7 - Sollte man Mitleid mit dem Teufel haben?/ClipID:48721 vorhergehender Clip nächster Clip

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Worum geht es in dieser Folge?

Der Teufel, Satan, Luzifer – eine böse Figur durch und durch ... Doch ist es möglich, eine Figur als rein boshaft zu charakterisieren – oder gibt es nicht doch Grauzonen? Darf man Mitleid mit einer so negativ konnotierten Figur empfinden? Diesen Fragen stellen wir uns, indem wir einen Blick auf die Wehklage des Teufels im mittelalterlichen Innsbrucker Osterspiel werfen.

Korrektur: Das Innsbrucker Osterspiel ist aus dem späten 14. Jh. Details zur Handschrift gibt er hier!


Weiterführende Informationen

Quelle: Das Innsbrucker Osterspiel, hier ins Neuhochdeutsche übertragen: V. 346ff; V. 362ff.

Zum Weiterlesen:

Gold, Julia: Mitleid mit dem Teufel? Ambivalenzen einer altbekannten Figur im geistlichen Spiel des Mittelalters und im protestantischen Drama der Frühen Neuzeit. In: Bockmann, Jörn u. Regina Toepfer (Hgg.): Ambivalenzen des geistlichen Spiels. Revisionen von Texten und Methoden. Göttingen 2018, S. 125–154.

Kretz, Nicolette: Annäherung an das Drama in analytischer Perspektive. Grundelemente (1): Bausteine des Dramas (Figur, Handlung, Dialog). In: Marx, Peter W. u. Michael Bachmann (Hgg.): Handbuch Drama. Theorie, Analyse, Geschichte. Stuttgart 2012, S. 105–110.

Schulze (2012), hier S. 209–213.


Katharina Lang, Carlotta Leitner, Lina Lueb u. Julia Rossner

Aufnahme Datum 2023-06-29

Bühne aufs Ohr. Eine Reise durch die geistlichen Spiele des Mittelalters

Der Teufel, Satan, Luzifer, das Böse. Eine Figur, die allseits bekannt ist und nur Unheil stiftet. Eine Figur, die den Menschen Schaden zufügt, ohne an Gewissensbissen zu leiden, oder sich um die Konsequenzen zu schären. Eine Figur, die vor allem im religiösen Kontext nicht mehr wegzudenken ist. Kurz und gut eine abscheuliche böse Kreatur der Hölle, von der man sich lieber fernhalten möchte. Auch neuere Darstellungen der Teufelsfigur zeigen, dass wir als Gesellschaft ein recht negatives Bild vom Teufel haben. Die Begriffe, Teufels, Satan und Luzifer sind dabei grundsätzlich beliebig austauschbar. Sie haben lediglich unterschiedliche sprachliche Hintergründe. So kommt das Wort Teufel aus dem Griechischen, das Wort Satan aus dem Hebräischen und Luzifer aus dem Lateinischen. Luzifer, also Lichtbringer, wurde in der Hölle dann zu Satan.

Aber kann man den Teufel wirklich so einfach in die Schublade des Bösen stecken? Ist es wirklich möglich, ihn als Paradebeispiel des Schlechten hinzustellen, um das Thema damit abzuhaken? Wie so oft ist ein reines Schwarz-Weiß-Denken nicht die richtige Variante. Es gibt ja schließlich auch immer eine Grauzone. Vielleicht handelt es sich gar nicht um eine gefühlslose Figur. Vielleicht leidet der Teufel auch manchmal unter seinen Taten. Genauso wie wir Menschen, wenn wir etwas falsch gemacht haben. Ist der Teufel, also eine Figur, mit der wir Mitleid haben dürfen oder sollten?

Aus religiöser Sicht ist eine strikte Unterscheidung von rein gut und rein böse nicht möglich. Als Schöpfung Gottes ist der Teufel ursprünglich eine gute Kreatur. Die Abkehr von Gott und dem Guten ist eine bewusste Entscheidung. Also sein eigener Wille. Generell ist das Böse dem Guten untergeordnet. Da Gott ja allmächtig ist.

Man kann sagen, dass der Teufel keine Gegenmacht zu Gott ist. Auch wenn er nach christlicher Vorstellung sich selbst als solche behaupten wollen würde. Sondern er nur Teil des göttlichen Heilsplans ist. Und von diesem in seine Schranken gewiesen und in die Hölle verbannt wird. Er ist sozusagen ein göttliches Werkzeug. Dessen Aufgabe es ist, die Gläubigen in Versuchung zu führen. Einen guten Einblick in eine mögliche Darstellung der Teufelsfigur nach christlicher Vorstellung bieten die Aufzeichnungen geistlicher Spiele, die sich teilweise bis ins Hochmittelalter zurückverfolgen lassen.

Schauen wir uns dazu das Innsbrucker Osterspiel an. Also ein geistliches Spiel aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts, in dem das christliche Ostergeschehen, die Auferstehung Jesu im Zentrum steht. Hier tritt ein Teufel auf, der tatsächlich seine eigenen Taten bereut. Als Jesus nach seiner Kreuzigung in die Hölle herabfährt, um die verdammten Seelen, darunter zum Beispiel auch Adam und Eva zu befreien, klagt der Teufel darüber, dass sein eigener Hochmut in zu Fall gebracht hat. Und er warnt sogar davor, übermütig zu sein. Das hört sich, überträgt man die Sprache von damals, das Frühneuhochdeutsche, in unser heutiges Deutsch, etwas so an.

