das

Presenters

Prof. Dr. Uwe Sielert Prof. Dr. Uwe Sielert

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

00:32:14 Min

Aufnahmedatum

2016-02-26

Hochgeladen am

2016-03-04 09:27:35

Sprache

de-DE

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