Liebe Angehörige der FAU, liebe Studierende, meine sehr verehrten Damen und Herren, Hochwasser,
Erdbeben, Dürren und Pandemien. Immer wieder erschüttern solche
Extremereignisse das Leben der Menschen. Wie diese Extremereignisse gesellschaftlich wirken,
welche Risiken damit verbunden sind. Damit werde ich heute mit meinem Kollegen
FAU-Professor Dr. Frit Krüger sprechen. Er ist bei uns als Wissenschaftler im
Institut für Geografie und beschäftigt sich mit all diesen Fragestellungen wissenschaftlich.
Lieber Herr Kollege Krüger, ich begrüße Sie sehr herzlich. Wie geht es Ihnen?
Mir geht es gut. Guten Morgen, Herr Harnäcker. Hinter uns liegt ein sehr aufregendes,
ungewöhnliches Semester und wir sind eigentlich wahrscheinlich alle ein bisschen froh, dass uns
eine kleine Sommerpause jetzt etwas Atem, Luft und Möglichkeiten verschafft. Ich habe gerade in der
Einleitung ganz kurz erwähnt, dass Sie sich in Ihrer wissenschaftlichen Arbeit mit Risiken
und Katastrophen auseinandersetzen. Wie haben Sie denn aus Ihrer Perspektive als Wissenschaftler
die weltweite Ausbreitung des Coronavirus wahrgenommen? Also zunächst mal ging es mir
vermutlich wie Ihnen und den meisten in Deutschland. Es war eigentlich eine erstmalige
Erfahrung mit einer solchen Krise bei uns im eigenen Land. Insofern konnte man vielleicht
diese persönliche Erfahrung und den kritischen Blick als Wissenschaftler auch gar nicht so ganz
immer trennen. Auf der anderen Seite hat sich dann aber doch in dieser Krise sehr schnell
herausgestellt, dass es teilweise geradezu prototypische Prozesse gegeben hat und noch
gibt, wie sie eben für eine Krise charakteristisch sind. Also einerseits haben wir so das Anlaufen dieser
ganzen Managementmaßnahmen und Abläufen und auf der anderen Seite eben ein ganz hohes Maß an
Verunsicherung, das Aufdecken von Versorgungslücken, zum Beispiel diese Hamsterkäufern, die wir uns
alle erinnern, Koordinationsschwierigkeiten, also alles Dinge, die eben eine Krise auszeichnen,
sonst wäre es ja keine Krise. Und schließlich treten durch diese Krise auch bestimmte gesellschaftliche
Missstände auf. Die Krise und auch eine Katastrophe wirkt quasi wie so eine Kontrastfolie und deckt
Dinge auf, die ohnehin schon existieren, aber jetzt noch mal ganz besonders hervorgeht. Schon
seit Jahren waren ja Experten vor möglichen weltweiten Pandemien, also für viele kam das
auch nicht so überraschend. Wir hatten ja auch schon in der Vergangenheit Situationen, wo sich
eine Pandemie abzeichnet. Eine mögliche denken wir nur an die SARS-Pandemie 2002, 2003 oder auch
das Auftreten von März 2012. Das waren ja deutliche Warnschüsse und viele Länder haben auch Pandemie
Pläne aufgestellt, die in der Schublade lagen und die man ziehen kann. Warum hat Covid-19 trotzdem
und trotz dieser Pandemie Pläne so gravierende Auswirkungen auf uns gehabt? Also zum einen muss
man noch mal betonen, dass letztlich auch bei uns in Deutschland die Pandemie Pläne eigentlich
erstmal ganz gut gegriffen haben. Das heißt, es ist sozusagen ein Mechanismus in Gang gesetzt
worden, der durchaus auch genau dem entsprochen hat, wie man so üblicherweise und auch Empfehlungen
der WHO auch vorgeht. Aber es sind so mehrere Dinge dann eben doch zutage getreten, die man vorab
vielleicht nicht so richtig einschätzen konnte. Das waren die gerade eben angesprochenen Missstände
zum Beispiel. Das heißt, es tritt jetzt plötzlich ganz offen zutage eine gesellschaftliche Ungleichheit.
Also wenn Schulkinder etwa, die ohnehin schon benachteiligt sind, weil sie in schwierigen
Familienverhältnissen aufwachsen müssen, jetzt plötzlich dazu gezwungen werden im Homeschooling
digital unterrichtet zu werden, aber gar nicht die technische Ausstattung zu Hause haben und gar nicht
die persönliche Ansprache der Lehrkräfte haben, dann wird das eben jetzt erst sehr deutlich. Aber es
ist ja ein gesellschaftliches Problem ganz anderer Natur. Die Defizite im Pflegebereich, insbesondere
die Personalausstattung in den Kliniken, in den Seniorenheimen und so weiter oder auch in vollkommen
anderen Bereichen, wie etwa die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie. Auch das war ja Thema
immer schon gewesen seit vielen Jahren bei uns, aber durch Corona tritt das nun sehr, sehr deutlich
zutage und zeigt die Komplexität eines solchen Krisenverlaufes. Also Komplexität an sich ist
schon mal auch eine Ursache. Es gibt noch einen zweiten Aspekt, vielleicht ganz kurz, nämlich die
Ökonomisierung sozusagen, die Komodifizierung der Krise. Also es gibt ausgewiesene Kolleginnen
und Kollegen, die eigentlich von so einem Disaster-Capitalism sprechen, also die sagen,
dieser ganze Umgang mit Krisen und Katastrophen, da folgt eigentlich so neoliberalen Logiken.
Presenters
Zugänglich über
Offener Zugang
Dauer
00:22:40 Min
Aufnahmedatum
2020-07-29
Hochgeladen am
2020-07-29 17:25:20
Sprache
de-DE
Erdbeben, Hochwasser, Dürren oder Pandemien – mit solchen Extremereignissen muss die Menschheit regelmäßig umgehen. Prof. Dr. Fred Krüger, Professor für Geographie an der FAU, setzt sich in seiner Forschung mit diesen Risiken und Katastrophen auseinander. Mit FAU-Präsident Prof. Dr. Joachim Hornegger spricht er über die Corona-Pandemie, den Umgang mit der Krise und über ihre Auswirkungen.
- Wie haben Sie, aus Ihrer Perspektive als Wissenschaftler, die weltweite Ausbreitung des Coronavirus wahrgenommen? (1:17)
- Warum hat Covid 19, trotz bereits vorhandener Pandemiepläne, so gravierende Auswirkungen auf uns gehabt? (3:18)
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Unter https://www.fau.info/corona informiert die FAU über die aktuell wichtigsten Fragen rund um das Coronavirus (SARS-CoV-2) und seine Auswirkungen auf den Universitätsbetrieb.