Dass du je ausgedacht wurdest. 
Ich war ein reiner Engel 
und leuchtete über alle Engelscher. 
Ich maß mir an, 
dass ich höher sitzen wollte 
als der wahre Gott, 
der der höchste Rat ist. 
Da brachte mich mein Hochmut dazu, 
dass ich niedergestoßen wurde. 
Sehr tief in die Hölle, 
ich und all meine Gesellen. 
Weh demjenigen, den der Hochmut antreibt! 
Es wird alles dem Seelenheil angerechnet. 
Auch müssen sie große Not leiden: 
Weh dem, der sich hochmütig verhält!

Dann rennt Luzifer zum Palast und ruft laut: 
Gesellen, liebe Gesellen, 
kommt mit einem großen Schall 
und vernehmt meine Klage, 
Ich will euch sagen: 
Wir waren einst mächtig. 
Es ist uns übel ergangen, 
Wir haben die Seelen verloren, 
Lasst euch dadurch in Zorn bringen! 
Nun fangt, was sie greifen könnt, 
Lasst sie nicht entkommen!
Diese müssen mit uns für immer sein 
und können nicht mehr gerettet werden: 
Jesus, der große Herr, 
hindert uns nimmermehr!

Die Wortwahl des Teufels in seiner Wehklage, trägt zur Identifizierung der Rezipienten mit jenem bei, da er sich selbst vermenschlicht. Spricht der Teufel doch sonst immer sehr unwirsch und obszön, so zeugt seine reflektierte Sprache von Selbsterkenntnis und macht den Teufel bemitleidenswert.

Trotzdem hat der Teufel seine Situation selbst zu verantworten, da er sich bewusst und willentlich dazu entschieden hat, sich von Gott abzuwenden, was schließlich auch endgültig das Böse in ihm hervorbringt.

Damit kann sich der Teufel also zwar autonom dem Bösen zuwenden, jedoch ist er nicht in der Lage, selbst Gnade zu erlangen. Es wird sogar teilweise die Meinung vertreten, der Teufel könnte im Gegensatz zu den Menschen, gar keine Schuld empfinden. Das würde bedeuten, dass obwohl die Schuld bei dem Teufel und bei den Menschen gleich gewertet wird, jedoch nur den Menschen, da diese ja Schuld und Reue empfinden können, die Gnade Gottes vergönnt ist. Dies wird aber durch seine Wehklage widerlegt, da er sich in dieser ja ausdrücklich seiner Schuld bekennt. 

Nichtsdestotrotz wird in der Wehklage Mitleid nur punktuell erregt, da der Teufel zum Ende hin sofort nach neuen Seelen verlangt und damit erneut jegliche Chance auf die Gnade Gottes verspielt. Daraus können wir als Rezipienten also ziehen, dass man sich die Gnade Gottes aktiv verdienen muss und diese nicht als etwas Selbstverständliches angesehen werden darf.

Die Worte, die der Teufel nutzt, sind nicht nur im Spiel handlungsinternen aufeinander bezogen, sondern richten sich ganz klar auch an den Rezipienten, um eine bestimmte Wirkung hervorzurufen. Dies ist ein gutes Beispiel für eine Moraldidaxe. Der Teufel ist einerseits ein Negativexempel als auch eine Bedrohung für den Menschen.

Die Teufelsfigur des Innsbrucker Osterspiels hat somit also folgenden belehrenden Hintergrund. Der arme Teufel ist Teil des göttlichen Heilsplans, um Gläubiger in Versuchung zu führen. Es handelt sich dabei also um eine Art Gedankenexperiment, mit dem mitleiderregenden Teufel als Hauptcharakter, um die eigenen Erlösungsbedingungen zu reflektieren. Die Schwierigkeit ergibt sich dabei daraus, dass der Christ ja grundsätzlich mit allen armen Kreaturen Mitleid haben soll. Dadurch wird ein Nachdenken über das christliche Mitleidsverständnis provoziert, das der Teufel eigentlich gar nicht verdient hätte.

Die Reueklage des Teufels ist also dazu gedacht, Empathie beim Zuschauer hervorzurufen. Diese Inszenierung ermöglicht eine ambivalente Sicht auf die Teufelsfigur. So sehen in die einen prinzipiell nur als bösen Gegenspieler zu Gott, Die anderen jedoch nehmen ihn als Wesen mit Gefühlen wahr und haben Mitleid mit ihm. Auf wessen Seite man steht, ist eine persönliche Entscheidung. Vielleicht hat die Wegeklage ja auch das Bild vom Teufel, das du vorher hattest ein bisschen verändert, oder dich zumindest zum Nachdenken angeregt.

Bühne aufs Ohr. Eine Reise durch die geistlichen Spiele des Mittelalters

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Lehrende(r)

Dr. Sandra Hofert

Zugang

Frei

Sprache

Deutsch

Einrichtung

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Produzent

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

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